Über Anregungen und Kommentare würde ich mich
freuen!
Kapitel
11: Veni! Das Täfelchen I
Mit
einem Ruck fiel Naso aus dem Bett.
Verwundert sah er sich um.
Der Hocker lag schräg an sein Bett
gelehnt. Wachstäfelchen und Griffel lagen neben ihm am Boden. Er musste doch
noch eingeschlafen sein.
Es hämmerte gegen die Tür. Der
Lautstärke nach könnte es ein grobschlächtiger Schlägertyp sein, ein ehemaliger
Gladiator vielleicht.
»Schulde ich jemandem so viel Geld?«
Wieder hämmerte es.
Mühsam rieb sich Naso seine Augen. Er
konnte sich nicht erinnern, sich auf einen derart gefährlichen Geldhai
eingelassen zu haben – oder doch? Oder hatte Titus ihn durchschaut und einen
Legionär geschickt? Oder war es einer von Vedius‘ Leuten?
Auf Zehenspitzen schlich er zur Türe und
lauschte. Doch er konnte nicht feststellen, wer vor der Türe stand.
„Naso, mach endlich auf! Ich bin’s. Nur
wegen dir bin ich so früh gekommen!“
Naso schob den schweren Riegel beiseite.
„Nape!“
Mit einem spöttischen Grinsen senkte sie
sittsam ihr Haupt.
„Dominus….“
„Du brauchst mich nicht dominus zu nennen, liebste Nape, ich bin
nicht dein Herr – leider… und du hast ein viel zu schönes Gesicht, um es wie
eine gewöhnliche Sklavin zu senken - was achtest du heute nur so auf die
Etikette? Trage es vor mir nur erhoben, so wie gestern!“
Nape wollte schon etwas erwidern, da
lief Marcus vorbei, grüßte Naso und schlurfte rülpsend zu seiner Kammer weiter.
Nape hielt ihren Blick gesenkt und biss
sich auf die vollen Lippen.
„Ich entschuldige mich für meinen
Nachbarn. Komm rein…! Du wolltest doch etwas sagen?“ Er schloss die Türe hinter
ihnen. „Na los, keine Scheu!“
„Es ziemt sich nicht für eine Sklavin,
einen Herren ungefragt anzusprechen – oder anzusehen.“
Sie hielt den Kopf noch immer gesenkt
und schielte dabei vielsagend auf Nasos goldenen Ring: Sonnenstrahlen fielen
durch das halb geöffnete Fenster und tauchten ihn in ein feuriges Funkeln. Das
Kennzeichen des freien römischen Bürgers, gepaart mit der Auszeichnung einer
reichen Familie.
„Ich bin nur eine gewöhnliche Sklavin,
Herr. indocta - ungebildet. Nicht wie
du. Ich verstehe nicht viel.“
Schamhaft bedeckte Naso den Ring mit der
anderen Hand. Er wusste selbst nicht, warum er sich wegen des protzigen Ringes
seiner Familie schämte - doch er tat es. Vielleicht sollte er seinen ererbten
Siegelring gegen einen einfachen tauschen, einen gewöhnlichen aus Eisen? Oder
störte es ihn, dass Nape nur eine Sklavin war? Doch was hieß schon ʺnurʺ…
„Nein! Das stimmt nicht. Du bist sehr
wohl gebildet, alles verstehst du, jederzeit, wie mir scheint! Und damit meine
ich nicht nur, dass du es überaus geschickt verstehst, zu kochen oder wirres
Haar zusammenzufassen und in Ordnung zu legen – da bist du durchaus docta!
„Das gehört zu den Aufgaben einer
Sklavin.“
„Nicht irgendeiner!“, widersprach Naso
heftig. „Was hast du heute nur? Du bist eine ausgebildete Haarschneiderin, das
ist an sich schon eine gehobene Kategorie, nicht nur weil ihr teurer seid: Wie
hätte Iras sonst so mächtig werden können, der Frisör der Cleopatra? … Wenn du
übrigens einen eigenen kleinen Laden eröffnen willst, vielleicht hier in der
Subura, dann werde ich mich für dich einsetzen! Nicht nur zuvor für deine
Freilassung…“
„Du schätzt mich also vor allem als
Friseuse?“
„Aber nein! Du bist viel mehr: Auch bei
den Diensten einer verschwiegenen Nacht, da bist du erfahren – nützlich,
erfinderisch gar, wenn es gilt, einen Wink zu geben…“
Nape sah auf.
„Einen Wink? Meinst du dir oder der
Herrin?“
Ein schelmisches Grinsen umspielte ihren
Mundwinkel.
Naso zog seine Augenbrauen zusammen.
„Hast du nicht oft Corinna gedrängt,
wenn sie gezögert hat, ob sie mich besuchen soll?“
„Doch, das habe ich.“
„Du warst mir doch immer treu, wenn ich
in Verlegenheit geraten bin, oder nicht?“
„Nun…“
„Dann werde ich mich erneut auf deine
Treue verlassen. Hier, ich habe es noch am Morgen durchgeackert, bevor ich in
Schlaf fiel… Nimm dieses Täfelchen und überbringe es der Herrin! Sie ist ja die
meine so gut wie die deine… Lass dich von nichts und niemandem aufhalten und
bringe es eifrig bis zu ihr durch!“
Etwas zögerlich stand Nape da, hielt
ihren Kopf schräg und bedachte Naso mit einem skeptischen Blick.
„Wer sollte mich denn aufhalten? Ich
glaube, ich verstehe dich nicht ganz, Herr. Muss wohl an der Einfachheit meines
Standes liegen - simplicitas…oder
daran, dass das Herz eines Sklaven aus Stein ist, wie man sagt.“
Wieder erschien dieses spöttische
Lächeln, als sie ihren Blick wieder senkte. Dabei schielte sie unübersehbar auf
Nasos Täfelchen, das er noch immer in der Hand hielt.
„Nein, meine Liebe! Weder fließen in
deinen Venen Steine, noch ist dein Herz aus hartem Eisen - wie Homeros schreibt
… und neuerdings Vergilius. Und erst recht besitzt du keine größere Einfachheit
als deinem Stand zukommt: simplex,
meinst du? Das ist schon mehr als einfache Bauernschläue! Bäurische Einfachheit
– zu niemandem würde sie wohl schlechter passen, als zu dir...“
Lächelnd blickte sie auf.
Naso lächelte zurück.
„Ich glaube, ich erkenne da gemeinsame
Zeichen? Du hast doch sicher auch schon einmal den Bogen Cupidos zu spüren
bekommen. Wenn du mich ansiehst, dann stelle dir vor, du siehst dieselben
Zeichen, die Feldzeichen desselben Dienstes, den auch du schon einmal geleistet
hast – oder gerade leistest…“
Nape errötete.
„Syrus vielleicht?“, bohrte Naso.
Nape verzog ihr Gesicht. Ihr Lächeln
erstarb.
»Vermutlich nicht…«, wurde sich Naso
bewusst.
Die Röte in Napes Gesicht ging zurück.
Sie richtete sich auf und deutete kühl mit dem Zeigefinger auf Nasos offenes
Brieftäfelchen.
„Bist du sicher, dass ich ihr das so
bringen soll? Offen und voll mit Kritik?“
Naso zog eine Augenbraue nach oben.
Woher wusste sie vom Inhalt? Konnte sie doch lesen und genügte ihr schon ein
einziger Blick?
„Meinst du? Ich habe die zweite Hälfte
am Morgen durchgearbeitet. Da stehen nur Schmeicheleien und Aufforderungen
drin… Pass auf, dass sie nicht nur die Kritik liest! Es steht auch eine
Entschuldigung darin, hier, auf der zweiten Seite!“
„duplex
- ein Glück, dass so ein Diptychon immer zwei Seiten hat, nicht wahr?“,
kicherte Nape. „Eine zweideutige Sache… Was soll ich sagen, wenn sie fragt, was
du gerade machst, in welcher Verfassung ich dich angetroffen habe und wie es
dir geht?“
„Wie es mir geht? Sag ihr, dass ich nur
in der Hoffnung auf die Nacht lebe! Das weitere wird schon dies Wachs hier mit
meinen liebevollen Zeichen erledigen – hoffentlich! Sag ihr, sie stammen von liebender
Hand… Nein, achte nur darauf, dass sie nicht mit dem Lesen aufhört, bevor sie
die rechte Klappe auch gelesen hat!“
„Ich werde mir Mühe geben… Sonst hast du
mir nichts mehr zu sagen…?“
„Doch, ich…“
Von nebenan zeigte kindliches Wehklagen
an, dass das kleine Nachbarskind wieder wach war. Vermutlich Hunger.
„… schon wieder das Schläfchen vorbei?
Oje! während ich quatsche entflieht die Zeit! Eins noch: Gib ihr das Täfelchen,
wenn sie gerade Zeit hat, in einem günstigen Moment... doch achte darauf, dass sie
es sofort liest!“
Nape zog eine Augenbraue nach oben, wie
es Naso bereits bei Corinna beobachtet hatte. Eine Geste, die sonst vornehmlich
Patrizier benutzten.
„Ja, noch etwas: Schau genau auf ihre
Augen und ihre Stirn, während sie das Täfelchen liest! Aus einer schweigenden
Miene lässt sich die Zukunft erkennen... Wenn sie es gelesen hat, dann befiel
ihr in jedem Fall, dass sie sofort eine Antwort schreibt!“
„Ah, ich soll ihr einen Befehl geben….
kein Problem. Sicher hast du für ihre Antwort auch schon eine Idee, Herr?“
„Ja! Ich hasse es, wenn es auf dem
schimmernden Wachs so viele leere Flächen gibt. Sie soll die Reihen der Zeilen
ganz eng aufstellen, damit sich meine Augen ganz lang abmühen können mit den
Buchstaben. Sie soll sie bis ans äußerste Ende des Randes einritzen!“
Nape verschränkte die Arme und sah ihn
durchdringend an.
Naso schlug sich mit der flachen Hand
auf die Stirn.
„Recht hast du! Wozu soll sie ihre
Finger mit dem Halten des Griffels ermüden? DAS soll auf der ganzen Tafel
geschrieben stehen, nur ein einziges Wort: VENI – KOMM!“
Naso nahm das Täfelchen in beide Hände,
senkte demütig sein Haupt und überreichtes es Nape - andächtig wie ein
Weihegeschenk.
„Hast du nicht noch etwas mit dem
Täfelchen vor? Es ist ja noch unversiegelt! Ich würde zögern, es so …“
„Nein! Ich werde nicht zögern, dieses
Täfelchen mit Lorbeer zu umwinden, wenn es siegreich zurückkehrt, ganz so wie
der Bericht eines siegreichen Feldherrn nach Rom geschickt werden muss. Doch
jetzt fehlen mir gerade Schnur und Siegelwachs… Aber wenn es als Sieger
zurückkehrt, dann lege ich es mitten im Tempel der Venus nieder!“
Nape zog eine Augenbraue nach oben.
„Als Votivgabe?“
„Ja! Dann kommt es sofort mit Lorbeer
umwunden als Weihegeschenk an die Wand – wenn mir jemand ein wenig Gold leiht,
oder zumindest Goldlack.“
„Eine Weiheinschrift hättest du auch
schon parat, hoffnungslos verliebter Dichter? Ebenfalls ohne Zögern?“
„Auch die! Unter die Nachricht auf dem
Täfelchen werde ich drunter setzen: ʺDer
Venus weiht Naso die ihm treu ergebene Helferin.ʺ Und das, obwohl es bis
vor kurzem nur ein wertloses Stück Ahornholz gewesen ist, nur mit etwas Wachs
darin…“
Nape schüttelte nur den Kopf, nahm das
Täfelchen entgegen und schritt zur Tür.
Gerade, als sie im Hinausgehen zum
Abschied winkte, stieß sie sich ihren Fuß an der Schwelle an und blieb kurz
stehen.
Doch noch bevor sie zu Fluchen ansetzte,
küsste ihr Naso auf den Mund, um das schlechte Omen zu vertreiben.
Mit ärgerlich zusammengekniffenem Mund
hinkte sie davon.
Naso sah ihr hoffnungsvoll hinterher.
»Meine Corinna! Wie dumm von mir, erst
einen Streit entstehen zu lassen. Aber die Versöhnung wird es wert sein, da bin
ich mir sicher…«
[…]
[Naso hält das Warten kaum aus und tigert
unablässig durch seine kleine Kammer, die ihn zu ersticken droht. Die Zeit verstreicht nur quälend
langsam. Sein Dichten lenkt ihn kaum ab. Als die Wasseramphore leer und der
Nachttopf voll ist, wagt er sich nach draußen].
Vorsichtig schwenkte er in die
überfüllte Gasse ein. Der Brunnen war nicht weit und die öffentliche
Bedürfnisanstalt gleich um die nächste Ecke.
Nach einer kurzen Windstille drehte der
Wind, er kam nun von Nordost. Boreas - die Hitze ließ spürbar nach.
Plötzlich packte Naso eine schuppige
Hand am Arm.
Entsetzt fuhr Naso herum.
Gerade noch konnte er verhindern,
jemanden mit seinem Nachttopf zu bespritzen.
Der Dunst von Alkohol und Verwesung
stieg ihm in die Nase.
„Da denkt man an nichtssss Bössses und
dann trifft man … dich! Ich habe ess gleich gewusst, dasss jemand wie du nur
Missst machen kann!“
Mit einem Mal ballten sich Wolken über
ihnen zusammen, der Himmel verfinsterte sich, ohne die Sonne wurde es
schlagartig kalt.
»Dipsas!«
Naso fröstelte in seiner verschwitzten
Tunika. Er riss sich los und stellte das Nachtgeschirr ab.
Dipsas packte ihn dafür nur umso
energischer am Kragen.
„Leugnen, wird dir nicht helfen! Gib
esss zu, du sssteckst dahinter!“
Naso versuchte die Fassung wieder zu
erlangen, während sie ihn aus unbeweglichen Schlitzaugen musterte. Täuschte er
sich, oder blitzte da wieder eine doppelte Pupille auf? Vielleicht war es nur
eine Reflexion der schwarzen Wolkenbänke. Ein unheimlich leuchtendes Licht
drang durch die Wolkenmassen.
„Dir auch einen schönen Tag, Dipsas. Hat
man sich früher nicht erst gegrüßt, zumindest ein quomodo vales, oder quid
agis, o dulcissime, rerum?“
Dipsas spuckte aus.
„Pah! Dasss hätte der Erhabene wohl
gerne… aber die Römer sssind schon immer das unhöflichssste Volk unter der
Sssonnne gwesesssen. Und sssie werden esss ssselbst nach sseinen Gesssetzen und
Edikten bleiben!“
Naso wand sich, doch Dipsas Griff war
unerbittlich. Eigentlich viel zu fest für so eine altersschwache alte Vettel.
[…]
[Dipsas vermutet Naso hinter ihren stark
verringerten Einnahmen. Doch Naso gelingt es, sie zu überzeugen, dass die neue
Mode derJungen Römer, sich vor Geschenken zu drücken, nichts mit ihm, dem
kleinen unbedeutenden Dichter zu tun haben kann…]
Sie zog ihre Kapuze über den Kopf und
ins Gesicht.
„Aber dasss finde ich schon noch
heraussss, wasss esss damit auf sssich hat. Wenn wirklich ein Mann dahinter
steckt, der kann etwasss erleben, dasss kannssst du mir glauben! Dasss schwöre
ich bei allen Gottheiten der Unterwelt!“
Finstere Drohungen ausstoßend verschwand
sie wieder im Gewühl.
Zurück blieb ein höchst verunsicherter
Naso, der verwirrt auf den roten Mond blickte.
Als er das Nachtgeschirr wieder aufnahm,
zitterten seine Arme.
»Ist sie wirklich eine Hexe? Wenn ja,
dann habe ich mir wohl eine gefährliche Feindin geschaffen, vielleicht sogar
noch gefährlicher als ihr Kunde Vedius…«
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