Auch die Römer feiern eine Begegnung mit den
Geistern ihrer Verstorbenen. Nur dass man in Rom vor der Verschiebung durch
Papst Bonifaz IV. Anfang des 7. Jahrhunderts n. Chr. Allerseelen noch am 1. Mai
feiert, wie auch die Kelten ihr Fest für den Lichtgott Belenos. Der Vorabend jedoch, der 30. April, gilt als gruselig
und gefährlich, ohne besänftigende Gaben kann das Vieh verhext werden.
Papst Bonifaz legt den neuen Termin auf den 1. November
mit Bedacht fest, um die „heidnische“ Konkurrenz für das Christentum zu
vereinnahmen. Denn auch die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November ist den
Kelten heilig: Am Fest Samain gedenkt man der Schöpfung, der Umwandlung des
Chaos in Ordnung. In der Samain-Nacht kehren die Toten wieder, eine Zeit großer
Gefahr, die man durch passende Opfer besänftigt. Die Besänftigung der
Totengeister der keltischen Feste sowie die Beschäftigung mit den Seelen der eigenen
Toten gelten auch schon für die römischen lemuria.
Laut Ovids Kalendergedichten beginnt dieses
Fest am 9. März mit Opfern in der Nacht durch schweigsame Hände (Ovid, Fast, Buch 5, ab Vers 421). Wobei
„Fest“ ist wohl doch ein zu positiver Begriff ist für diese Tage des römischen
Jahres: Gefeiert wird nicht wirklich, wie auch gleich zuvor bei Ovid vermerkt, handelt
es sich dabei um Unheilstage, vergleichbare mit heutigen „stillen Feiertagen“, sogenannte
dies nefāstī wie beim Untergang der
Römer in der Schlacht an der Allia gegen die Kelten.
Die lemuria
sind also keine feriae, es wird nicht
laut gelacht und getanzt, es dürfen keine neuen Gerichtsverhandlungen unter
Vorsitz der Prätoren stattfinden und die Tempel bleiben geschlossen, Hochzeiten
finden an so einem Datum nicht statt. Wobei auch in unserer Gesellschaft in
allen Bundesländern am Karfreitag als „stiller Feiertag“ immer noch in allen
Bundesländern Tanzverbot herrscht (zeitliche Einschränkungen bis hin zum Totalverbot)
und auch Filme eine Extralizenz benötigen: FSK-Feiertagsfreigabe „feiertagsfrei“.
Das nicht feiertagsfreie „Leben des Brian“ am Karfreitag zu zeigen ist
beispielsweise in den meisten Bundesländern verboten.
Benannt sind die antiken lemuria nach den unruhigen Totengeistern der Menschen, den abgeschiedenen
Seelen (lemurēs, lemurum nur m. Pl.).
Ursprünglich werden die lemurēs durchweg
als bedrohlich empfunden und können auch die Bedeutungen Gespenster,
Nachtgeister und sogar Dämonen annehmen. So versucht man sie mit allerhand
Riten und Opfern zu besänftigen, ihnen die magische Kraft zu nehmen und sie im
Zaum zu halten. Dies klappt anscheinend ganz gut, denn in der Spätantike lässt
sich der Begriff immer mehr auf gute Geister einengen, wohingegen sich die
jüngere Bezeichnung larva, larvae f. auf
böse und vernachlässigte Geister einengt.
Also muss der pater familiās ran, der auch den kultischen und rituellen Familienvorsitz
führt. Was kann man als römischer Familienvater konkret tun, um die Verstobenen
zu bändigen und zu besänftigen?
- Am Ersten Tag, dem 9. Mai erhebt sich der
Hausvater in der Nacht aus dem Bett und zwar ausdrücklich mit ungebundenem Fuße
(Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 431-432), also
zumindest ohne die zu bindenden Straßenschuhe sondern mit leicht
überzustreifenden Puschen / Hausschuhen (soccus,
soccī, m.) oder höchstwahrscheinlich barfuß.
- Danach formt er mit Zeigefinger und Daumen ein
magisches Zeichen und wandert schweigsam durch das Haus (Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 434).
- Zuvor soll er sich die Hände mit reinem Wasser
eines Brunnens waschen und die schwarzen Bohnen empfangen (Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 435-436).
- Die Bohnen wirft er in seinem Haus fortschreitend
nach hinten über den Rücken ohne sich umzudrehen und ruft neun Mal: „haec ego mitto, his' inquit 'redimo meque
meosque fabis.“ Diese [Gaben] schenke ich [Euch], mit diesen Bohnen kaufe
ich mich und die Meinen [von Euch los] (Ovid,Fasti, Buch 5, Vers 437-439). Laut Ovid scheint der Schatten dann die Bohnen
anzunehmen: umbra putatur colligere (Ovid, Fasti, Buch 5, ab Vers 439-440).
- Schließlich benetzt er sich noch einmal die
Hände mit Wasser,
- schlägt griechische Becken aufeinander
- und bittet neunmal den Schatten mit folgenden
Worten aus seinem Dach zu entweichen: „manes exiti paterni - geht hinaus
ihr Geister der Vorfahren!“,
- worauf er sich umdreht und den Ritus für purē – ordnungsgemäß für vollendet hält (Ovid, Fasti, Buch 5, ab Vers 441-444.
Ovid vermutet noch im Folgenden, dass der ganze
Abwehrzauber gegen aufgebrachte Geister der Verwandten aus dem Brudermord des Romulus
an Remus zurückzuführen ist.
Für den zweiten Tag den 10. Mai, weiß Ovid keinen
speziellen Ritus zu berichten, am 11. Mai pausieren die lemuria. Für den dritten Tag, dem, 13. Mai findet sich auch kein
weiterer Hinweis mehr.
Am
Ende sollten jedenfalls alle Geister besänftigt sein. Glückliche Zeiten, an
denen noch schwarze Bohnen ausreichten…