Über Anregungen und Kommentare würde ich mich
freuen!
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amores oil on canvas ©Fran Recacha 2017 für den Ovid-Verlag / bearbeiteter Ausschnitt, 65% transparent |
Kapitel 9: Krieg führt
ein jeder, der liebt: Liebe IST Kriegsdienst! Vorsicht Schlangen: Kupplerinnen wie Dipsas
[...]
[Naso sammelt Informationen über Gaius Vedius Pollio, der in Baiae mit
Corinna die Parilia feiert. Naso kämpft sich zu Fuß bis Ostia durch, wo er am
Ende eine einigermaßen bezahlbare Mitfahrgelegenheit zum Golf von Neapolis findet.
Als er nach mehreren Tagen auf rauer See endlich am Golf angelangt ist, findet
er die Villa ohne Geliebte vor. Vedius und Corinna sind zum Stammsitz der Vedii
Polliones nach Beneventum weitergereist. Naso folgt ihnen ohne Unterlass quer
über die Berge Apuliens und lässt sich weder von blutigen Blasen, noch Graupelschauer,
Hagel oder reißender Strömung aufhalten. Er späht seinen Gegner sorgfältig aus,
„belagert“ sein Haus seines Rivalen und schafft es mit einem ausgeklügelten Plan,
unbemerkt einzudringen…]
Auf
Zehenspitzen schlich er weiter.
»Hier
könnte es sein, das sieht aus wie Corinnas Mantel auf der Kiste da…«
Vorsichtig
drückte er sein Ohr an die Tür.
Sachte
zog er am Ring des Türknaufes, die Tür war nicht verschlossen. Abgesehen von
ein paar glimmenden Kohlen im Dreifuß lag der Raum komplett im Dunkeln.
„He,
wer da?“
Naso
fuhr zusammen.
Die
tiefe Stimme! Wie war denn der Türhüter so schnell wieder reingekommen?
Naso
lief der kalte Schweiß den Nacken hinab.
Wie
konnte er ihn nur überholt haben? Unmittelbar vor ihm leuchtete eine
riesenhafte Gestalt in reinem Weiß auf.
Hatte
jemand den Türhüter erschlagen und schon ging sein ruheloser Geist um?
„He,
wer da, wer da?“, krächzte es erneut.
Langsam
gewöhnten sich Nasos Augen an die Dunkelheit. Das weiße Tuch hatte doch recht
bekannte Formen. Vorsichtig hob er es ein wenig an.
„Naso,
Naso!“, erklang Corinnas Stimme.
„Loquax,
hast du mich erschreckt!“
„Mein
Schätzchen, mein Schätzchen, bis du wieder zu Hause?“
Naso
ließ das Tuch wieder fallen. Das war also eindeutig Corinnas Zimmer.
Er
suchte nach einem Öllämpchen, fand eines und zündete den Docht an den Kohlen
an.
»Kein
schlechter Geschmack, wirklich nicht…«
Anscheinend
konnte Vedius Pollio mit seinem Reichtum besser umgehen als die meisten
neureichen oder freigelassenen Römer: Elegante aber nicht aufdringliche Möbel,
dunkles poliertes Zitrusholz mit schlichten Formen. Kein protziges Silber,
einfaches geometrisches Muster auf dem Fußboden und die Wandmalerei zeigte im
Mittelteil einen Landschaftsausblick mit zwei laufenden Personen in größerer
Ferne. Erst beim näheren Hinsehen wurde Naso klar, dass der Künstler ganz
dezent Apollo und Daphne kurz vor ihrer Verwandlung zum Lorbeerbaum angedeutet
hatte.
Er
musste lächeln.
»Wenn
das kein gutes omen ist, Vedius soll
sie einfach nicht zu fassen bekommen!«
Er
ging zum kleinen Tisch, auf dem Schmuck, Schriftrollen und mehre Wachstäfelchen
lagen. Einige enthielten sogar Gedichte von ihm selbst!
Gerührt,
kullerte ihm eine Träne über das Gesicht.
»Mein
Mädchen!«
Er
nahm sich ein Täfelchen vor, radierte sein Vorgängergedicht aus und begann
sofort ein neues Gedicht voller inniger Liebesbekenntnisse.
„Ah,
du bist wieder in deinem Zimmer? Ich dachte, du wärest noch bei Gaius im…“
Wie
angewurzelt hielt Naso inne.
Ein
junger Mann stand in der Tür und musterte ihn mit wachen braunen Augen. In
seiner linke trug er einen Glaspokal mit Wein, betrunken schien er jedoch nicht
zu sein.
Einen
Augenblick lang sah es so aus, als würde er einen Sklaven um Hilfe rufen, doch
nachdem sein schneller Blick auf Nasos goldenen Ritterring, Nasos Gesicht und
auf Nasos Hände mit Stilus und Täfelchen gefallen waren, hielt er inne.
„Du
kommst mir bekannt vor…“
Er
entspannte seine Schultern.
„Du
mir nicht! Was machst du in ihrem Zimmer?“
Er
lachte leise und zog die Tür zu.
„Angriff
ist nicht immer die beste Verteidigung, weißt du?“
Er
nippte an seinem Wein, stellte ihn ab und verschränkte die Arme.
Naso
wusste nicht recht, was er von seinem Gegenüber halten sollte. Die Wachen hatte
er nicht gerufen, aber auf seinen Trick war er auch nicht hereingefallen.