Es folgt ein Auszug aus
Kapitel Neun (zweiter Band - bisher gibt es hier Ausschnitte aus dem
ersten, zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten und achten Kapitel). Anregungen und Kommentare sind
wie immer erwünscht (Rufus.in.Rom@gmail.com)!
Kapitel IX: Crassus
[…] Wie gefährlich war Catilina wirklich?
Wie gerne hätte Rufus jetzt auf den Rat seiner großen
Schwester gehört. Er versuchte auch wieder, mit
Fabia zu sprechen,
möglicherweise konnte sie ihm helfen.
Doch Fabia ging Rufus neuerdings aus dem Weg. Im Unterricht
bei
Crispus drehte sie immer den Kopf weg, wenn er in ihre Richtung sah.
Lucius
schien ein wenig beleidigt, dass Rufus zuletzt so viel mit
Gaius unternommen
hatte, und war ganz in seine Gedichte vertieft.
Dafür war Fabiulla noch aufdringlicher als sonst – wenn das
überhaupt möglich war. Um ihr zu entgehen, versteckte er sich in den folgenden
Wochen bei Crispus in der Bibliothek, wann immer er eine freie Stunde hatte.
Zur Freude seines Lehrers las er dort die Schriften
Zenons und Epikurs.
Vielleicht kam ihm dabei die richtige Idee.
Ein Kiesel hatte ihn am Kopf getroffen, während er gerade
Epikurs Brief an dessen Schüler Menoikeus übersetzte.
Rufus kratzte sich am Kopf und sah argwöhnisch nach draußen.
Rufus hatte erwartet, dass Fabiulla wieder der Zofe Agatha
entwischt sei. Stattdessen stand dort Asia mit einem Finger am Mund und
lächelte schüchtern. Mit der anderen Hand winkte sie ihn herbei. […]
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M. Licinius Crassus Dives (mit Toupet) |
[Rufus erhält über Cicatrix Nachrichten Nachrichten von Cicero. Da Rufus
jedoch nichts vom Verbleib seines Gastbruders weiß, versucht er, die
Spionageaufträge zu ignorieren. Inzwischen verschlechtert sich die Laune der
Allobroger zusehends,
ein gewisser Marcus Crassus blockiert
das Vorhaben der Steuererleichterungen im Senat. Gaius kehrt zurück, erklärt
aber nicht, wo er war. Dafür nimmt er Rufus zum Fest des Oktoberpferdes mit,
einem sportlichen Großereignis in den Straßen des quirligsten Viertels Roms…]
„Hoc habet!“, rief
Marcus Antonius begeistert, als ein
jugendlicher Sportler sein Gegenüber mit dem Ellenbogen zur Seite geräumt
hatte, dass der nur so gegen die Wand krachte und der Putz herunterfiel.
Seine Stimme war so laut, dass sie das ohrenbetäubende
Gebrüll der Zuschauer noch übertönte.
„Glaubst du immer noch, dass die Sacravienses gewinnen?“
Der Sportler versuchte so weit wie möglich mit dem
Pferdekopf voran zu kommen, ging aber in einem Knäul von Gegnern zu Boden.
„Abwarten!“, lächelte
Marcus Caelius, wobei seine
lebensfrohen grünen Augen blitzten, „am Ende hängt der Schädel wieder an der
Regia am Forum“.
„Unsinn! Den nageln die Suburanenses dieses Mal an die turris Mamilia!“
Ein Sportler aus der Subura versuchte den Pferdekopf einem
Mitspieler zuzuwerfen, wurde dabei jedoch von zwei Sacraviensern in die Zange
genommen.
Der Schädel flog in den Laden eines Töpfers, der sein
Geschäft unvorsichtigerweise offen gelassen hatte, um zusehen zu können. Beide
Mannschaften drängten sofort hinterher und machten den Töpferladen zur Arena.
Nur wenige Augenblicke reichten aus, um den halben Laden zu
Bruch gehen zu lassen, Amphoren brachen, Teller und Tassen flogen durch die
Luft. Manche Zuschauer johlten und klatschten noch dazu.
Als die Sportler wieder draußen waren rannte der Töpfer mit
Wachstäfelchen und Stilus hinterher und versuchte vom größten Tollpatsch der
Suburanenses eine Schuldanerkennung zu erreichen. Stattdessen ging er nach
einem rüden Tackling zu Boden und verlor das Bewusstsein.
Rufus zog Gaius am Arm und lief sofort zu dem Ohnmächtigen
Töpfer hin, Gaius folgte, als er begriff, was Rufus vorhatte.
Doch die nachfolgenden Zuschauer schoben sich dem Wettstreit
in dichtem Gedränge hinterher und achteten dabei auf niemanden. Nachdem sich
Rufus und Gaius erst einmal herunter gebeugt hatten, kamen sie nicht wieder
hoch, die ersten begannen, einfach auf sie zu treten.
Rufus bekam einen Tritt ab.
Er bekam nur noch mit Mühe Luft, sah nur noch stampfende
Füße vor sich, hörte nur noch ein dumpfes Brummen.
Plötzlich wurde er mit einem Ruck in die Höhe gerissen.
„Beim Herakles, ihr wollt euch doch nicht von der Masse
niedertrampeln lassen?“
Antonius hatte beherzt zugegriffen und zog sie alle drei aus
dem Gedränge.
Durch die dröhnende Stimme des Antonius wurde Rufus wieder
klar im Kopf.
Die Panik wich.
Nur mit dem Riechen schien es noch nicht wieder ganz zu
gehen, alles was er wahrnahm, war ein starker Brandgeruch.
»Und dazu noch diese Hitze auf einmal, mitten im Oktober…«
Noch etwas benommen drehte er sich um.
Doch, da war tatsächlich ein Feuer: Beim Kampf um den
Pferdekopf musste jemand eine Lampe umgestoßen haben oder hatte den Herd getroffen.
Der Laden des Töpfers brannte lichterloh!
„He!“, rief Rufus, „Feuer!“
»Warum nur war kaum jemand am Löschen?«
Daheim auf dem Dünsberg hätten alle Ubier gemeinsam
angepackt. War den Römern etwa ihr Wettkampf wichtiger?
Inzwischen drang das Lärmen der Bewohner der oberen
Stockwerke durch das Gejohle der Zuschauer: Schreiend machten sie auf sich
aufmerksam.
Dicke Schwaden stiegen aus der offenen Ladenzeile und
wirbelten Funken und Ruß weit in die Höhe. Um nicht am Rauch zu ersticken,
versuchten sich einige von ihnen mit einem mutigen Sprung auf das Dach des
niedrigeren Nachbarhauses zu retten oder sie sprangen aus dem Fenster.
„Aber wen haben wir denn da?“, dröhnte Marcus Antonius, der
eine junge Springerin auffing.
Und mit einem Blick auf ihre ringlose Hand:
„Wenn dich dein Herr verkaufen will, sag ihm, Marcus
Antonius ist interessiert…“
Endlich kam Bewegung in die Menge. Viele rannten mit
allerlei Gefäßen zum nahen Brunnen.
Rufus schnappte sich eine Amphore und versuchte zu helfen.
Es gab jedoch kaum ein Durchkommen gegen die Massen an
Zuschauern.
»Beim Neptunus, wie soll man da nur vernünftig löschen?«
Gaius stieß Antonius in die Seite:
„Lass die Sklavin runter Marcus, wir müssen etwas
unternehmen!“
Rufus drängte sich verzweifelt hindurch und leerte seine
Amphore mitten ins Feuer, erzielte aber kaum eine Wirkung. Dafür ließ ihn der
dichte Qualm husten.
Antonius dachte kurz nach.
Dann senkte er seinen Kopf streckte die Arme nach vorne aus
und rannte mitten unter die Wettkämpfer.
„Platz da, beim Herakles!“
Er tauchte unter den Sportlern ab und war nicht mehr zu
sehen.
Rufus dachte schon, dass er zu Boden gegangen sei, doch dann
schob sich eine Welle von hochgerissenen Köpfen und Armen durch die Sportler,
an deren Spitze schließlich brüllend der Stiernacken des Antonius auftauchte.
Einen seiner bärigen Arme nach vorne ausgestreckt,
schleuderte er den Pferdkopf mit einem gewaltigen Wurf die Seitenstraße
hinunter, wo er aus dem Sichtfeld verschwand – hinterher alle Sportler und der
größte der Teil der Menge.
Brände gab es oft in Rom, aber den Wettkampf um den
Pferdeschädel nur einmal, an den Iden des Oktober.
Unterdessen war eine größere Sklavenmannschaft eingetroffen,
die allerlei Eimer, Decken und Äxte schleppte.
»Höchste Zeit!«, dachte Rufus.
Die Flammen schlugen immer höher.
Die wenigen freiwilligen Helfer würden sie nicht mehr lang
unter Kontrolle halten können, auch wenn inzwischen ein älterer Herr
aufgetaucht war, der sie antrieb und jeden zum Mithelfen aufforderte.
Bald wären auch die Nachbarhäuser in Gefahr.
Auf ein Kommando blieb der Sklaventrupp jedoch vor dem
brennenden Haus stehen. Angeführt wurden sie von einem gelangweilt
dreinblickenden Togaträger, gefolgt von einem Sklaven mit einem Weidentornister
voller Schriftrollen und Wachstäfelchen, wie sie die Privatsekretäre der
Anwälte auf dem Forum trugen.
„Ja warum helfen sie denn nicht?“, fragte Rufus entsetzt.
Die Hitze des Brandes hatte ihm schon die Augenbrauen
versengt, dennoch wollte er das Feuer weiter bekämpfen.
Die Mannschaft versperrte nun den Weg zum Brunnen, während
ihr Anführer mit dem Herrn verhandelte - scheinbar der Eigentümer.
„Die müssen die Rauchsäule gesehen haben - Crassus!“
Gaius spuckte wütend aus.
„Na, na“, wies ihn Marcus Caelius spaßhaft zu Recht, „fängst
du jetzt gegen alle meine Mentoren zu stänkern an? Reicht es dir nicht mehr,
Cicero zu beschimpfen?“
Gaius verzog das Gesicht und verschränkte die Arme.
„Was ist los? Ist das Crassus? Dann rede du mit deinem
Mentor, Caelius, die müssen doch helfen zu löschen, nicht zu blockieren!“
Caelius lächelte und schüttelte verneinend seine rotblonden
Locken.
„Nur die Ruhe. Nein, das ist nicht Crassus und die fangen
auch gleich an, du wirst schon sehen. Crassus hat überall in der Stadt
Klienten, die nach dickem schwarzem Rauch Ausschau halten. Wenn es brennt, kann
man sich auf einen verlassen: Marcus Licinius Crassus Dives. Seine Mannschaften
löschen jedes Feuer.“
„Aber nicht zu jedem Preis“, mischte sich Antonius ein.
Äußerlich wirkte er ein wenig mitgenommen, seine Chlamys war zerrissen, die
Tunika aufgerissen und er hatte ein paar blaue Flecken und Abschürfungen
mitbekommen. Von innen heraus aber strahlte er.
„Da wir gerade über Preise reden, den Wurf hätte nicht
einmal mein Ahnherr weiter werfen können, oder? Das war doch wohl preisverdächtig!“
Rufus blickte immer noch voll Sorge auf die Verhandlungen
direkt vor den züngelnden Flammen, die wieder an Macht gewannen.
„Was haben die denn da noch groß aufzuschreiben? Dort ist
das Feuer, gleich dahinter!“
„Na, nur keine Aufregung, kleiner Gallier!“, strich ihm
Antonius ruppig über den Kopf.
„Siehst du? Sie sind schon beim Besiegeln. Wenn er länger
warten würde, hätte der Alte auch nichts mehr übrig, zum Verkaufen…“
„Wie meinst du das?“
„Crassus‘ Löschtrupps löschen nur eigenes Hab und Gut. Wer
nicht verkauft, der muss zusehen, wie alles verbrennt und sein Besitz
schließlich gar nichts mehr wert ist.“
„Na, das geht ja noch. Dann hilft Crassus Menschen mit
brennenden Häusern?“
Gaius schnaubte ungehalten.
„Crassus und helfen? Der König der feuchten Mietskasernen?
Der selbst Einzimmerlöcher im fünften Stock zu Wucherpreisen vermietet? Wohl
kaum! Er kauft zum Spottpreis, wenn den Besitzern nichts anderes mehr
übrigbleibt. Wer gibt da schon einen harten Verhandlungspartner ab, wenn sein
Besitz dabei ist, in Flammen aufzugehen. Da gibt es nur zwei Alternativen:
Pleite gehen, oder zu einem Bruchteil des echten Wertes verkaufen. So ist
Crassus reich geworden. Und weißt du wodurch noch? Er soll unter Sulla
Unschuldige auf die Proskriptionsliste gesetzt und bei der Versteigerung alle
anderen Bieter eingeschüchtert haben. Danach ließ selbst Sulla ihn fallen und
nur deswegen bekämpft er gelegentlich die sullanische Ordnung und den
Adelsklüngel, die selbsternannten ʺOptimatenʺ. Trauen kann man ihm aber gewiss
nicht, selbst, wenn er manchmal die richtigen Leute unterstützt…“
„Ist das etwa der Grund, warum ich neuerdings nicht mehr in
eurem inneren Zirkel mit dabei sein darf? Mein Mentor Crassus? Das mit den
Proskriptionen ist nur ein nie bewiesenes Gerücht und außerdem rund zwanzig
Jahre her. Kein Grund, mich nicht mehr zu Catilina mit zu nehmen…“
Gaius presste die Lippen aufeinander und starrte zu Crassus’
Sklaventrupp hinüber.