Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Samstag, 30. Dezember 2017

thermae - Antike Badekultur (Mode und Körperpflege XI)

c0 (public domain) / SilviaP_Design  (besucht: 29.12.2017)
https://pixabay.com/de/gem%C3%A4uer-innen-bad-therme-frau-1766635/

Kosten
Im Gegensatz zu modernen Wellnesstempeln sind antike Thermen extrem günstig: Der Eintritt kostet nur ein paar Groschen, überliefert ist ein Viertel-As (0,06 Sesterzen ≈ 60 Cent). Kinder, Soldaten und Sklaven sind oft vom Eintritt befreit. Manchmal wird der gesamte Betrieb sogar von einem Stifter wie Agrippa und später von den Kaisern finanziert und der Eintritt wird für alle gratis. Eine Mahlzeit ist jedenfalls zu allen Zeiten wesentlich teurer - überliefert sind 3 Sesterzen im Restaurant für eine Portion Sauce im Landstädtchen Asernia, allein dafür kommt man 50 Mal in die Thermen.

Besucherschicht
Thermenbesuche kann sich daher jeder leisten, Männer, Frauen (räumlich getrennt oder in kleinen Bädern an wechselnden Tagen), Fremde, Kinder, und selbst Sklaven. Da sie entgegen älterer Lehrmeinung doch ein Luxusgut darstellen und in einem ordentlichen Haushalt auch ordentlich riechen sollen, werden auch sie regelmäßig in die Thermen geschickt (selbst Massenware ohne spezifische Fähigkeiten und Ausbildung kosten noch mindestens so viel wie ein Pferd, ab 1.600 Sesterzen, ca. 16.000€ pro Stück - für einen Koch schon ab 46.000€). Der Frauentrakt ist oft kleiner. Vielleicht hält man aus Angst, dass die exzessiven römischen Kosmetika- und Haarpflegegewohnheiten die Abflüsse verstopfen, ihre Anzahl geringer.

Architektonischer Aufbau
Der Aufbau ist vielfältig, reiche Auftraggeber prunken gerne mit entsprechender Ausstattung: Marmor, Mosaike, Statuen, Kuppeln, Fresken, figürliche Kapitelle und dekorierte Friese. Nur Raumkatzen und aufreizend nackte Frauen wie auf obiger Illustration sind in echt nicht zu sehen – zumindest im Männertrakt.
Wenn es der Bauplatz zulässt, wird die Lage ausgenutzt, um nach Süden und Westen den „trockenen Saunaraum“ laconicum, den „feuchten Saunaraum“ sudatorium und das Warmwasserbad caldarium zusätzlich von der Sonne zu erwärmen.
Was die Sonne nicht schafft, leistet ein ausgeklügeltes Heizungssystem über Tonrohre (hypocaustum) - Fußboden-, Wand- und Wasserheizung zugleich. Die Temperatur steigt zum Teil über 50° C, weswegen die Gäste in den heißen Bereichen Holzpantoffeln tragen. Nur die Sklaven, welche die Öfen befeuern müssen, schätzen diese Anlagen vermutlich weniger.

Donnerstag, 28. Dezember 2017

XII. Verrotte, du zweideutig Ding! Das Täfelchen II

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem elften Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten, achten  neuntenzehnten und elften Kapitel).
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!


Kapitel 12: Verrotte, du zweideutig Ding! Das Täfelchen II
[…]
Flete meos casus—tristes rediere tabellae
cb tabellaeII ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
[Naso liegt in seiner Kammer und hält das Warten kaum aus. Beim Herumwühlen fällt ihm eines der Täfelchen in die Hände, auf denen er sich schon einmal mit einem Ratgeberbüchlein abgemüht hatte: Tipps und Ratschläge für Männer, wo man Frauen finden kann und wie man ihnen begegnet. Doch gerade dies lässt ihn Corinna immer schmerzlicher herbeisehnen- nicht nur geistig, auch körperlich. So versucht er verzweifelt, sich Corinna und ihre Posen mit freizügigen Versen von der Seele und aus dem Kopf zu schreiben. Anders kann er seinem innersten Drang nicht mehr Herr werden.]

»Liebeskunst – ein zugkräftiger Titel!«, freute er sich über die neue Überschrift für sein stetig wachsendes Büchlein. »Ganz ohne die Hauptsache zu erwähnen, wäre der Titel aber sicher eine Enttäuschung für die Leser. Aber mit – da könnte es das schönste Buch über römische Erotik werden…«
Naso ließ seinen Griffel nur so über die Zeilen fliegen.
Er hätte nie gedacht, dass ihm die speziellen Tipps so leicht von der Hand gingen. Musste wohl an Corinna liegen; an ihrer Lehrmeisterschaft und ihrer kleinen Bibliothek griechischer Erotika zugleich.
»Nette kleine Bibliothek für eine Frau, was für schöne kleine Bücher sie hat…«
Naso setzte den Stilus ab und seufzte tief.
»Doch würde ich alle Bücher der Welt gegen ein einziges ʺveniamʺ von Corinna eintauschen! Nicht mehr lange«, so hoffte er, »und ich habe meine Antwort. So oder so, aber am liebsten wäre es mir, sie käme persönlich…«.
[…]
Ein lautes Klopfen ließ ihn rückwärts vom Hocker fallen.
„Naso, bis du denn nicht zu Hause?“
Es dauert noch eine kurze Weile, bis er seine Orientierung wieder gefunden hatte.
Sein Herz klopfte schneller, sein Kopf drehte sich wie bei einer Bootsüberfahrt über schwankende Wellen.
Das Klopfen hatte ihn mitten aus der Arbeit geholt, in der er geradezu meditativ versunken war.
„Ja, nein, warte!“, rief er noch ein wenig unsicher, während er sich mit den Knien und Händen auf der Matratze abstützte.
„Herr?“
Immer noch ein wenig benommen torkelte er zur Tür.
„Ich komme schon!“
Kaum hatte er den schweren Riegel zur Seite gezogen, da traf ihn unerwartet ein Kuss.
Nape stand vor ihm und kicherte.
Sie drückte ihm sein Täfelchen aus Ahornholz in die Hand.
Naso stand wie eine Statue auf der Schwelle, mit vorgespitzten, zum Kuss geöffneten Lippen.
Nape drückte ihm noch einen weiteren Kuss auf und ließ ihn einfach so stehen.
Es dauerte noch einen Moment, bis wieder Leben in den Dichter fuhr.
Verblüfft rieb er sich die Augen und ließ die Lippen sinken.
Bevor er ihr nachgesehen hatte, war Nape bereits verschwunden.
Nur noch ein leichtes Ächzen der Treppenstiegen tief unterhalb verriet Napes flüchtige Anwesenheit.

Donnerstag, 30. November 2017

caedes: Soldaten nach der Schlacht (mos et miles XI)



cb caedes ©: S. Gerlinger CC-BY 4.0
Ist die gegnerische Armee eingekesselt oder in die Flucht gejagt, ist das Lager, die Festung oder die Stadt erobert, dann ist die Schlacht vorüber. Die Schlacht mag vorbei sein, nicht das Schlachten: Viele Soldaten sind noch mitten im Kampfesrausch, den die antiken Feldherren nicht zügeln, sondern oft ausleben lassen, um die gegnerischen Truppen noch auf der Flucht möglichst weitgehend zu dezimieren. Zur Verfolgung und Niedermetzelung des Gegners kommen die schnellen Reitertruppen zum Einsatz. Auch Zivilisten, selbst Frauen und Kinder, werden in dieser ersten Phase nach der Schlacht kaum geschont. Gefangene werden erst gemacht, wenn der Kampfesrausch vollständig verflogen ist.
In der Hitze des Gefechts  oder auch aufgrund taktischer Überlegungen kommt es bei starkem Widerstand, vor allem der befestigten Städte vor, die Besiegten restlos abzuschlachten. Haben die Städter noch nicht kapituliert, bevor der Sturmbock an die Tore schlägt, so steht die gnadenlose Niedermetzelung der Waffenfähigen und der Verkauf der übrigen in die Sklaverei zu befürchten.
Weitere Misshandlungen und Verstöße gegen Menschen- und Völkerrecht werden in der Regel bei römischen Autoren immer dann als moralisch höchst verwerflich geschildert, wenn es sich bei den Opfern um römische Soldaten und Bürger handelt ( hierzu und zum Folgenden vgl. Gerlinger 2008, S. 271-288). Gegenüber Barbaren werden die gleichen Untaten dagegen nicht negativ kommentiert, ja manchmal werden sie sogar als gute Tat für Rom präsentiert.
Diese Art der Präsentation wird zwar oft von der breiten Masse des Volkes aber nie von allen Römern akzeptiert und führt häufig auch zu Kritik oder gar zu Untersuchungsausschüssen und Prozessen – zumindest wenn man damit gegen einen politischen Gegner vorgehen kann. Es bestehen aber auch weit verbreitete Vorstellungen von Humanität, die sich schon früh entwickelt hatten:

Mittwoch, 29. November 2017

XI. Veni! - Das Täfelchen I

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem elften Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten, achten  neunten und zehnten Kapitel)
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!

Colligere incertos et in ordine ponere crines
cb tabellaeI ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0

Kapitel 11: Veni! Das Täfelchen I
Mit einem Ruck fiel Naso aus dem Bett.
Verwundert sah er sich um.
Der Hocker lag schräg an sein Bett gelehnt. Wachstäfelchen und Griffel lagen neben ihm am Boden. Er musste doch noch eingeschlafen sein.
Es hämmerte gegen die Tür. Der Lautstärke nach könnte es ein grobschlächtiger Schlägertyp sein, ein ehemaliger Gladiator vielleicht.
»Schulde ich jemandem so viel Geld?«
Wieder hämmerte es.
Mühsam rieb sich Naso seine Augen. Er konnte sich nicht erinnern, sich auf einen derart gefährlichen Geldhai eingelassen zu haben – oder doch? Oder hatte Titus ihn durchschaut und einen Legionär geschickt? Oder war es einer von Vedius‘ Leuten?
Auf Zehenspitzen schlich er zur Türe und lauschte. Doch er konnte nicht feststellen, wer vor der Türe stand.
„Naso, mach endlich auf! Ich bin’s. Nur wegen dir bin ich so früh gekommen!“
Naso schob den schweren Riegel beiseite.
„Nape!“
Mit einem spöttischen Grinsen senkte sie sittsam ihr Haupt.
„Dominus….“
„Du brauchst mich nicht dominus zu nennen, liebste Nape, ich bin nicht dein Herr – leider… und du hast ein viel zu schönes Gesicht, um es wie eine gewöhnliche Sklavin zu senken - was achtest du heute nur so auf die Etikette? Trage es vor mir nur erhoben, so wie gestern!“
Nape wollte schon etwas erwidern, da lief Marcus vorbei, grüßte Naso und schlurfte rülpsend zu seiner Kammer weiter.
Nape hielt ihren Blick gesenkt und biss sich auf die vollen Lippen.
„Ich entschuldige mich für meinen Nachbarn. Komm rein…! Du wolltest doch etwas sagen?“ Er schloss die Türe hinter ihnen. „Na los, keine Scheu!“
„Es ziemt sich nicht für eine Sklavin, einen Herren ungefragt anzusprechen – oder anzusehen.“
Sie hielt den Kopf noch immer gesenkt und schielte dabei vielsagend auf Nasos goldenen Ring: Sonnenstrahlen fielen durch das halb geöffnete Fenster und tauchten ihn in ein feuriges Funkeln. Das Kennzeichen des freien römischen Bürgers, gepaart mit der Auszeichnung einer reichen Familie.
„Ich bin nur eine gewöhnliche Sklavin, Herr. indocta - ungebildet. Nicht wie du. Ich verstehe nicht viel.“
Schamhaft bedeckte Naso den Ring mit der anderen Hand. Er wusste selbst nicht, warum er sich wegen des protzigen Ringes seiner Familie schämte - doch er tat es. Vielleicht sollte er seinen ererbten Siegelring gegen einen einfachen tauschen, einen gewöhnlichen aus Eisen? Oder störte es ihn, dass Nape nur eine Sklavin war? Doch was hieß schon ʺnurʺ…

Dienstag, 31. Oktober 2017

imagunculae – Cicero & der „Kunstgeschmack“ des Vedius Pollio

In meinem Ovid-Roman spielt Gaius Vedius Pollio den reichen Rivalen des Naso. Historisch
imagunculae matronarum: Pornographie in der römischen Oberschicht
cb imaguncula ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
belegbar ist der Vater: Publius Vedius Pollio, ein ehemaliger Freigelassener und später Freund des Augustus aus Benevent – charakterlich aber kein besonders guter Umgang. In den antiken Quellen kommt dieser Vedius nirgends gut weg - auch nicht bei Cass.Dio 54,23,1-2., Tac.Ann, 12,60,4 und 1,10,5. Neutral scheint ihn nur CIL 9, 1556 zu erwähnen. Cicero bezeichnet ihn häufiger als Schuft und "Poser".
Besonders pikant ist Ciceros Brief an seinen Freund Atticus vom 20.02.50 v. Chr. (Cic.Att.VI,1,25). Dort protzt Vedius Pollio, damals noch ein Vertrauter des Pompeius, mit einem riesigem Gefolge: Auf einer Rundreise durch Griechenland führt er kostspielige Vierspänner als Rennwägen mit sich, gibt mit Affen, Wildpferden und Reisewagen an. Vor allem aber führt er noch etwas ganze anderes mit – wenn auch geheim und nur für den intimen Privatgebrauch: Fünf "besondere Bilderleinchen" bekannter Damen: imagunculae matronarum.
Die Wege von Vedius und Cicero treffen sich, da sie bei demselben Gastfreund unterkommen. Während Vedius unterwegs ist um wieder einmal mit seinem Reichtum anzugeben, stirbt der Gastgeber. Alle Besitztümer werden nun für das Erbschaftsverfahren aufgelistet. Wie es scheint, hält sich Cicero mit Auskünften zurück, denn nun werden auch Vedius‘ Privatkisten in Abwesenheit geöffnet und katalogisiert. Und nun kommen sie ans Tageslicht: Ehrbare römische Ehefrauen in eindeutigen Posen…
Zu gerne wüsste man nun, wer genau da abgebildet ist. Wer ist zum Beispiel die Ehefrau des mit "zierlich" umschriebenen Gehörnten, der "DAS" so gleichgültig erträgt, wer die "Schwester deines Freundes", des "Vollpfostens", mit denen Vedius "Umgang pflegt"? Und wie kam es zu den "High-Society-Erotik-Heftchen" - oder "ehebrecherische" Aktmalereien der Geliebten? Wer malte wen warum - und als Modell...???
Cicero aber genießt und schweigt. Zwischen den Zeilen spürt man förmlich, wie gerne sich Cicero -obwohl selbst homo novus-, über den Sohn eines Freigelassenen aus Benevent und sein "Neureichengehabe" lustig macht. Da kommen diese unanständigen Bildchen gerade recht. Hätte er uns nicht ein Kleinwenig mehr berichten können, wenn er schon nicht schweigen kann? Nun – lassen wir den römischen Matronen ihre Privatsphäre, solange wir nicht anders können…

X. Warum muss ich ihr die ganze Zeit denn nur Geschenke schenken?

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem zehnten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten, achten und neunten Kapitel)
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!


Publius Ovidius Naso amores 1,10 amor cupido naso: Qualis ab Eurota Phrygiis avecta carinis
cb dona ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
Kapitel 10: Warum muss ich ihr die ganze Zeit denn nur Geschenke schenken?
 
[Sulpicia sucht Naso überraschender Weise am hellichten Tag in der Subura auf. Sie spielt ein wenig mit ihm. Schließlich willigt sie ein, Naso gegen seinen Rivalen Vedius zu helfen. Allerdings bedingt sie sich ein kleines Geschenk aus. Sulpicia wirft alle geeignete Kandidatinnen ins Rennen, um Vedius anderweitig zu verkuppeln, aber wie beim Dreischritttanz der Arvalbrüder geht es nach ein, zwei Schritten vor immer einen zurück.]

„Woran lag es? Du hast dich mal wieder an den Kalenden überhaupt nicht sehen lassen!“
Corinna stemmt eine Faust in die Hüften, während sie sich stehend vor dem sitzenden Naso aufbaute. Mit der anderen hielt sie den Nachtisch von Naso fern.
„Du hast mir schon zu den Floralia im Aprilis nichts geschenkt und jetzt zu den Carnalia schon wieder nichts.“
„Ich dachte, du machst dir vielleicht nicht allzu viel aus Bohnen und Speck?“ erwiderte Naso.
„Bohnen und Speck, Bohnen und Speck!“, krächzte Loquax aus seinem Käfig.
Er hielt das Köpfchen schief uns starrte Naso mit einem Auge herausfordernd an.
„Sei still, du Vogel! Du machst dir doch sowieso nur etwas aus Mohn und Wasser.“
„Bohnen und Speck!“, gab der Alexandersittich nicht nach.
Diese einfachen Gerichte wurden zu Ehren der Göttin der Gesundheit verzehrt. Doch hatte sich Naso nicht deswegen gedrückt. Zwei drei ungestörte Tage mit Corinna hatten ihm gereicht, sich wieder ihrer völlig sicher zu fühlen. Nun fürchtete er nur Cardea als Göttin der Türschwellen, Türangeln und des Öffnens: Als Gegenleistung für eine Nacht hatte sie vom Gott Janus die Macht erhalten, zu öffnen, was geschlossen ist und zu schließen, was geöffnet ist. Das war ihm in Hinblick auf seine Geldbörse viel zu gefährlich – vor allem, wenn seine Geliebte diese Geschichte wörtlich nahm.
„Wieso nicht? Bin ich etwa Pythagoreerin?“
Sie lächelte ihm spöttisch zu und strich sich über den Magen.
„Und warum dann kein Geschenk zum Festtag der Fortuna Virilis noch zu Verticordia, nicht einmal ein Täfelchen? Und nun auch noch zu den Carnalia… bin ich etwa nicht mehr die Geliebte deines Herzens?!“
„Was kann ich den dafür, dass ich zu den großen Festen inzwischen von großen Männern zu Cena und Symposion geladen werde?“, schob er scheinheilig vor.
Corinna stellte den Teller mit der Süßspeise auf den Rundtisch und lehnte sich auf ihrer Liege zurück. Sie warf Naso einen mehr als vorwurfsvollen Blick zu. Gleichzeitig schielte sie zu der Ecke, auf der Nasos zerknüllter Papyrus lag.
„Außerdem, warst du zuletzt nicht sowieso beschäftigt? Ich wollte dich nur nicht stören. Du hast doch selbst gesagt, dass ich dich zu sehr bedränge, oder?“
Corinna schnaubte verärgert.
„Das ist noch lange kein Grund ausgerechnet an den…“
Naso umarmte sie zärtlich und gab ihr einen Kuss.
„Du bist meine Herrin – domina meines Herzens, mein Leben! Das weißt du doch. Und ich habe dir einen Nachtisch mitgebracht: Den Mandelkuchen und jetzt… mich!“
„Schön, aber…“
Naso hauchte hinter ihr Ohr, wie er wusste, dass sie es gern hatte.
„Sehr schön sogar, sogar für zwei - so schön bist du, meine Helena – und süß obendrein!“
„Helena, Helena!“, wiederholte Loquax zustimmend.
Naso schleckte ihr etwas Honig und Mandelkrümel vom Mundwinkel.
Sie musste kichern.
„Aber Naso… ich hoffe, du willst keinen Krieg um mich riskieren? Trotzdem hättest du mir…“
„So schön wie Leda. Für dich würde ich mich auch hinter falschen Federn verstecken, in einen Schwan verwandeln, um dich zu verführen – wie Iupitter…“

Samstag, 30. September 2017

machinae: Belagerungsgerät der römischen Armee (mos et miles X)


Bei Belagerungen (obsidiones) verwenden die Römer:


agger, -eris, m.
agger Schanzerde und Schanzwall bei den antiken Römern
cb fossae & agger ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
alles, womit eine Erhöhung geschaffen oder eine Vertiefung eingeebnet wird:
a.)
Erdwall, Belagerungs- oder Verteidigungsdamm
b.)
Schanzerde, Schutt, speziell zum Zuschütten von Gräben, Fußangeln und Fallen
c.)
Aufschütten einer Straße: Dammweg, Straßendamm

ariēs -etis, m.
criÒj
Rammbock / Sturmbock; in der typisch römischen Variante frei schwingend aufgehängter Holzbalken mit eisenbeschlagenem Kopf, meist in einem Belagerungsturm integriert (turris)
asser, eris, m.
Stamm, runder Balken, dicke Stange; mitunter Verwendung als gewaltiges Torsionsgeschoss mit Eisenspitze
bal(l)ista, -ae, f.
a.)
bezeichnet alle Sorten von schweren Wurfmaschinen, d.h. mit Stricken und Sehnen bespannte Kriegsmaschinen zum Schleudern von Geschossen (Kugeln, Steine, Bolzen, Balken...); militärisch effiziente Reichweite im Direktschuss ca. 200m, maximale Reichweite im Steilschuss: über 1 km
b.)
speziell als (cheiro)ballista das leichte Torsionsgeschütz (→scorpio)
c.)
das Geschoss einer der unter a.) oder b.) genannten Wurfmaschinen
caespes, -itis, m.
„(ausgeschnittenes) Rasenstück“ zum Zuschütten von Gräben etc.
catapulta, -ae, f.
(gr.: katapšlthj)
„Katapult“, „Wurfgeschütz“
a.) allgemein
bezeichnet alle Wurfmaschinen zum Schleudern von Bolzen- bzw. Pfeil-Geschossen; maximale Reichweite über 1 km; effektive Reichweite im Steilschuss bis 460m, im Flachschuss (Hauptverwendung) militärisch effektiv bis ca. 200m
b.) speziell
schweres Torsionsgeschütz

IX. Krieg führt ein jeder, der liebt: Liebe IST Kriegsdienst!

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem neunten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten und achten Kapitel)
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!

Publius Ovidius Naso amores 1,9 amor cupido naso: militat omnis amans
amores oil on canvas ©Fran Recacha 2017 für den Ovid-Verlag / bearbeiteter Ausschnitt, 65% transparent
Kapitel 9: Krieg führt ein jeder, der liebt: Liebe IST Kriegsdienst! Vorsicht Schlangen: Kupplerinnen wie Dipsas

[...]
[Naso sammelt Informationen über Gaius Vedius Pollio, der in Baiae mit Corinna die Parilia feiert. Naso kämpft sich zu Fuß bis Ostia durch, wo er am Ende eine einigermaßen bezahlbare Mitfahrgelegenheit zum Golf von Neapolis findet. Als er nach mehreren Tagen auf rauer See endlich am Golf angelangt ist, findet er die Villa ohne Geliebte vor. Vedius und Corinna sind zum Stammsitz der Vedii Polliones nach Beneventum weitergereist. Naso folgt ihnen ohne Unterlass quer über die Berge Apuliens und lässt sich weder von blutigen Blasen, noch Graupelschauer, Hagel oder reißender Strömung aufhalten. Er späht seinen Gegner sorgfältig aus, „belagert“ sein Haus seines Rivalen und schafft es mit einem ausgeklügelten Plan, unbemerkt einzudringen…]
Auf Zehenspitzen schlich er weiter.
»Hier könnte es sein, das sieht aus wie Corinnas Mantel auf der Kiste da…«
Vorsichtig drückte er sein Ohr an die Tür.
Sachte zog er am Ring des Türknaufes, die Tür war nicht verschlossen. Abgesehen von ein paar glimmenden Kohlen im Dreifuß lag der Raum komplett im Dunkeln.
„He, wer da?“
Naso fuhr zusammen.
Die tiefe Stimme! Wie war denn der Türhüter so schnell wieder reingekommen?
Naso lief der kalte Schweiß den Nacken hinab.
Wie konnte er ihn nur überholt haben? Unmittelbar vor ihm leuchtete eine riesenhafte Gestalt in reinem Weiß auf.
Hatte jemand den Türhüter erschlagen und schon ging sein ruheloser Geist um?
„He, wer da, wer da?“, krächzte es erneut.
Langsam gewöhnten sich Nasos Augen an die Dunkelheit. Das weiße Tuch hatte doch recht bekannte Formen. Vorsichtig hob er es ein wenig an.
„Naso, Naso!“, erklang Corinnas Stimme.
„Loquax, hast du mich erschreckt!“
„Mein Schätzchen, mein Schätzchen, bis du wieder zu Hause?“
Naso ließ das Tuch wieder fallen. Das war also eindeutig Corinnas Zimmer.
Er suchte nach einem Öllämpchen, fand eines und zündete den Docht an den Kohlen an.
»Kein schlechter Geschmack, wirklich nicht…«
Anscheinend konnte Vedius Pollio mit seinem Reichtum besser umgehen als die meisten neureichen oder freigelassenen Römer: Elegante aber nicht aufdringliche Möbel, dunkles poliertes Zitrusholz mit schlichten Formen. Kein protziges Silber, einfaches geometrisches Muster auf dem Fußboden und die Wandmalerei zeigte im Mittelteil einen Landschaftsausblick mit zwei laufenden Personen in größerer Ferne. Erst beim näheren Hinsehen wurde Naso klar, dass der Künstler ganz dezent Apollo und Daphne kurz vor ihrer Verwandlung zum Lorbeerbaum angedeutet hatte.
Er musste lächeln.
»Wenn das kein gutes omen ist, Vedius soll sie einfach nicht zu fassen bekommen!«
Er ging zum kleinen Tisch, auf dem Schmuck, Schriftrollen und mehre Wachstäfelchen lagen. Einige enthielten sogar Gedichte von ihm selbst!
Gerührt, kullerte ihm eine Träne über das Gesicht.
»Mein Mädchen!«
Er nahm sich ein Täfelchen vor, radierte sein Vorgängergedicht aus und begann sofort ein neues Gedicht voller inniger Liebesbekenntnisse.
„Ah, du bist wieder in deinem Zimmer? Ich dachte, du wärest noch bei Gaius im…“
Wie angewurzelt hielt Naso inne.
Ein junger Mann stand in der Tür und musterte ihn mit wachen braunen Augen. In seiner linke trug er einen Glaspokal mit Wein, betrunken schien er jedoch nicht zu sein.
Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde er einen Sklaven um Hilfe rufen, doch nachdem sein schneller Blick auf Nasos goldenen Ritterring, Nasos Gesicht und auf Nasos Hände mit Stilus und Täfelchen gefallen waren, hielt er inne.
„Du kommst mir bekannt vor…“
Er entspannte seine Schultern.
„Du mir nicht! Was machst du in ihrem Zimmer?“
Er lachte leise und zog die Tür zu.
„Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung, weißt du?“
Er nippte an seinem Wein, stellte ihn ab und verschränkte die Arme.
Naso wusste nicht recht, was er von seinem Gegenüber halten sollte. Die Wachen hatte er nicht gerufen, aber auf seinen Trick war er auch nicht hereingefallen.

Donnerstag, 31. August 2017

obsidio: Belagerungen in der Antike (mos et miles IX)

Einschließungsanlagen der Römer / Belagerungen der alten Römer
cb Contravallation - Caesars Defensivkonzept vor Alesia ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
Den Gegner in einer Stadt oder Festung einzuschließen war schon immer nützlich – solange man ihn auch durch Sturmangriff erobern oder aushungern kann, bis er schließlich kapitulieren muss.
Die Taktik wie auch die Belagerungsgeräte der römischen Armee sind von älteren Vorbildern v.a. den Griechen übernommen - allerdings meist weiter verfeinert, und zu einer standardisierten Palette an Kriegsgerät und Handlungsmöglichkeiten erweitert, wie kein zweites Volk der Antike.
Um den Gegner todsicher von jeglichem Nachschub fernhalten zu können, verwenden die Römer Einschließungsanlagen mit Circum- und Contravallationen: Verteidigungslinien gegen die eingeschlossenen und gleichzeitig in der anderen Richtung nach außen, falls den Eingeschlossenen ein Entsatzheer zu Hilfe kommen will. Überreste solcher Anlagen sind archäologisch in Numantia / Hispanien bei der Belagerung Scipios und in Alesia / Gallien bei der Belagerung Caesars erhalten (vgl. Gerlinger 2007, S. 90-106).
Als defensives Verteidigungskonzept nutzen die Römer den bekannten Wall und Graben ihrer üblichen Lager, verstärkt durch Palisaden und eine größerer Anzahl an Türmen. Hinzu kommen weitere Gräben und Annäherungshindernisse, Fallenanlagen und vermintes Gebiet mit versteckten Pfählen und Widerhaken (cippi, tribuli…) etc.
Als offensives Verteidigungskonzept bieten Torsionsgeschütze, die auf den Lagerwällen und v.a. auf den Türmen positioniert werden, weiteren (Feuer-)schutz, natürlich auch Bogenschützen und Speerwerfer. Ausreichend Tore mit Annäherungshindernissen (titulus, clavus…) ermöglichen einen plötzlichen Ausfall der Infanterie oder auch der Reiterei, wenn es schnell gehen muss. So können Angriffstruppen noch vor Feindkontakt zerstreut, auf- oder ferngehalten werden.
Werden römische Soldaten selbst eingeschlossen, kommen neben einfachen Stangen auch ausgeklügelte Mechanismen zum Einsatz wie Mauerkräne, die Sturmleitern umstoßen oder sogar Angriffstürme anheben können.

IIX.Vorsicht Schlangen: Kupplerinnen wie Dipsas

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem achten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten und siebten Kapitel)
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!


Kapitel 8: Vorsicht Schlangen: Kupplerinnen wie Dipsas

Schlangen bei Ovid: Die Kupplerin Dipsas
cb serpentes ©:  Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
Naso war guter Dinge.
Er hatte ein Geschenk zusammengestellt, um sich bei Corinna zu entschuldigen, das Gedicht hatte er gerade vollendet, ein paar passende Zitate hatte er auch eingearbeitet - Naso wusste, dass Corinna zuletzt in Menandros‘ Komödie gelesen hatte. Vielleicht könnte sie schon wieder darüber lachen…
Und vor allem war er Titus und dessen Schläger losgeworden: Auf zur Armee, aus den Augen aus dem Sinn!
Fröhlich pfeifend ließ er etwas Sand über seine Verse rieseln, um die Tinte zu trocknen, rollte den Papyrus zusammen und steckte ihn in das Sandelholzkästchen, wo er bereits Kamm, Haarnadeln und Aufstecknägel verstaut hatte.
»Wenn das nicht hilft…«
Er zahlte, nahm umständlich die Blumen zum Kästchen in die linke Hand und drückte die doppelflügelige Tür mit der rechten auf.
Doch gleich ließ er den Türflügel wieder zu schwingen.
Er blieb er wie angewurzelt stehen.
Seine Nackenhaare stellten sich auf und ein Schauer lief ihm über den Rücken.
Das Blut gefror ihm in den Adern.
»Corinna Arm in Arm mit … Dipsas
Dipsas! Die alte Vettel, die ihm Corinnas Adresse gegeben hatte… Was machte sie so eng mit Corinna? Naso stellte sich vor, wie sich Dipsas in den Nachthimmel schwang, mit einem Federkleid bedeckt, und auf Corinnas Häuschen landete. Gefährlich blitzte eine doppelte Pupille aus dem weinseligen Auge…. Hatte die alte Hexe Corinna am Ende verzaubert und dienstbar gemacht?
»Zuzutrauen wäre es ihr! Sie kann sicher auch Wolken am Himmel zusammenballen, wann sie will, mitten am helllichten Tag. Sicher kann sie Urahnen aus ihren Gräbern rufen und macht sie zu lebenden Toten…«
Naso versuchte die grausigen Bilder abzuschütteln.
Vorsichtig linste er durch den Spalt.
»Nein, sieht ganz so aus als machten sie lediglich einen Einkaufsbummel in der Via Sacra – ausgerechnet hier vor dem Laden!«
„Weißsst du, mein Goldkind, dasss du gestern Eindruck auf einen reichen jungen Mann gemacht hassst?“
Dipsas kniff ein Auge zu, griff mit ihren dürren Fingern nach einer Buchrolle und nahm sie prüfend in Augenschein, wobei sie ihren Kopf schräg hin und her wog.
Naso brach der Schweiß aus. Würde Titus doch noch in Rom blieben? Er hatte es am Ende doch so eilig gehabt, sich einzuschiffen! Richtig gerannt war er, um sein Schiff im Hafen noch zu erwischen…
„Du hassst ihm sssehr gefallen!“
„Aber Titus ist doch schon wieder bei der Armee, er hat es mir selbst gesagt…?“
Dipsas lachte kehlig und legte das Buch zurück in die Auslage.
„Nein, mein Schatz, nicht Titusss… ein wirklich reicher junger Mann steht auf dich.“
Naso drückte unwissentlich den Papyrus zusammen. Corinna hatte NOCH einen Liebhaber?! Hatten Titus‘ Idioten tatsächlich noch einen anderen Rivalen erspäht? Sie hatten ihn also nicht einfach mit einem reichen Lebemann verwechselt…