Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Samstag, 30. November 2019

Die Wahlkampagne des G. Marius - Wahlen & Wahlkampf im alten Rom II


In Sallusts Darstellung des Jugurthinischen Krieges finden sich Textstellen, welche gegen die Theorie sprechen, dass nur der Familienname der Kandidaten im Wahlkampf ausschlaggebend sei: Nach Sallust existiert bereits bei der Wahl zum Kriegstribunen eine Vorstellung von den bisherigen Leistungen und Absichten des Marius, so dass er einstimmig in allen tribus gewählt wird und in der Ämterlaufbahn stets eines höheren Amtes als des gerade bekleideten für würdig befunden wird (→ Sall.Jug.63,4-5).

Für das Konsulat führt Marius eine regelrechte Wahlkampfkampagne auf drei Ebenen:

  1. Zuerst versucht er, sich die Seilschaften der einflussreichen adligen Familien zu Nutze zu machen. So schließt er sich wahrscheinlich nicht zuletzt aus dieser Hoffnung dem Metellus im Krieg gegen Jugurtha an und ersucht nach Schützenhilfe um seine Entlassung für die Vorbereitung seiner Konsul-Wahl (64,1-4) in Rom. Der Versuch über die Seilschaft und über das Klientel der Metelli als amīcī schlägt fehl. Trotz ständiger Bitten erfährt er nicht nur keine Unterstützung, sondern zusätzlich zögert Metellus die Entlassung und Abreise des Marius nach Rom hinaus.
  2.  Darauf startet Marius einen breiten Wahlkampffeldzug in Abwesenheit (63,5-65,5) und zieht dabei alle Register (neque facto neque dicto abstinere, quod modo ambitiosum foret [ambitiosus im Sinne von „werbewirksam“]). Marius hält die Soldaten lockerer, macht den römischen Händlern Wahlversprechen und gleichzeitig Metellus schlecht (64,5). Metellus macht dem numidischen Prätendenten Gauda Hoffnungen (65,1-3) und gibt auch persönlich Instruktionen nach Rom. So erreicht er eine umfangreiche Korrespondenz in seinem Sinne all dieser Gruppen und ihrer Freunde und Bekannte in Rom (65,4). Die Briefe, Aktionen und die Wahlpropaganda insgesamt zeigen Wirkung in Rom: sic illi a multis mortalibus honestisima suffragatione consulatus petebatur (65,5). Die Frage nach der Überprüfbarkeit des Stimmungswechsels bleibt angesichts mangelnder Umfrageergebnisse wohl leider offen (der Erfolg dieser „abwesend“ lancierten Aktionen spräche aber wohl eher gegen eine Präsenzkultur). Metellus gehen die Anfragen und der Aktionismus des Marius auf die Nerven und er entlässt ihn nach Rom (73,2: Marium fatigantem […] Romam dimittit).
  3. Darauf beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes des Marius in Rom selbst. Die gute Vorarbeit trägt Früchte: Marius gelingt es, seine Kandidatur voll in die Polarisierung zwischen angeblichen Vertretern von „Volk“ und „Adel“ einzubauen, eigene Herkunft und der Zwist mit Metellus stärken seine Stellung, für Sallust sind in der Wählergunst darauf weniger die Vorzüge und Schwächen der Persönlichkeiten als vielmehr die „Parteileidenschaft“ der Polarisierung ausschlaggebend (73,-4). Diese lässt Marius zusätzlich schüren (vermutlich unterstützt von nicht genannten Hintermännern des „popularen“ Lagers), „Aufrührerische Beamte“ hetzen das Volk auf und in allen Volksversammlungen klagen die Volkstribunen Metellus auf den Tod an und rühmen die Tüchtigkeit des Marius (73,5). Das ius agendi cum populo wird so zwar nicht mit eigenen Reden, aber durchaus mit Wahlpropaganda im Sinne des Kandidaten ausgenutzt. Zuletzt verschreiben sich sogar fanatisierte Handwerker und Bauern seiner Wahlkampagne und lassen sich statt der notwendigen eigenen Arbeit im Wahlkampfteam des Marius organisieren: denique plebes sic accensa, uti opifices agrestesque omnes, quorum res fidesque in manibus sitae erant, relictis operibus frequentarent Marium et sua necessaria post illius honorem ducerent (73,6).


Mit diesen Maßnahmen und Ausnutzung der für Marius glücklichen Umstände gelingt seine Wahl zum Konsul - trotz oder gerade wegen seiner Herkunft als Ritter aus Arpinum ohne „großen Namen“: ita […] novo homini consulatus mandatur. (73,6)

Es wird eine gut organisierte Wahlkampagne und intensive „Wahlkampftätigkeit“ sichtbar, ohne die der Aufstieg großer Persönlichkeiten wie G. Marius nicht denkbar sind. Große Namen sind nützlich, aufsteigen kann man mit viel Energie, großem Talent und etwas Glück aber auch ohne sie…

Einflussgrößen - Wahlen & Wahlkampf im alten Rom I


Wie genau Wahlen in Rom vor sich gehen, ist bekannt: Die wichtigsten Ämter wählt „das Volk“ in den comitia centuriata. Entscheidend sind hier zuallererst die reichsten Bürger Roms, da sie über die Mehrheit der Stimmen verfügen (nach Vermögen in Hundertschaften gestaffelt).
Weniger wichtige Ämter werden in den comitia tributa nach der Mehrheit der tribūs vergeben (Stadtviertel bzw. Landkreis), in denen die einfache Mehrheit reicht und jeder Bürger gleichermaßen eine Stimme besitzt.
Selbst bei den Ämtern, deren Kandidaten in den Volksversammlungen der comitia populi tributa (oder im concilium plebis) gewählt werden, bevorzugen die Wähler in 50-85% der Fälle Adlige- oder zumindest Vertreter aus der Nobilität, d.h. Familien, aus denen (vor Sulla) bereits ein Konsul hervorgegangen war (nobiles).

Unbekannt ist dagegen der Einfluss, den die verschiedenen Faktoren auf den Wahlausgang ausüben. Es scheint so, als ob die überwiegende Mehrheit der römischen Bürger einen Hang zu großen und klingenden Namen hat.
Ist der Bekanntheitsgrad der Familie des Kandidaten generell wichtiger als der des Kandidaten alleine? Ist also der Wahlausgang mehr vom Klang des gentilizischen Namens abhängig, von den vielzitierten Wachsbildern der Vorfahren (imagines) und ihren berühmten Heldentaten (fortiter facta), als von der Person des Kandidaten selbst?
Welche Rolle spielen die vererbten Klienten und die Weisung eines Patrons, eine bestimmte Person oder einen der amīcī der Familie zu wählen?
Gibt es keinerlei (wenn auch nur rudimentäre) Wahlkampagnen im alten Rom?

Bisher ging man in der Forschung davon aus, dass der Bekanntheitsgrad des Familiennamens nahezu alleine entscheidend ist. Was aber, wenn sich Kandidaten eventuell das ius agendi cum populo eines Prätors, oder Volkstribunen zu Nutze machen, um ihr Programm (oder ihr Gesicht) vorzustellen und bekannt zu machen?
Leider lässt sich dies weder direkt belegen noch widerlegen: Die programmatischen Reden der Kandidaten selbst, die sich in den schriftlichen Quellen finden lassen, sind eigentlich alle Antrittsreden, und wiewohl sie eine Art Programm erkennen lassen, alle (unmittelbar) NACH erfolgreicher Wahl von den Historikern als gehalten beschrieben.

Was den Einfluss des Klientelwesens betrifft, fehlen auch hier unumstößliche Nachweise der Quellentexte. Es scheint wahrscheinlich, dass ein Klient, der mit seinem Patron (den man durchaus auch wechseln kann) zufrieden ist, eher dessen Weisung bei der Wahl befolgt. Ist der Klient mit seinem Patron unzufrieden, wähl er eher die Gegenseite.
Doch was ist mit dem Rest? Folgen die unentschlossenen Römer vor allem einer groben Vorstellung des Kandidaten, die aus der Mund-Propaganda und verbreiteten Versprechungen resultiert? Oder lassen sie sich mehr von der Erinnerung der Spiele leiten, welche die Kandidaten als Ädile veranstalten? Beispielsweise treten Caesar und Bibulus in derselben Besetzung an wie zu ihrer glorreich-freigiebigen Aedil-Zeit und werden zu Bibulus‘ Leidwesen als ständiges Beamten-Team (aber auch unter gleich hohen Bestechungssummen) wieder als Konsuln gewählt.
Gibt es keine Propaganda, kommt der Namen selbst als Programm zum Zug, z.B. die Familie der Claudii und Metelli ohne Zusatz als Programm für eine konservative Haltung und eine Art „rechten Flügel“. Verwandtschaften mit den Gracchen (und/oder Marius) stehen demnach für eine „reformerische“, und „linke“ Haltung. Doch ist diese offizielle Selbstdarstellung meist nur politische Wahlpropaganda und dient im Grunde vor allem dem Zugewinn persönlicher und familiärer Macht.

Beschäftigt man sich näher mit Sallusts Darstellung des Jugurthinischen Krieges, so drängt sich die Überzeugung auf, dass nicht immer nur der Familienname der Kandidaten ausschlaggebend ist.
Zumindest G. Marius scheint eine regelrechte Wahlkampagne geführt zu haben, wie im folgenden Post zu lesen sein wird…