Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Donnerstag, 30. Juli 2015

XII. Pistoria. Leseprobe aus "Catilina und die Jugend Roms"

Nun der vorerst letzte Auszug: Diesmal aus Kapitel Zwölf (zweiter Band - bisher gibt es hier Ausschnitte aus dem ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten, achten neunten, zehnten und elften Kapitel). Anregungen und Kommentare sind wie immer erwünscht (Rufus.in.Rom@gmail.com)!

Kapitel XII: Pistoria
[…]
Die Lage normalisierte sich. Im Hause der Fabier nahm das Leben wieder seinen gewohnten Lauf. So war es für Rufus eine große Überraschung, als er erneut zu Cicero gebeten wurde. Der ehemalige Konsul saß in seiner Bibliothek zwischen den Philosophenköpfen und massierte sich die Schläfen. Sein Haar war grauer geworden, seit Rufus ihn zuletzt gesehen hatte, und sein Bauch dicker.
Marcus Tullius Cicero unter Druck - alles legal gegen Catilina?
Cicero unter Druck
„Sei gegrüßt, Rufus! Nur herein. Setz dich!“
Rufus nahm zwischen Cicero und Tiro Platz, dem Sklaven und Privatsekretär mit dem freundlichen Gesicht.
„Vale Cicero, vale Tiro! Welchem Umstand verdanke ich deine Einladung, pater patriae – Vater des Vaterlandes?“
Cicero presste nur die Lippen aufeinander. Die Anspielung auf seine jüngsten Ehren schien ihn nicht sonderlich zu amüsieren.
„Wie gut verstehst du dich mit Crixos, Catugnatos und Ollugnio? Mir wurde berichtet, dass sie sich rührend um dich gekümmert haben. Du sprichst ihre Sprache und teilst ihre Gedanken… Würden sie auf deinen Rat hören?“
„Das kommt darauf an. Was ist denn passiert?“
„Crassus! Das ist passiert“, platzte es aus Cicero heraus. Dann fasste er sich und setzte wieder sein gewinnendes Lächeln auf.
„Weißt du, dass die Allobroger heute im Senat waren?“
„Ja, sie sollten doch heute endlich ihren Fall vertreten und endlich die Rückzahlungserleichterungen zugesprochen bekommen ... als Dank für ihre Mithilfe bei der Aufdeckung der Catilinarischen Verschwörung. Dann wollten sie gleich wieder nach Hause. Sie haben zuletzt von nichts anderem mehr gesprochen.“
„Nach Hause, das sind sie ... allerdings noch während der Sitzung….“
Cicero räusperte sich, bevor er fortfuhr.
„Dass ich die Rolle der gallischen Allobroger gegen Catilina hervorgehoben habe, hat dummerweise meinen Gegnern in die Hände gespielt. Als sie Catilina noch gefürchtet haben, da haben mich alle geachtet. Nun scheint es, als habe sich die Stimmung gedreht… Es war jedenfalls keine gute Idee, in gallischer Tracht und mit Bart im Senat zu erscheinen: Metellus Nepos hat alle daran erinnert, wie Catilina einst an der Spitze einer gallischen Reitertruppe römische Ritter niedergemetzelt hat ... damals unter Sulla. Crassus malte dann das Ganze drastisch aus, als ob diesmal erneut römische Ritter unter Galliern leiden sollten ... die Steuerpächter nämlich unter einer Lockerung der Schuldenlast der Allobroger. Pikanterweise hat Crassus dabei aus meiner Rede gegen Fonteius zitiert:
ʺGallier, denen man weder wegen ihres Jähzorns vertrauen, noch sie wegen ihrer Untreue respektieren darf, die sich von den anderen Völkern so sehr an Sitte und Natur unterscheidenʺ. Sorgen wir dafür, dass diese Gallier, die größten Feinde der Römischen Nation, ʺleichter die Alpen erklimmen als die paar Stufen zum aerariumʺ!ʺ“
Cicero stöhnte und zupfte sich eine Falte seiner Tunika glatt.
„Diese unbedachten Äußerungen scheinen mich auf ewig zu verfolgen! Nepos und die Pompeius-Fraktion haben das Thema jedenfalls in seltener Einmütigkeit wieder aufgenommen, um gleichzeitig gegen mich Stimmung zu machen:
ʺBevor man den Feinden des Menschengeschlechtes und ganz besonders unseres Volkes Geldgeschenke macht und ihnen erlaubt, ehrbare römische Ritter zu ruinieren, sollten wir da nicht lieber untersuchen, ob Ciceros Todesurteile mit der lex Sempronia vereinbar waren oder nicht vielmehr gegen jede Sitte, Herkommen und Gesetz verstießen?ʺ“
Cicero wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Dabei gibt es sonst nichts, worüber sich Crassus und Pompeius je einig wären. Aber ich will dich nicht mit Einzelheiten aufhalten: Crassus hat sich jedenfalls für die Steuerpächter stark gemacht und den ganzen Antrag zu Fall gebracht. Wer weiß, was ihn geritten hat. Vermutlich lauert er auf einen Aufstand und hofft dabei, ein militärisches Kommando zu ergattern. Gegen Catilina ist er ja nicht zum Zuge gekommen…“
„Das ist alles? Die Allobroger riskieren für dich und für die Römische Republik ihr Leben und ernten nur ein paar generalisierende Beleidigungen, die du in die Welt gesetzt hast? Kein Wunder, dass sie sich verraten fühlen ... auch von dir, vermute ich.“
Cicero erhob sich.
„Von mir ... vielleicht. Und da kommst du ins Spiel: Die Allobroger sind jetzt auf der Via Flaminia nach Norden unterwegs, mit all ihren Gefolgsmännern und im Schmuck ihrer Waffen. So wütend wie sie aus der curia Hostilia hinausgestürmt sind, ist mit allem zu rechnen. Wir fürchten, dass sie im Stande sind, einen Aufstand loszutreten oder sich doch noch Catilina anschließen. Dich schätzen und lieben sie. Auf wen werden sie hören, wenn nicht auf dich? Du musst sie einholen. Du musst sie wieder zur Vernunft bringen. Du musst einen Krieg verhindern, der allen nur neue Leiden bringen kann!“

Dienstag, 28. Juli 2015

Leben und Lieben im alten Rom I: Ehe & Eheschließung

Heiraten im Römischen Reich: confarreatio, coemptio, per usum, conubium, concubinatus

Einen gemeinschaftlichen Ausdruck für ein Verb des Heiratens gibt es im Lateinischen bezeichnenderweise nicht. Von der Frau aus heißt es nubere, wörtlich: sich (wie eine Wolke) für jemanden verschleiern bzw. den Schleier anlegen. Ist der Mann der Aktive, dann heißt es umständlich aliquam in matrimonium ducere - eine in die Ehe führen bzw. ziehen, schleppen, reißen… Im Mythos zerren und verschleppen die wilden Junggesellen des Romulus die Sabinerinnen dann auch gegen deren Willen – zumindest zunächst. Auch eine Art der Ehe. Und in Wirklichkeit? Wenn zwei sich lieben, heiraten sie – oder nicht? Diese romantische Idee der Liebesheirat gibt es auch in der Antike, sie ist jedoch die größte Ausnahme, die man sich vorstellen kann und wird meist nur im griechischen Abenteuer- und Liebesroman verwirklicht. Nur die schöne Formel bleibt romantisch: ubi tu Gaius, ego Gaia - „wo [auch immer] du Gaius [sein wirst], [werde] ich [deine] Gaia [sein]“.
Der Grund ist der pater familias: Wie bereits im Post familia berichtet, besitzt das männliche Familienoberhaupt die unumschränkte Herrschaft (patria potestas). Wenn ihm die Ehe nicht passt, rückt er weder die Tochter noch die Mitgift heraus. Aber auch die Söhne müssen heiraten, wen der Vater bestimmt - und sich gegebenenfalls scheiden lassen und neu einheiraten, wenn der Vater eine neue politische Koalition mit einem amicus durch Familienannäherung besiegeln will). Sklaven haben (bis zu ihrer Freilassung) überhaupt kein Recht auf Heirat, ihre Beziehung kann höchstens geduldet werden, hat aber keinerlei gesetzliche Grundlagen oder Folgen. Sklaven müssen sie sich darüber hinaus alles gefallen lassen, auch sexuelle Übergriffe – als „Sache" haben sie kein Recht, dies zu verweigern.
Die römische Gesellschaft sieht die Ehe als Zweckgemeinschaft, die Frau sichert den Fortbestand der Familie und über die Kinder quasi die Altersversorgung, während der Mann für den Unterhalt aufkommen soll. Liebe, so denkt man, soll aus der späteren Gewöhnung aneinander entstehen und ist nicht unbedingt notwendig. Gesellschaftlichen Aufstieg durch einen reicheren und/oder bedeutenderen Ehepartner sehen beide Seiten gern. Heiraten dürfen Mädchen ungefähr ab dem dreizehnten Lebensjahr, Jungen nach der feierlichen „ersten Bartabnahme“, der Volljährigkeit, ca. ab sechzehn. Doch zuallermeist heiraten sie viel später, in der Ehegesetzgebung des Augustus wird das heiratsfähige Alter für Männer zwischen 25-60 und Frauen zwischen 20-50 definiert. Der pater familias kann seine Kinder und Familienangehörigen (und Klienten) dabei auf drei Arten verheiraten (solange die Brautleute nicht untereinander verwandt sind, was strengstens verboten ist):
  • Er kann keinerlei Kosten und Mühen scheuen und eine Protz- und Prunkehe mit allen Extras ausrichten, mit allen religiösen Schikanen und Zeremonien (confarreatio). Die Ehefamilien heben dabei beiderseits ihre Wichtigkeit hervor und den göttlichen Schutz der Ehe. Eine bei Politikern und Patriziern beliebte Form, die für pontifices-Priesterämter sogar verpflichtend ist.
  • Er kann die Heiratsurkunde schlicht von fünf Zeugen mit Siegelabdruck bestätigen lassen und die Tochter mit einem ähnlichen Formular wie bei Besitzveräußerung selbst „verkaufen“ (coemptio). Weniger kostenintensiv und schnell erledigt. Hier steht die Macht des Brautvaters im Vordergrund.
  • Er kann eine quasi „wilde Ehe“ bestätigen, wenn er zugelassen hat, dass das Pärchen bereits ein Jahr mit Unterbrechung von weniger als drei Tagen zusammen unter demselben Dach schlief. Dabei wird durch Gewohnheitsrecht in eine rechtsgültige Ehe überführt (per usum) und das Pärchen ist glücklich. Allerdings gilt der Brautvater hierbei ein wenig nachlässig und es riecht nach Liebesheirat, gesellschaftlich etwas verpönt.
  • Einem Nichtrömer kann er als Patron zu einem conubium verhelfen, eine mindere aber rechtsgültige Ehe gesellschaftlich unterschiedlicher Positionen mit geringeren Erbansprüchen und ohne Mitgift. Ausländer, die 25 Jahre Dienst in den Legionen abgeleistet haben, bekommen das volle römische Bürgerrecht (für sich, Frau und Kinder) zugestanden, ihre bisherigen conubium-Ehen, die man auch als Konkubinat bezeichnet, werden in vollgültige Ehen überführt.
  • Für Sklaven kann der pater familias rechtlich gesehen gar nichts tun, es sei denn, er lässt die Liebenden frei. Wenn nicht, gibt es nur die Bezeichnung, aber keinerlei Rechtsansprüche. Darunter fällt z.B. auch die „Homo-Ehe“ zwischen männlichem Sklaven (concubinus – „Sexpartner“) und Herren, wie zwischen Sklaven untereinander (concubinus- concubina).
Hier geht’s zu
Sitten  und
Sittengesetzgebung  im alten Rom
Wen Interkationen zwischen Römern und Römerinnen
noch genauer interessieren, der lese weiter nach bei
S. Gerlinger, Virtus ohne Ende? Zum Rollenverständnis zwischen Mann und Frau, in: A. Heil / M. Korn / J. Sauer (Hrsg.), Noctes Sinenses. Heidelberg 2011 (ISNB 978-3-8253-5843-3)