Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Donnerstag, 28. Dezember 2017

XII. Verrotte, du zweideutig Ding! Das Täfelchen II

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem elften Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten, achten  neuntenzehnten und elften Kapitel).
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!


Kapitel 12: Verrotte, du zweideutig Ding! Das Täfelchen II
[…]
Flete meos casus—tristes rediere tabellae
cb tabellaeII ©: Stefan Gerlinger CC-BY 4.0
[Naso liegt in seiner Kammer und hält das Warten kaum aus. Beim Herumwühlen fällt ihm eines der Täfelchen in die Hände, auf denen er sich schon einmal mit einem Ratgeberbüchlein abgemüht hatte: Tipps und Ratschläge für Männer, wo man Frauen finden kann und wie man ihnen begegnet. Doch gerade dies lässt ihn Corinna immer schmerzlicher herbeisehnen- nicht nur geistig, auch körperlich. So versucht er verzweifelt, sich Corinna und ihre Posen mit freizügigen Versen von der Seele und aus dem Kopf zu schreiben. Anders kann er seinem innersten Drang nicht mehr Herr werden.]

»Liebeskunst – ein zugkräftiger Titel!«, freute er sich über die neue Überschrift für sein stetig wachsendes Büchlein. »Ganz ohne die Hauptsache zu erwähnen, wäre der Titel aber sicher eine Enttäuschung für die Leser. Aber mit – da könnte es das schönste Buch über römische Erotik werden…«
Naso ließ seinen Griffel nur so über die Zeilen fliegen.
Er hätte nie gedacht, dass ihm die speziellen Tipps so leicht von der Hand gingen. Musste wohl an Corinna liegen; an ihrer Lehrmeisterschaft und ihrer kleinen Bibliothek griechischer Erotika zugleich.
»Nette kleine Bibliothek für eine Frau, was für schöne kleine Bücher sie hat…«
Naso setzte den Stilus ab und seufzte tief.
»Doch würde ich alle Bücher der Welt gegen ein einziges ʺveniamʺ von Corinna eintauschen! Nicht mehr lange«, so hoffte er, »und ich habe meine Antwort. So oder so, aber am liebsten wäre es mir, sie käme persönlich…«.
[…]
Ein lautes Klopfen ließ ihn rückwärts vom Hocker fallen.
„Naso, bis du denn nicht zu Hause?“
Es dauert noch eine kurze Weile, bis er seine Orientierung wieder gefunden hatte.
Sein Herz klopfte schneller, sein Kopf drehte sich wie bei einer Bootsüberfahrt über schwankende Wellen.
Das Klopfen hatte ihn mitten aus der Arbeit geholt, in der er geradezu meditativ versunken war.
„Ja, nein, warte!“, rief er noch ein wenig unsicher, während er sich mit den Knien und Händen auf der Matratze abstützte.
„Herr?“
Immer noch ein wenig benommen torkelte er zur Tür.
„Ich komme schon!“
Kaum hatte er den schweren Riegel zur Seite gezogen, da traf ihn unerwartet ein Kuss.
Nape stand vor ihm und kicherte.
Sie drückte ihm sein Täfelchen aus Ahornholz in die Hand.
Naso stand wie eine Statue auf der Schwelle, mit vorgespitzten, zum Kuss geöffneten Lippen.
Nape drückte ihm noch einen weiteren Kuss auf und ließ ihn einfach so stehen.
Es dauerte noch einen Moment, bis wieder Leben in den Dichter fuhr.
Verblüfft rieb er sich die Augen und ließ die Lippen sinken.
Bevor er ihr nachgesehen hatte, war Nape bereits verschwunden.
Nur noch ein leichtes Ächzen der Treppenstiegen tief unterhalb verriet Napes flüchtige Anwesenheit.

Naso riss das Siegel auf und begann zu lesen.
»Vermelden mir etwa diese unseligen Buchstaben, dass sie heute nicht kann…?«
„Nein!“, brüllte er, nachdem seine wütenden Augen weiter über die Zeilen gehuscht waren. „Beim Pluto, das darf doch nicht wahr sein!“
„Vedius, Vedius, Vedius! Immer wieder von Neuem dieser Vedius!“
Ungläubig las er weiter.
„Und was zum Hades macht denn Titus schon wieder in Stadt? Verdammt…!“
Naso holte tief Luft.
Sein Brustkorb bebte.
»Was macht man heute in der Armee? Nur sinnlos hin und herreisen?«, ärgerte er sich. »Dann hätte ich vielleicht doch eintreten sollen!«
Unbändiger Zorn stieg in ihm hoch.
Er wusste nicht gegen welchen von beiden er wütender sein sollte.
»Irgendetwas zum Auslassen, brauche ich jetzt, sonst zerreißt es mich!«
Er sah sich im Flur um, doch er war menschenleer: Kein einziger lärmender Nachbar - weder Streit noch schreiende Säuglinge, auf die man verärgert sein konnte.
„Es ist Zeit, sie endgültig los zu werden – alle beide!“
Außer sich ballte er seine Fäuste.
»Ausgerechnet jetzt sind alle still? Und Nape ist auch längst weg…«
Naso rollte mit den Augen. Und wenn er jetzt einfach gegen die Türe bollerte? Oder vor einem der Vorhänge seiner ärmeren Nachbarn schrie? Nein, er hatte keinerlei nachvollziehbaren Grund, nicht einmal um einen grundlosen Streit zu provozieren…
Er ließ seine Tür mit lautem Gedröhn zuknallen und schob den Riegel vor. »Vielleicht besser so… Wenn ich jetzt jemanden sehen würde, wäre ich im Stande, jemanden zu erwürgen!«
Er lauschte noch ein wenig, doch war immer noch nichts zu hören.
Dann fiel sein Blick auf das Täfelchen in seiner Hand, dass ihm schonungslos mitteilte, dass sie heute Abend nicht konnte.
„Wenn nur jemand hier wäre, der zusammen mit mir mein Unglück beweinen könnte!“, jammerte er.
Irgendwie hatte er es ja schon geahnt.
»Vorzeichen sind eben doch schon etwas. Warum hat sich Nape auch unbedingt den Fuß an der Schwelle stoßen müssen? Wenn sie noch einmal reinkommt, lasse ich sie nur wieder raus, wenn sie daran denkt, die Schwelle vorsichtiger zu überschreiten und den Fuß achtsam anzuheben!«
Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er auf den Text.
„Weg mit dir, unzugängliches Scheiterhaufenholz, du Täfelchen - und du, Wachs, vollgestopft mit ablehnenden Zeichen! Dich hat doch eine Biene aus Korsika gesammelt, aus dem langstieligen Schierlingskraut und unter dem berüchtigten Honig hier eingeschleppt!“
Naso feuerte das Täfelchen quer durch sein Zimmer, dass es an der Wand zu Bruch ging und zu Boden fiel.
Er hob die Bruchstücke mit spitzen Fingern auf und starrte sie vorsichtig aus einem Auge schräg an - als seien sie ein böswilliges Tier.
„Und ich hab‘ immer gedacht“, murmelte er, du wärst so rot, weil man dich durch und durch mit Zinnoberrot gefärbt hat… Aber das war gar keine Mennige. Die Farbe ist in Wirklichkeit Blut!“
Er ließ das zerbrochene Diptychon sinken.
[…]
„Ai!“
Naso hielt sich seine linke Hand an den Mund und saugte daran. Er hatte sich einen kleinen Splitter eingefangen.
„Was bist du nur für ein Unglücksholz!“, rief er zornig und saugte weiter. Nach ein paar Versuchen hatte er den Spreißel raus.
„So eine unsaubere Arbeit, beim Vulcanus! Der Schreiner kann unmöglich reine Hände gehabt haben, als er aus dem Baum die Täfelchen anfertigte… Sicher war schon der ganze Baum verflucht, aus dem das Holz stammt. Am Ende hat sich eine unglückliche Seele daran aufgehängt, mit einem Strick um den Hals… oder der Baum hat einem Henker das Holz für eine Kreuzigung geliefert. Sicher saß ein heiser krächzender Uhu in seinem Schatten und er trug die Eier von Geier und Eule in seinem Geäst….“
Vorsichtig legte er die Reste des Doppeltäfelchens in sein Nachtgeschirr.
„Was bin ich nur für ein Idiot! Geistig umnachtet muss ich gewesen sein, dass ich dir meine Liebe anvertraut habe! Dich habe ich liebliche Worte zur Herrin tragen lassen? So ein Wahnsinn!“
Angewidert schon er den Nachttopf samt Täfelchenreste mit dem Fuß unter seine Bettliege.
„Da hätte dein Wachs eher eine lang ausgedehnte Bürgschaft enthalten sollen, die ein Rechtsvertreter mit unerbittlichem Mund vorträgt. Unter Abrechnungen und Kontoauszügen da würdest du besser liegen und irgendein Geizhals würde über dir den Verlust seines Vermögens beklagen.“
Nachdenklich massierte er seine linke Hand. Wie hatte er noch gelacht, als ihm Propertius die komisch wirkende Trauer seines Gedichtes vorgelesen hatte, wie ein Geizhals ausgerechnet das Täfelchen benutzt, das bisher nur für Propertius‘ Liebesworte gedient hatte, wie er es missbraucht, um täglich drauf die Gewinn- und Verlustrechnung seiner Konten aufzuführen. Wenn er nun daran dachte, fand er das gar nicht mehr komisch. Naso hatte eindeutig ein falsches Täfelchen benutzt, es war einfach nicht dazu bestimmt gewesen…
„Hätte ich eigentlich gleich wissen müssen – hab‘ ich doch schon vom Namen nach gemerkt, dass du ein zwiespältiges Ding bist, Diptychon: Das war keine Glückszahl für ein gutes Vorzeichen, diese Zweizahl…“
Er schielte unter sein Bett, doch nichts rührte sich.
Nein, nur Einbildung.
Schließlich zog er das lasanum doch noch einmal hervor.
„So, ein Schlusswort willst du hören? Na schön! Was soll ich dir in meinem Zorn schon anderes wünschen, außer dass dich nagende Zersetzung befällt und dass dein Wachs durch die unreine Lage weiß wird?“

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