Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Samstag, 31. August 2019

ADHS? Claudius’ Impulsivität-Hyperaktivität – Woran litt Kaiser Claudius? (VII)


Dass Kaiser Claudius unter extremer Unkonzentriertheit bzw. Unaufmerksamkeit leidet, wird bereits von seinen Zeitgenossen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen.
Aber auch seine Impulsivität bildet (fast) alle Kriterien ab, um die klassischen Symptome von ADHS zu erfüllen.
Den Texten des Biographen Sueton kann man entnehmen, dass Kaiser Claudius noch als Erwachsener herum zu hampeln scheint. Er verlässt oft den Sitzplatz in Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird, selbst vor Gericht oder bei einem Schauspiel.
Wo zur Diagnose bei Jugendlichen oder Erwachsenen eigentlich ein subjektives Gefühl der Unruhe reichen würde, läuft Claudius oft herum oder klettert in unpassenden Situationen bis zum Sitz einer Priesterschaft, um mit ihnen zu speisen, wobei er seinen Richterstuhl leer zurücklässt.
Claudius ist oft „auf dem Sprung“ oder handelt „wie getrieben“. Er redet oft übermäßig viel, oder unterbricht andere unpassend, selbst im Senat: „Wer kann den ohne sein Würstchen leben?“, platzt er einmal bei einer Sitzung heraus, in der über Schlächter und Wirtshäuser debattiert wird (→ Suet.Iul.40).

Bei Erwachsenen sollen für eine sichere Diagnose fünf von neun definierten Symptomen erfüllt sein. Bei Claudius scheinen es mindestens acht von neun zu sein.

Schon von Beginn an fürchtet auch Kaiser Augustus so sehr unpassende impulsive Handlungen seines Enkels Claudius, dass er ihn die Priestertafel bei den Marsspielen nur betreuen, wenn sich Claudius von einem Vertrauten beraten lässt, damit er nichts tut, was auffallen und lächerlich wirken könnte (→ Suet.Iul.4,3).

ADHS? Claudius‘ Unaufmerksamkeiten – Woran litt Kaiser Claudius? (VI)


Nicht genug damit, dass Kaiser Claudius schon in früher Kindheit und Jugend mit vielfältigsten Krankheiten zu kämpfen hat (→ Suet.Claud. 2,1) und unter seiner Mutter (und Großmutter) leidet, die bis hin zur Frisur (→ Antonia) als überstreng auftreten und seelische Grausamkeit ausüben (→ Suet.Claud. 3,2). Obendrein scheint Kaiser Claudius evtl. auch noch durch ADHS beeinträchtigt gewesen zu sein.
Beschreibungen der Aufmerksamkeitsdefizits- Hyperaktivitätsstörung lassen alle aufhorchen, die schon einmal die Vita des Kaisers gelesen haben: darunter v.a. die Probleme mit der Selbstregulation, der Aufmerksamkeit, der Impulskontrolle und der Impulsivität, bisweilen starke körperliche Unruhe. Zwar kann Claudius verständlicherweise nicht über MRT oder EEG diagnostiziert werden. Doch finden sich viele Symptome in den Texten seines Biographen Sueton. Laut dem Diagnoseleitfaden DSM-5 müssen zwei Verhaltensmuster erfüllt sein, Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität bzw. Impulsivität. Sucht man nach Unaufmerksamkeit des Kaisers, finden sich zahlreiche Stellen.

Die diagnostischen Bereiche der „Unaufmerksamkeit“ werden für Claudius bereits in der Antike nicht nur festgestellt, sondern seine oblivio (Vergesslichkeit), inconsiderantia (Unüberlegtheit) und μετεωρία (Abgehobenheit) sowie ἀβλεψία (Zerstreutheit) werden ausdrücklich als ganz besondere Eigenschaft hervorgehoben (→ Suet.Iul.39).
So fragt Claudius beispielsweise nach der Hinrichtung Messalinas, warum die Kaiserin nicht käme und lädt Verurteilte ein, denen er Boten schickt, warum sie nicht kämen (→ Suet.Iul.39).
Claudius schafft es oft nicht, auf Einzelheiten zu achten oder macht Fehler. Er hat Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit längere Zeit aufrechtzuerhalten und scheint oft nicht zuzuhören. Lästige Arbeiten oder Pflichten geht er mitunter nachlässig an oder kann sie nicht vollenden. Claudius zeigt nach Sueton Probleme, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren, wirkt dabei planlos-desorganisiert.
Claudius scheint auch ein mangelndes Zeitgefühl zu besitzen, hält Termine nicht ein und ist vergesslich bei täglichen Aktivitäten. Obwohl er unter der Herrschaft seines Neffen, Kaiser Gaius, gedemütigt wird und um den Tisch herumlaufen muss, wenn er nur etwas zu spät zum Essen erscheint, schafft er es nicht pünktlich (→ Suet.Iul.8).

Bei Erwachsenen sollen für eine sichere Diagnose fünf von neun definierten Symptomen erfüllt sein. Bei Claudius scheinen es mindestens sieben von neun zu sein.
Auffällig ist auch eine positive Eigenschaft, die ADHS-Betroffenen zugeschrieben wird: der Hyperfokus, mit dem sie sich wie im Flow besonders lang ausdauernd auf einen Gegenstand konzentrieren können, der sie fasziniert. So haut es Kaiser Augustus vor Überraschung glatt vom Stuhl, dass sein Enkel ihn mit einer Rede beeindruckt: Wo Claudius ständig so „unklug“ spricht, weiß er „klug“ zu überzeugen, wenn er sich konzentriert (→ Suet.Iul. 4,6).