Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Donnerstag, 29. September 2016

tiro – Rekrutenausbildung im römischen Militär (mos et miles I)


Am Tag der feierlichen ersten Bartabnahme, ungefähr mit 16 Jahren, gilt ein Römer als erwachsen. Die folgenden Lehrjahre werden tirocinium genannt. Die obere Gesellschaftsschicht schickt ihre Söhne dann meist erst zu einer Art Praktikum zu einem bedeutenden Juristen, um dort das tirocinium fori als eine Art Anwaltsgehilfe abzuleisten.
Die härtere Ausbildung hält das Militär für seine tirones bereit. Auch ehrgeizige junge Ritter müssen zur Rekrutenausbildung, nur die zuallermeist jungen Adligen steigen sofort als gewählte Militärtribunen ein – ganz ohne die Strapazen des Trainings. Den jungen Kommandeuren scheint das Lesen von Geschichtsbüchern und Militärstrategen zu reichen.
CASEAR TE QVOQVE VVLT - tirones milites - Rekrutierungsinschrift
te quoque ©: Gerlinger CC-BY 4.0 de cb
Strategiehandbücher bleiben aber noch lange eine Domäne der Griechen. Mit der Innovationskraft und Findigkeit griechischer Strategen können die Römer nicht mithalten. Auch in der Waffentechnik entwickeln sie kaum sensationell Neues. Doch die Römer schaffen Ordnung, dazu trainieren und üben sie wie kein anderes Volk der Antike – mit Ausnahme vielleicht der Spartaner.
Darüber hinaus sind sie einmalig pragmatisch: Vorurteilslos übernehmen sie alles, was sie bei fremden Völkern Effektives vorfinden und entwickeln es zu eigenen Standards weiter: Von den Samniten übernehmen sie das scutum als gewölbter Großschild, von den Kelten Kettenpanzer, Stahl und Helmtyp (galea), von den Hispaniern den gladius (hispanis) als scharfes Kurzschwert und von den Griechen Taktik und Strategie.
Generell schaffen Römer wenig grundsätzlich Neues – selbst Caesar reizt nur Altbewährtes aus. Doch bringen sie bekannte Einzelteile zu einem System, das gelegentlich an Perfektion zu grenzen scheint und selbst schlechten Befehlshabern den Sieg erlaubt.
Dazu benötigen sie Soldaten, die ihre alle Befehle kennen und nahtlos umsetzen können, damit die taktischen Maßnahmen greifen. Alles muss tausendmal geübt werden, damit es in Fleisch und Blut übergeht und ohne zu Überlegen gelingt, wenn es ernst wird.
Dafür üben die gemeinen Soldaten marschieren, marschieren, marschieren - militärischen Schritt, Sprung und Marsch (→Veg.mil.1,8): 20 Meilen (30 km) müssen sie mit Gepäck innerhalb von 5 Stunden bewältigen können, im Gewaltmarsch 24 Meilen in 5 Stunden (36 km). Danach müssen sie noch fit genug sein, um ein Lager zu erreichten -  mit Wall und Graben – und um zu Kämpfen…
tirones milites ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0 de cb
Übrigens trainieren sie auch das Schwimmen, obwohl literarisch ihr Verhältnis zum nassen Element mehr als gespannt gilt: im Sommer in Fluss oder Meer, im Winter in der Halle (Veg.mil.1,10).
Von Sonnenaufgang bis nachmittags stehen sie mit Übungswaffen doppelten Gewichts an Holzpflöcken, halten Schilde aus dickem Weidengeflecht, stoßen auf Befehl mit Vorhand und Rückhand, rechts, links, oben und unten zu (vgl. Veg.mil.1,11) - stechend, nicht schlagend (Veg.mil.1,12). Sie werden in der Ausrüstung und Schutzkleidung ausgebildet (Veg.mil.1,13), im Abfeuern von Geschossen (Veg.mil.1,14) und Pfeilen (Veg.mil.1,15), in der Handhabung der Steinschleuder (Veg.mil.1,15), dem Reiten (Veg.mil.1,18), dem Tragen von Lasten (Veg.mil.1,17), dem Lagerbau (Veg.mil.1,21) und in vielem mehr.
All das müssen sie ertragen, während eines Feldzuges kommen meist Hunger und Erschöpfung hinzu. Doch kann ihre gute Ausbildung und Disziplin den meisten das Leben retten. Die Masse der Gegner hat keine Chance auf solch intensives Training und Ausbildung, da der „Beruf“ als Bauer dazu kaum Zeit lässt. Kommt es nach siegreichem Feldzug zu einem Triumph, dann gönnen sich die Soldaten eine kleine kreative Rache: Während eines Triumphzuges durch Rom, veralbern sie ihren Feldherrn traditionell mit derben Spottgesängen, die vermutlich schon lange zuvor verfasst und eingeübt werden.


Aus der Reihe mos et miles geht es hier↓ zu

I. tiroRekrutenausbildung im römischen Militär
II. maximis itineribus - Auf dem Marsch
III. fossa, agger et vallum - Lagerbau
IV. proelium – Die römische Armee im Gefecht
V. naves longae – Antiker Seekrieg
VI. peregrini: Leistung & Anerkennung von Nichtrömern im römischen Heer
VII. Germanen im römischen Heer - erschreckend effektiv
IIX. cohortes: Taktische Einheiten der römischen Legion
IX. obsidio: Belagerungen in der Antike
X. machinae: Belagerungsgerät der römischen Armee
XI. caedes: Soldaten nach der Schlacht

Dienstag, 13. September 2016

Trochäischer Septenar – Caesars Triumphlieder v.s. studentische Trinklieder (Antike Dichtung einfach gesprochen VII)

Wo findet man das Versmaß des trochäischen Septenars? Nicht nur in der Dichtung: Wer den römischen Historiker Sueton liest, begegnet in den Kaiserbiographien einer Fülle an Details. In der Caesar-Vita so auch die Original-Schmähverse, mit denen seine Soldaten ihn bedenken – nicht immer ganz jugendfrei…
Bei dem Versmaß des trochäischen Septenars handelt es sich um eine Abfolge von siebeneinhalb Metren im Trochäus (septem=7). Da nur ein vollständiges Versmaß zählt, sind es nicht sieben sondern acht angefangene Metren, regelmäßig 15 Silben, die immer mit einer Länge beginnen, auf die meist eine Kürze, manchmal aber auch eine Länge folgt und mit einer Pause (Zäsur) nach dem vierten Metrum:

Klingt kompliziert, kann man aber einfach abzählen. Doch es geht noch viel einfacher: Im deutschen Sprachraum haben nicht nur Schlegel und Goethe den trochäischen Septenar nachgebildet, auch manch Studentenlied beruht darauf. Das berühmteste ist „Wütend wälzt sich einst im Bette Kurfürst Friedrich von der Pfalz“ von Carl Hering und August Schuster aus dem Jahr 1887:
Wenn man den Refrain weglässt hat man lauter trochäische Septenare! Die Melodie ist so eingängig, dass man zum skandieren eines lateinischen Septenars den Text lediglich zur Melodie des Anfangs dieses Liedes singen muss: Und schon hat man einen trochäischen Septenar analysiert.
Bei den bei Sueton überlieferten Triumphlieder passt dies auch – trotz variablem Kontext (Soldaten singen Spottverse im Septenar, während sie -nicht wirklich nüchtern- hinter ihrem Feldherrn im Triumphzug marschieren – Studenten singen in feuchtfröhlicher Männerrunde Septenare):

Zum Marschrhythmus passen Versmaß und Melodie einfach hervorragend! Eine rein instrumentelle Vertonung des trochäischen Septenars von Paul Masanobu Wakai, ein paar Triumphlieder über Caesar sowie eine Art „Schritt für Schritt Anleitung“ für das intuitive Skandieren und Analysieren gibt es in folgendem Video: