Auch
wenn immer wieder Antikorruptionsgesetze erlassen werden, ist Bestechlichkeit in
Rom allgegenwärtig. Offiziell bleibt den meisten im Senat nicht viel anderes
übrig, als solchen Gesetzen zuzustimmen. Aber nicht nur unbeobachtet von Wählern
und Politikerkollegen gehen viele Senatoren andere Wege – wenn es ein Scherflein
einzustreichen gibt.
Wer
es als Vorsitzenden im Gerichtshof mit dem Prätor → 63 v. Chr. zu tun bekommt, der weiß jedenfalls sofort, womit man zu
rechnen hat: P. Cornelius Lentulus Sura – oder wie bei historischen Berichten und
direkt im Senatsprotokoll: einfach nur ʺSuraʺ - „die Wade“.
DIe Römer zählen nun nicht gerade zum höflichsten Menschenlag, dem man sich
vorstellen kann: Abgesehen von vorherrschendem Chauvinismus nehmen sie auch untereinander wenig Rücksicht und reden ihre Mitmenschen am Liebsten nur
mit Spott- und Spitznamen an, cognōmina, die sie ihrem Gegenüber allein
schon bei Äußerlichkeiten aufdrücken. So gibt es Namen wie Hackfresse Fabius (Fabius Verrucosus), die Glatze (Glaber), der Fettsack (Crassus) und die Wildsau (Verres).
Die
Wade Sura stammt zwar aus der edlen Familie der Cornelii Lentuli, hat jedoch
keinen all zu edlen Charakter. Dafür scheint er beim Volk ungemein beliebt,
auch wenn Cicero frotzelt, die Wade sei mehr in der Ausführung der Rede, als in
der Wortwahl hervorragend.
In
einem ist die Wade Sura jedoch nahezu genial – in der Annahme von Bestechungsgeldern und darin,
sich aus jeder Affäre zu ziehen. So steigt Sura nach seinem Amt als Prätor 75
v. Chr 71 v. Chr. noch bis zum Konsul auf. Doch seine vielen „Unregelmäßigkeiten“
fallen auf und 70 v. Chr. wirft man ihn hochkant aus dem Senat (remōtus ex sēnātū).
Doch sein souverän-selbstironischer Umgang mit seinen Verfehlungen, zu denen er
steht, und seine Volksnähe (er spielt Trigon
– eine Ballspielvariante, die ähnlich dem
Straßenfußball in höheren Kreisen eigentlich etwas ungebührlich ist) und kommt beim römischen
Volk damit gut an.
Seinen
Namen verdankt er auch dem Volkssport Trigon:
Wer im Trigon ein Foulspiel begeht, streckt danach seine Wade hin – wenn er
fair ist. Als Lentulus im Senat der Unterschlagung öffentlicher Gelder
beschuldigt wird, entblößt er einfach vor allen Senatoren seine Wade. Alle müssen
lachen, und seitdem heißt er nur noch „Sura“ – „die Wade“.
So
steigt er erneut auf, obwohl seine Karriere am Ende scheint: Im Jahre 63 v. Chr.
erlangt er zum zweiten Mal eine Prätorenstelle.
„Vielleicht
ist er nicht ganz ohne Fehler, aber er steht dazu“, scheinen die Wähler zu
denken. „Und dass er nach seinem Ausschluss aus dem Senat ein zweites Mal
erfolgreich die Ämter durchlaufen konnte, das spricht für ihn“.
Doch
so ganz ohne Foulspiel bleibt Sura nicht: 63 v. Chr. schließt er sich den Verschwörern des Catilina an, plant einen
Staatsstreich und wird am Ende hingerichtet.
Stark
beweint wird er von seinem geliebten Ziehsohn, dem späteren Triumvirn und
Bürgerkriegsgegner des Augustus: Marcus Antonius. Glaubt man Plutarch, dass Antonius sich schon als junger Mann Trinkgelagen,
Frauenbekanntschaften und Extravaganzen hingibt und so die für sein Alter große
Summe von 250 Talenten Schulden aufhäuft, so kann man vermuten, dass der Lebensstil
des Sura auch auf seinen Ziehsohn Antonius abgefärbt hat…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.