Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Montag, 7. November 2016

I. Waffen in wuchtigem Takt - Leseprobe aus Buch I "Einzig Corinna"

Als Textprobe nun ein Auszug aus dem ersten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovid – Einzig Corinna". Die eckige Klammer „[...]“ soll anzeigen, dass jeweils eine oder mehrere Szenen fehlen.
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!
Kapitel 1:
Waffen in wuchtigem Takt: Aller Anfang ist gravis
P. Ovidius Naso poeta et horror vacui - arma gravi numero
Von links drang der Schrei eines Säuglings durch die Wand, von rechts das Gezeter eines streitenden Pärchens. Eingezwängt zwischen beiden Wänden, raufte sich Naso die Haare.
Kleine Schweißtröpfchen lösten sich und perlten hinab. In ihrem winzigen Inneren spiegelte sich der Widerschein des flackernden Öllämpchens.
Tiefe Nacht hatte sich über die Stadt ergossen. Trotzdem herrschte noch immer eine drückende Hitze. Eigentlich viel zu heiß für einen Septemberabend. Selbst in Rom.
Mit leisem Ticken trafen die Tröpfchen das Wachs, feuchte Buchstaben, die kurz davor schienen, in der Hitze zu zerfließen. Wässrig glänzten sie auf blutrotem Belag. Hätte Naso kein Diptychon mit besonders hoher Beimischung von Ruß benutzt, nichts würde sie davon abhalten. Der Inhalt am allerwenigsten, dafür passte er zu gut zu Asche...
Verdrossen nahm er sein Täfelchen hoch und las, was er soeben ins Wachs gekratzt hatte:

Waffen in tödlicher Zahl und gewaltige Kriege besingen,
     das ist mein Ziel und davon kündet der Dichter gar viel

Er rollte seine Augen und nahm einen tiefen Schluck aus dem Tonbecher. Dann stellte er ihn auf seinen Tisch zurück. Auf dem wurmstichigen Holz türmten sich Wachstäfelchen und Schriftrollen. Es wackelte bedenklich. Unabsichtlich streifte Naso ein paar Papyrusrollen, die leise raschelnd zu Boden glitten. Der Fusel schmeckte bitter. Doch schenkte Naso dem keine Beachtung.
Weitaus bitterer schmeckten ihm seine vergeblichen Dichtversuche. Schon wieder hatte sich einer dieser verdammten Pentameter eingeschlichen! Und überhaupt… ʺdas ist mein Ziel und davon kündet der Dichter gar vielʺ? Von wem stammte dieser unrhythmische Mist? Konnte das wirklich von ihm sein?

Mittwoch, 2. November 2016

Vesta & Investment II: Die Geschäfte der Flavia Publicia

FLAVIAE PUBLICAE V[IRGINIS] V[ESTALIS] MAXIMAE IMMVNIS IN NAVCELLA MARINA CVMBVS PORT[V]ENSIS PARASEMO PORPHYRIS EUDROMUS [SERVUS]
1: Originalfund: Zollfreiheit & Porträt der Flavia Publicia (Bild: Autor)
Was macht eine Vestalin die ganze Zeit, bis sie 30 ist? Heilige Handlungen, Wasser holen, das heilige Herdfeuer bewachen, brav und züchtig sein? Zumindest beim züchtig sein gibt es immer wieder einmal Zweifel und einen Prozess (z.B. Fabia, der man vorwirft, die heimliche Geliebte des gutaussehenden Patriziers und späteren Rebellenführers Catilina zu sein, oder Licinia, der man vorwirft, dem reichen Crassus zu nahe gekommen zu sein – beide wurden frei gesprochen).
Doch kann eine Vestalin bereits vor Dienstende ihre zahllosen Privilegien nutzen: Außer auf reservierten Sitzplätzen im Theater und Circus zu sitzen, stürzen sich andere bereits ins Geschäftsleben, da sie als virgines vestales die volle Geschäftsfähigkeit erhalten haben und nicht mehr vom pater familias abhängig sind.
FLAVIAE PUBLICAE V[IRGINIS] V[ESTALIS] MAXIMAE IMMVNIS IN NAVCELLA MARINA CVMBVS PORT[V]ENSIS PARASEMO PORPHYRIS EUDROMUS [SERVUS]
2: Rekonstruktion: "Reisepass, Schiffspapiere und Zollfreiheit"
Eine Vestalin, die dies in großem Stil betreibt, ist die Vestalin und Virgo Maxima Flavia Publicia. Sie unterhält eine große Anzahl Transportfahrzeuge, investiert in den Überseehandel und baut sogar eine eigene Handelsflotte – und zwar in solch großem Stil, dass sich mehrere archäologische Zeugnisse ihre Unternehmungen bis heute erhalten haben. Geschäftstüchtig wie sie ist, hat sie jeweils Steuerbefreiungen für sich herausgeschlagen, welche sie natürlich immer mit dabei hat - inklusive „Reisepass mit Lichtbild“ und Fahrzeugpapieren, wie sie 2007 für eines ihrer Schiffe ausgegraben wurden (heute zu bewundern im Museum von Sassari / Sardinien: Eigene Aufnahme, Bild1 und meine Rekonstruktion, Bild2: FLAVIAE PUBLICAE / V[IRGINIS] V[ESTALIS] / MAXIMAE / IMMVNIS / IN NAVCELLA MARINA CVMBVS PORT[V]ENSIS / PARASEMO PORPHYRIS EUDROMUS [SERVUS]). Ihr Geschäftsbereich dürfte mehre Fuhrunternehmen umfassen, gleich mehrere Plaketten mit Steuerbefreiungen ihres Fuhrparks sind erhalten (z.B. die besonders gut erhaltenen Stücke → CIL VI, 2147=CIL XV 7126 im Vatikanischen Museum und die Plakette mit der Inventarnummer 23.160.50 aus dem Metropolitan Museum of Art).
Flavia Publicia kümmert sich dermaßen gut um ihre Geschäftspartner, dass sie nicht nur eine Fülle von Weiheinschriften von ihnen erga se benevolentiam gestiftet bekommt, sondern sie bekommt sogar den wohl nur für sie geprägten Titel eines weiblichen Patrons zuerkannt, patrona (→ CIL 6.32418), ein reiner Männerjob des (recht mafiaähnlich organisierten) Vorstandes eines großen Familien-Clans bzw. Familienunternehmens. Wie es den Anschein macht, haben sich ihre Investment-Projekte gut ausgezahlt.
Nun sind zwar auch andere Bronze-Täfelchen erhalten, die dem Orden oder auch persönlichem Besitz von Vestalinnen Steuerfreiheit attestieren, wie Pferde- bzw. Landbesitz der Calpurnia Praetextata in → CIL XV, 7127. Flavia Publicia aber schien scheint doch ein besonders erfolgreicher Finanzhai gewesen zu sein. Wer weiß, wie viele Ordensschwestern sie mit ihrem Faible für Finanzgeschäfte angesteckt haben mag…

Wie manche Vestalinnen nach ihrem Dienst noch zu Ehemännern und Kindern kommen können, steht hier: