Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Freitag, 31. Mai 2019

Epilepsie im Kaiserhaus – Woran litt Kaiser Claudius? (III)


Schon seit Kindheit an wurde Kaiser Claudius als Spastiker verspottet. Doch auch die Berichterstattungen über die geistige Gesundheit des Claudius sind auffällig: Einmal die bemerkenswerte varietas animi des Claudius, die von (fast) allen Autoren überliefert wird. Erscheint er in einem Moment als sanftmütig und gerecht oder als scharfsinniger, hochintelligenter Intellektueller, so erscheint er plötzlich im anderen als aggressiv und jähzornig oder plumper, unbesonnener und geistig behinderter Trottel.
Könnte zu diesem Bild eine angeborene Epilepsie beigetragen haben? Dazu soll hier nun kurz auf Epilepsie im Allgemeinen und die Symptome des Claudius im Speziellen eingegangen werden:

Kurzdefinition Epilepsie:
Epilepsien sind charakterisiert durch Störungen, die
-     anfallsweise auftreten,
-     fast immer, aber nicht ausnahmslos mit Bewusstseinsstörungen einhergehen,
-     und/oder andere anfallsartige motorische, sensible, sensorische oder vegetative[1] Phänomene aufweisen,
-     durch einen pathologischen Erregungszustand im Gehirn verursacht sind,
-     der sich meist im Anfall als ein abnormes elektrisches Phänomen mittels eines von der Hirnoberfläche oder aus der Tiefe abgeleitetes Elektroenzephalogramm nachweisen lässt,
-     und dem eine meist strukturelle oder evtl. nur funktionelle (stoffwechselbedingte) Anomalie des Gehirns zugrunde liegt.

Untersuchungsbefund & Kaiser Claudius
psychische und somatische Auffälligkeiten zwischen den Anfällen:
*     Äußerer Gesamteindruck eher normal (bei entsprechend starker Spastizität, die auch mit Beeinträchtigungen des Gehirns einhergeht herrscht dagegen ausgemergelter Eindruck vor) (vgl. Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30: Auctoritas dignitatisque formae non defuit ei [...] nam et prolixo et exili corpore erat et specie canitieque pulchra; → Seneca, Apocolocyntosis 5, 2-3: bonae staturae)
*     Während des Kindesalters geschwächtes Immunsystem, häufig Infektionskrankheiten,Fieberanfälle (vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 2,1 - 3, 2: per omne fere pueritiae atque adulescentiae tempus variis et tenacibus morbis conflictatus est; Seneca, Apocolocyntosis 6, 2: Febrim (im vorrausgehenden Abschnitt berichtet die personifizierte Fiebergöttin, daß sie Claudius schon seit dessen früher Kindheit kenne))
*     Epileptiker zeigen häufig starke Stimmungsschwankungen, die bei rein spastischen Erkrankungen ohne Epilepsie nicht auffällig sind (z.B. bei → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 38,2 f., worin Claudius, gerade noch voll des Zorns auf Einwohner von Ostia, zu diesen plötzlich unglaublich zuvorkommend ist, obwohl sie sich nicht für ihren mangelnden Respekt entschuldigen)
*     Automatismen (vgl. → Seneca, Apocolocyntosis 5, 2-3: assidue enim caput movere)

"Unser Kaiser, der Spast" – Woran litt Kaiser Claudius? (II)


Betrachtet man die Beschreibungen des Äußeren des Kaisers, so fällt auf, dass einerseits von einer schönen Gestalt gesprochen wird, ein ansprechender Körperbau und ein hübsches Gesicht, kurz eine ehrenhafte Erscheinung (→ Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30) – solange er saß, lag oder stand.
Vor allem im Gehen und auch sonst soll ihn vieles geradezu „entehrt“ haben (→ ebd.), der unsichere Gang, vermutlich mit spastischen Lähmungen, Speichelfluss bis hin zu Schaum vor dem Mund, Triefnase, gelegentliches Anstoßen der Zunge und Kopfzittern.
Heute würde man denken „wenn es nichts Schlimmeres ist…“ Wieso wird Claudius deswegen so herabgesetzt? Nun sind Römer traditionell unsensibel, was schon ihre Namensgebung verrät (offizielle redet man Mitbürger mit Spitznamen wie Verres – Wildsau, Crassus – Fettsack, Claudius – Hinkebein an). Doch gehen die Römer noch weiter: Selbst der Philosoph Seneca d. J. lässt sich in seiner „Verkürbissung des Kaisers Claudius zu Behindertenverhöhnung unterster Schublade herab (→ Lucius Annaeus Seneca, Apocolocyntosis). Doch sich bei Nero mit dieser Attacke gegen Claudius einzuschleimen, bringt keinen langfristigen Erfolg, am Ende steht der Tod in der Badewanne, wie von Nero befohlen… Was die Mitmenschen des Kaisers Claudius nun im Wesentlichen zu stören scheint, sind die Symptome vieler Kinderlähmungen mit spastischen Lähmungen, wie sie unter „Little Krankheit“ zusammengefasst werden. Im folgenden Abschnitt wörtlich zitiert aus: Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, Berlin 1982(254), S.689 und durch Vergleiche mit Textstellen über Claudius und Erklärungen (in der Darstellung in eckigen Klammern [      ] erweitert):