Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Dienstag, 30. April 2019

vir-tus Romana über alles: Chauvinismus im alten Rom


Chauvinismus ist eine Form der Selbstüberschätzung einer Gruppierung, der man sich zugehörig fühlt und die man für überlegen hält.
Für die überwiegende Mehrheit der männlichen Einwohner Roms scheint die Überlegenheit der Männer gegenüber Frauen und Römer gegenüber Nichtrömern als selbstverständlich – je ungebildeter, desto stärker dieser Glaube.
Bereits im Wort virtus – „Mann“haftigkeit wird dies mehr als offenkundig: Virtus steht für Tugend, Tapferkeit, Tüchtigkeit, nie erlahmende männliche Energie und was sich ein typisch altrömischer Macho noch Positives für das eigene Selbstbild vorstellt. „Vir-tus ist dabei genau das, was eine Frau nicht hat, ef-femina-re trifft gleichermaßen auf Männer zu, die verweichlichen, und auf diejenigen, die ver-weib-lichen, wie man auch bei Caesar lesen kann“ (→ Gerlinger 2012, S. 303; → Caes. Gall. 1,1).
Es ist aber auch genau das, was ein Nichtrömer nicht hat, auch männliche Barbaren: Beschreibungen römischer Gegner werden von römischen Historikern immer wieder gerne „Kontrastierung römischer Tugenden gegen unrömische Untugenden“ eingesetzt (→ Gerlinger 2008; S. 240).
Eine Frau in einer Männerdomäne – das bringt römische Männer überwiegend zum Ausrasten. Cleopatra wird nicht nur aus propagandistischen Zwecken bei Horaz zu einem monsterhaften Zerrbild und sämtlichen Kaiserinnen neidet man ihre Macht – angefangen bei der allerersten, Livia.
Dass Nichtrömer das römische Bürgerrecht erlangen, versuchen männliche Stadtrömer ständig zu verhindern: Allein das Tragen einer Toga wird argwöhnisch überwacht (→ Suet.Claud.15,3), offizielle Bürgerrechtsverleihungen jagen die Chauvinisten an die Decke: Als Caesar 49 v. Chr. das Bürgerrecht auf Oberitalien ausdehnt, latinischen Rechts seit 90 v. Chr. und längst romanisiert, wird derbe über diese Aufnahme von „Barbaren“ sowie deren Hosenab- und Togaanlegen in trochäischem Septenar gespottet (ein Versmaß für Triumph- und Trinklieder) und ein Plakat mit der Bekanntmachung angeschlagen: „Von Amts wegen! Dass ja niemand einem neuen Senator den Weg zum Sitzungsgebäude zeigen will!“ (Suet.Iul.80,2; Gerlinger 2007, S. 298-299). Integrationsbemühungen kommen in Rom nicht gut an, auch später unter Kaiser Claudius nicht (vgl. ebd.; Tac.Ann.11,23-25 zu CIL XIII 1668 und Sen.apocol.3,3).
So haben es Frauen und Ausländer richtig schwer in Rom, auch nur zeitweise gleichberechtigt behandelt zu werden. Froh kann man sein, dass diese Zeiten in Europa heutzutage überwunden sind – oder doch nicht mehr? Die Ausbreitung eines konservativen populistischen Rollbacks wäre jedenfalls nicht gerade ein Fortschritt…

ADHS & Epilepsie auf dem Thron – Woran litt Kaiser Claudius? (I)


Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus war bereits über 50 Jahre alt, als er an die Macht gelangte. Das mörderische Regime seines Neffen Caligula überlebte er nur, weil er sich dumm stellte. Das gelang ihm so gut, dass die meisten Römer später nicht glauben konnte, dass es nur vorgetäuscht gewesen sei. Es kursierte sogar eine Schrift, die zu beweisen suchte, dass man Dummheit nicht vortäuschen könne.
Dass der Biograph Sueton an diesem Kaiser kaum ein gutes Haar lässt, zeigt sich immer wieder in dessen gesamten Werk. Vorsicht scheint also ratsam, wenn man Claudius aufgrund seiner Biographie angemessen beurteilen will.
instrumenta
Schon zu Beginn äußert Sueton, Kaiser Claudius habe fast seine gesamte Kindheit und Jugend so sehr mit verschiedenen und hartnäckigen Krankheiten zu kämpfen gehabt, dass er zugleich an Körper und Geist geschwächt für keinerlei Amt als fähig genug eingeschätzt worden sei (→ Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 2,2). Nüchtern betrachtet fallen in seine Regierungszeit so viele sinnvolle Beschlüsse und Verordnungen, dass diese Einschätzung anzuzweifeln ist.
Jedoch schon sein Spitzname „Hinkefuß“ Claudius verrät, dass er Probleme beim Gehen hatte und einen Fuß nachzog – und ihm diese Behinderung gleich als Rufnamen aufgedrückt wurde.
Zu leiden hatte Claudius auf jeden Fall auch unter seiner Familie, der ein Hang zur Grausamkeit nicht abzusprechen ist:
Seine Mutter, die gestrenge Antonia, nannte ihn immer wieder ein Monster, von der Natur nur begonnen aber nicht fertig gestellt (→ Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 3,2).
Aber welche Krankheiten sind es, unter denen er noch dermaßen zu leiden hatte, dass man ihn zum Teil für unfähig hielt, je ein öffentliches Amt zu bekleiden?
Dem soll hier in einer kleineren Reihe von Blogposts nachgegangen werden. Im Raum stehen Spastik, Epilepsie und ADHS.