Über Anregungen und Kommentare würde ich mich
freuen!
Kapitel
12: Verrotte, du zweideutig Ding! Das Täfelchen II
[…]
[Naso liegt in seiner Kammer und hält das
Warten kaum aus. Beim Herumwühlen fällt ihm eines der Täfelchen in die Hände,
auf denen er sich schon einmal mit einem Ratgeberbüchlein abgemüht hatte: Tipps
und Ratschläge für Männer, wo man Frauen finden kann und wie man ihnen begegnet.
Doch gerade dies lässt ihn Corinna immer schmerzlicher herbeisehnen- nicht nur
geistig, auch körperlich. So versucht er verzweifelt, sich Corinna und ihre
Posen mit freizügigen Versen von der Seele und aus dem Kopf zu schreiben.
Anders kann er seinem
innersten Drang nicht mehr Herr werden.]
»Liebeskunst – ein zugkräftiger Titel!«,
freute er sich über die neue Überschrift für sein stetig wachsendes Büchlein.
»Ganz ohne die Hauptsache zu erwähnen, wäre der Titel aber sicher eine
Enttäuschung für die Leser. Aber mit – da könnte es das schönste Buch über
römische Erotik werden…«
Naso ließ seinen Griffel nur so über die
Zeilen fliegen.
Er hätte nie gedacht, dass ihm die speziellen
Tipps so leicht von der Hand gingen. Musste wohl an Corinna liegen; an ihrer
Lehrmeisterschaft und ihrer kleinen Bibliothek griechischer Erotika zugleich.
»Nette kleine Bibliothek für eine Frau,
was für schöne kleine Bücher sie hat…«
Naso setzte den Stilus ab und seufzte
tief.
»Doch würde ich alle Bücher der Welt
gegen ein einziges ʺveniamʺ von Corinna eintauschen! Nicht mehr lange«, so
hoffte er, »und ich habe meine Antwort. So oder so, aber am liebsten wäre es
mir, sie käme persönlich…«.
[…]
Ein lautes Klopfen ließ ihn rückwärts
vom Hocker fallen.
„Naso, bis du denn nicht zu Hause?“
Es dauert noch eine kurze Weile, bis er
seine Orientierung wieder gefunden hatte.
Sein Herz klopfte schneller, sein Kopf
drehte sich wie bei einer Bootsüberfahrt über schwankende Wellen.
Das Klopfen hatte ihn mitten aus der
Arbeit geholt, in der er geradezu meditativ versunken war.
„Ja, nein, warte!“, rief er noch ein
wenig unsicher, während er sich mit den Knien und Händen auf der Matratze
abstützte.
„Herr?“
Immer noch ein wenig benommen torkelte
er zur Tür.
„Ich komme schon!“
Kaum hatte er den schweren Riegel zur
Seite gezogen, da traf ihn unerwartet ein Kuss.
Nape stand vor ihm und kicherte.
Sie drückte ihm sein Täfelchen aus
Ahornholz in die Hand.
Naso stand wie eine Statue auf der
Schwelle, mit vorgespitzten, zum Kuss geöffneten Lippen.
Nape drückte ihm noch einen weiteren
Kuss auf und ließ ihn einfach so stehen.
Es dauerte noch einen Moment, bis wieder
Leben in den Dichter fuhr.
Verblüfft rieb er sich die Augen und
ließ die Lippen sinken.
Bevor er ihr nachgesehen hatte, war Nape
bereits verschwunden.
Nur noch ein leichtes Ächzen der
Treppenstiegen tief unterhalb verriet Napes flüchtige Anwesenheit.
Naso riss das Siegel auf und begann zu
lesen.
»Vermelden mir etwa diese unseligen
Buchstaben, dass sie heute nicht kann…?«
„Nein!“, brüllte er, nachdem seine
wütenden Augen weiter über die Zeilen gehuscht waren. „Beim Pluto, das darf
doch nicht wahr sein!“
„Vedius, Vedius, Vedius! Immer wieder
von Neuem dieser Vedius!“
Ungläubig las er weiter.
„Und was zum Hades macht denn Titus
schon wieder in Stadt? Verdammt…!“
Naso holte tief Luft.
Sein Brustkorb bebte.
»Was macht man heute in der Armee? Nur sinnlos
hin und herreisen?«, ärgerte er sich. »Dann hätte ich vielleicht doch eintreten
sollen!«
Unbändiger Zorn stieg in ihm hoch.
Er wusste nicht gegen welchen von beiden
er wütender sein sollte.
»Irgendetwas zum Auslassen, brauche ich
jetzt, sonst zerreißt es mich!«
Er sah sich im Flur um, doch er war
menschenleer: Kein einziger lärmender Nachbar - weder Streit noch schreiende
Säuglinge, auf die man verärgert sein konnte.
„Es ist Zeit, sie endgültig los zu
werden – alle beide!“
Außer sich ballte er seine Fäuste.
»Ausgerechnet jetzt sind alle still? Und
Nape ist auch längst weg…«
Naso rollte mit den Augen. Und wenn er
jetzt einfach gegen die Türe bollerte? Oder vor einem der Vorhänge seiner
ärmeren Nachbarn schrie? Nein, er hatte keinerlei nachvollziehbaren Grund,
nicht einmal um einen grundlosen Streit zu provozieren…
Er ließ seine Tür mit lautem Gedröhn
zuknallen und schob den Riegel vor. »Vielleicht besser so… Wenn ich jetzt
jemanden sehen würde, wäre ich im Stande, jemanden zu erwürgen!«
Er lauschte noch ein wenig, doch war
immer noch nichts zu hören.
Dann fiel sein Blick auf das Täfelchen
in seiner Hand, dass ihm schonungslos mitteilte, dass sie heute Abend nicht konnte.
„Wenn nur jemand hier wäre, der zusammen
mit mir mein Unglück beweinen könnte!“, jammerte er.
Irgendwie hatte er es ja schon geahnt.
»Vorzeichen sind eben doch schon etwas.
Warum hat sich Nape auch unbedingt den Fuß an der Schwelle stoßen müssen? Wenn
sie noch einmal reinkommt, lasse ich sie nur wieder raus, wenn sie daran denkt,
die Schwelle vorsichtiger zu überschreiten und den Fuß achtsam anzuheben!«
Mit zusammengezogenen Augenbrauen
starrte er auf den Text.
„Weg mit dir, unzugängliches
Scheiterhaufenholz, du Täfelchen - und du, Wachs, vollgestopft mit ablehnenden
Zeichen! Dich hat doch eine Biene aus Korsika gesammelt, aus dem langstieligen
Schierlingskraut und unter dem berüchtigten Honig hier eingeschleppt!“
Naso feuerte das Täfelchen quer durch
sein Zimmer, dass es an der Wand zu Bruch ging und zu Boden fiel.
Er hob die Bruchstücke mit spitzen
Fingern auf und starrte sie vorsichtig aus einem Auge schräg an - als seien sie
ein böswilliges Tier.
„Und ich hab‘ immer gedacht“, murmelte
er, du wärst so rot, weil man dich durch und durch mit Zinnoberrot gefärbt hat…
Aber das war gar keine Mennige. Die Farbe ist in Wirklichkeit Blut!“
Er ließ das zerbrochene Diptychon
sinken.
[…]
„Ai!“
Naso hielt sich seine linke Hand an den
Mund und saugte daran. Er hatte sich einen kleinen Splitter eingefangen.
„Was bist du nur für ein Unglücksholz!“,
rief er zornig und saugte weiter. Nach ein paar Versuchen hatte er den Spreißel
raus.
„So eine unsaubere Arbeit, beim
Vulcanus! Der Schreiner kann unmöglich reine Hände gehabt haben, als er aus dem
Baum die Täfelchen anfertigte… Sicher war schon der ganze Baum verflucht, aus
dem das Holz stammt. Am Ende hat sich eine unglückliche Seele daran aufgehängt,
mit einem Strick um den Hals… oder der Baum hat einem Henker das Holz für eine
Kreuzigung geliefert. Sicher saß ein heiser krächzender Uhu in seinem Schatten
und er trug die Eier von Geier und Eule in seinem Geäst….“
Vorsichtig legte er die Reste des
Doppeltäfelchens in sein Nachtgeschirr.
„Was bin ich nur für ein Idiot! Geistig
umnachtet muss ich gewesen sein, dass ich dir meine Liebe anvertraut habe! Dich
habe ich liebliche Worte zur Herrin tragen lassen? So ein Wahnsinn!“
Angewidert schon er den Nachttopf samt
Täfelchenreste mit dem Fuß unter seine Bettliege.
„Da hätte dein Wachs eher eine lang
ausgedehnte Bürgschaft enthalten sollen, die ein Rechtsvertreter mit
unerbittlichem Mund vorträgt. Unter Abrechnungen und Kontoauszügen da würdest
du besser liegen und irgendein Geizhals würde über dir den Verlust seines
Vermögens beklagen.“
Nachdenklich massierte er seine linke
Hand. Wie hatte er noch gelacht, als ihm Propertius die komisch wirkende Trauer
seines Gedichtes vorgelesen hatte, wie ein Geizhals ausgerechnet das Täfelchen
benutzt, das bisher nur für Propertius‘ Liebesworte gedient hatte, wie er es
missbraucht, um täglich drauf die Gewinn- und Verlustrechnung seiner Konten
aufzuführen. Wenn er nun daran dachte, fand er das gar nicht mehr komisch. Naso
hatte eindeutig ein falsches Täfelchen benutzt, es war einfach nicht dazu
bestimmt gewesen…
„Hätte ich eigentlich gleich wissen
müssen – hab‘ ich doch schon vom Namen nach gemerkt, dass du ein zwiespältiges
Ding bist, Diptychon: Das war keine
Glückszahl für ein gutes Vorzeichen, diese Zweizahl…“
Er schielte unter sein Bett, doch nichts
rührte sich.
Nein, nur Einbildung.
Schließlich zog er das lasanum doch noch einmal hervor.
„So, ein Schlusswort willst du hören? Na
schön! Was soll ich dir in meinem Zorn schon anderes wünschen, außer dass dich
nagende Zersetzung befällt und dass dein Wachs durch die unreine Lage weiß
wird?“
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