Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Lemuria – Halloween bei den alten Römern

Halloween bei den alten Römern - Geister & Gespenster in Rom
cb lemuria  ©: S. Gerlinger CC-BY 4.0


Auch die Römer feiern eine Begegnung mit den Geistern ihrer Verstorbenen. Nur dass man in Rom vor der Verschiebung durch Papst Bonifaz IV. Anfang des 7. Jahrhunderts n. Chr. Allerseelen noch am 1. Mai feiert, wie auch die Kelten ihr Fest für den Lichtgott Belenos. Der Vorabend jedoch, der 30. April, gilt als gruselig und gefährlich, ohne besänftigende Gaben kann das Vieh verhext werden.
Papst Bonifaz legt den neuen Termin auf den 1. November mit Bedacht fest, um die „heidnische“ Konkurrenz für das Christentum zu vereinnahmen. Denn auch die Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November ist den Kelten heilig: Am Fest Samain gedenkt man der Schöpfung, der Umwandlung des Chaos in Ordnung. In der Samain-Nacht kehren die Toten wieder, eine Zeit großer Gefahr, die man durch passende Opfer besänftigt. Die Besänftigung der Totengeister der keltischen Feste sowie die Beschäftigung mit den Seelen der eigenen Toten gelten auch schon für die römischen lemuria.

Laut Ovids Kalendergedichten beginnt dieses Fest am 9. März mit Opfern in der Nacht durch schweigsame Hände (Ovid, Fast, Buch 5, ab Vers 421). Wobei „Fest“ ist wohl doch ein zu positiver Begriff ist für diese Tage des römischen Jahres: Gefeiert wird nicht wirklich, wie auch gleich zuvor bei Ovid vermerkt, handelt es sich dabei um Unheilstage, vergleichbare mit heutigen „stillen Feiertagen“, sogenannte dies nefāstī wie beim Untergang der Römer in der Schlacht an der Allia gegen die Kelten.
Die lemuria sind also keine feriae, es wird nicht laut gelacht und getanzt, es dürfen keine neuen Gerichtsverhandlungen unter Vorsitz der Prätoren stattfinden und die Tempel bleiben geschlossen, Hochzeiten finden an so einem Datum nicht statt. Wobei auch in unserer Gesellschaft in allen Bundesländern am Karfreitag als „stiller Feiertag“ immer noch in allen Bundesländern Tanzverbot herrscht (zeitliche Einschränkungen bis hin zum Totalverbot) und auch Filme eine Extralizenz benötigen: FSK-Feiertagsfreigabe „feiertagsfrei“. Das nicht feiertagsfreie „Leben des Brian“ am Karfreitag zu zeigen ist beispielsweise in den meisten Bundesländern verboten.
Benannt sind die antiken lemuria nach den unruhigen Totengeistern der Menschen, den abgeschiedenen Seelen (lemurēs, lemurum nur m. Pl.). Ursprünglich werden die lemurēs durchweg als bedrohlich empfunden und können auch die Bedeutungen Gespenster, Nachtgeister und sogar Dämonen annehmen. So versucht man sie mit allerhand Riten und Opfern zu besänftigen, ihnen die magische Kraft zu nehmen und sie im Zaum zu halten. Dies klappt anscheinend ganz gut, denn in der Spätantike lässt sich der Begriff immer mehr auf gute Geister einengen, wohingegen sich die jüngere Bezeichnung larva, larvae f. auf böse und vernachlässigte Geister einengt.
Also muss der pater familiās ran, der auch den kultischen und rituellen Familienvorsitz führt. Was kann man als römischer Familienvater konkret tun, um die Verstobenen zu bändigen und zu besänftigen?
  • Am Ersten Tag, dem 9. Mai erhebt sich der Hausvater in der Nacht aus dem Bett und zwar ausdrücklich mit ungebundenem Fuße (Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 431-432), also zumindest ohne die zu bindenden Straßenschuhe sondern mit leicht überzustreifenden Puschen / Hausschuhen (soccus, soccī, m.) oder höchstwahrscheinlich barfuß.
  • Danach formt er mit Zeigefinger und Daumen ein magisches Zeichen und wandert schweigsam durch das Haus (Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 434).
  • Zuvor soll er sich die Hände mit reinem Wasser eines Brunnens waschen und die schwarzen Bohnen empfangen (Ovid, Fasti, Buch 5, Vers 435-436).
  • Die Bohnen wirft er in seinem Haus fortschreitend nach hinten über den Rücken ohne sich umzudrehen und ruft neun Mal: „haec ego mitto, his' inquit 'redimo meque meosque fabis.“ Diese [Gaben] schenke ich [Euch], mit diesen Bohnen kaufe ich mich und die Meinen [von Euch los] (Ovid,Fasti, Buch 5, Vers 437-439). Laut Ovid scheint der Schatten dann die Bohnen anzunehmen: umbra putatur colligere (Ovid, Fasti, Buch 5, ab Vers 439-440).
  • Schließlich benetzt er sich noch einmal die Hände mit Wasser,
  • schlägt griechische Becken aufeinander
  • und bittet neunmal den Schatten mit folgenden Worten aus seinem Dach zu entweichen: „manes exiti paterni - geht hinaus ihr Geister der Vorfahren!“,
  • worauf er sich umdreht und den Ritus für purē – ordnungsgemäß für vollendet hält (Ovid, Fasti, Buch 5, ab Vers 441-444.
Ovid vermutet noch im Folgenden, dass der ganze Abwehrzauber gegen aufgebrachte Geister der Verwandten aus dem Brudermord des Romulus an Remus zurückzuführen ist.
Für den zweiten Tag den 10. Mai, weiß Ovid keinen speziellen Ritus zu berichten, am 11. Mai pausieren die lemuria. Für den dritten Tag, dem, 13. Mai findet sich auch kein weiterer Hinweis mehr.
Am Ende sollten jedenfalls alle Geister besänftigt sein. Glückliche Zeiten, an denen noch schwarze Bohnen ausreichten…

Beltaine und Samain bis Halloween - der Festkalender bei den alten Kelten


Die Kelten richten sich nicht nach einem Sonnen- sondern nach einem Mondkalender - das
Gallier, Kalender und Feste - Mondkalender der Kelten
Rabe, CC 0 von Alexas_Fotos auf pixabay
bedeutet, die Zeit wird in Nächten gemessen. Dabei gelten die 15 hellen Nächten der hellen Hälfte des Monats im zunehmenden Mond als günstig für alle Vorhaben Die restlichen 15 Nächte der dunkleren Zeit im abnehmenden Mond werden als ungünstig angesehen.
Wie bei den meisten indoeuropäischen Kulturen werden die vier Jahreszeiten jeweils durch Festtage für vier große Gottheiten eingeleitet, die fecht ähnlich zu christlichen Feiertagen der Moderne mit strengen Riten, Essen und Vergnügungen begangen werden:
  • 1. Februar, Imbolc: Man feiert Brigantia, die Schutzgöttin der Herden und der Fruchtbarkeit. Beginn des Frühlings.
  • 1. Mai, Beltaine: Der Lichtgott Belenos wird gefeiert. Beginn des Sommers. Der Vorabend,der 31.Oktober, gilt jedoch als gefährlich und beunruhigend: In der Nacht zwischen Frühling und Sommer kann sich das Glück wenden und das Vieh verhext werden – wenn nicht die Druiden Belenos mit Gaben und Gesängen gnädig stimmen.
  • 15. Juli - 15. August, Lugnasa: Wichtigstes keltisches Fest zu Ehren des Gottes Lugus als Mittsommerfest. Lug ist schwer zu beschreiben, da er mehrere Attribute vereint: Lug ist jung, hübsch, und besitzt unzählige Fähigkeiten: Lug erfand die Spiele und die Reitkunst, er ist ein sicherer Schütze mit Schleuder oder Speer und für mehrere Bereiche zuständig, die in anderen Kulturen jeweils ein eigener Gott übernimmt: Krieg, Handwerk, Reisen, Gelderwerb, Handel, Ernte. Höhepunkt des Ente- und Mittsommerfestes bildet am 1. August das Fest zu Ehren der Pflegemutter des Lugus, die in Lugdunum (Lyon) gestorben sein soll.
  • 31.Oktober – 1. November, Samain: Unter dem Schutzgott Belenos feiert man die Erinnerung an Schöpfung der Welt durch die Umwandlung des Chaos in Ordnung. In der Samain-Nacht kehren die Toten wieder und wandeln über das Land der Lebenden. Davor haben die Kelten große Angst, denn obwohl die Geister nur eine Nacht lang los sind, sollen sie auch nach ihrem Verschwinden noch lange viele wichtige Vorgänge negativ beeinflussen können – wenn sie nicht durch passende Opfer besänftigt werden.
Der Glaube an Gespenster- und Hexenwesen und die Besänftigung durch Geschenke beeinflusst über Irland und Amerika auch spätere Generationen, so dass moderne Römerkinder heutzutage Halloween feiern, während ihre Vorfahren sich an den lemuria vor Gespenstern gruseln…