cb Cannstatt ©: S. Gerlinger CC-BY 4.0 Inschrift an der Bahnbrück |
Wie schnell und wie weit die vermutlich helvetischen Stämme unter dem Druck der Elb-Sueben eine sogenannte „Helvetier-Einöde“ hinterließen, ist in der Forschung umstritten. Sicher ist nur: Eine wirklich bedeutende Siedlung, Gold- oder Silbervorkommen gibt es zur Zeit, als die Römer anrücken, nicht. Was machen also die Römer ausgerechnet hier in Bad Cannstatt?
Der Grund liegt an den geopolitischen Verhältnissen der Rheingrenze und im im Verhalten der Schweizer, bzw. damals Helvetier im Jahr 69 n. Chr. (vgl. Tac.hist.1,67-68). Nach dem Tod des „Entertainment-Kaisers“ Nero und dem dramatischen Erlöschen des julio-claudischen Kaiserhauses gibt es im sogenannten Vierkaiserjahr gleich mehrere Anwärter auf den römischen Kaiserthron: Galba Otho, Vitellius und Vespasian.
In einem römischen Außenposten nicht sehr weit weg, im schweizerischen Windisch, halten die Helvetier aus alter Treue zu ihrem Patron Galba, dessen Tod sie dummerweise noch nicht mitbekommen haben. Außerdem raubt ihnen die vitellianische 21. Legion –RAPAX-, die räuberische genannt, die Soldzahlungen für ihr eigenes Kastell, das sie noch immer mit einheimischen Truppen selbst belegen dürfen. Wenn es um Geld geht, kennen die Helvetier keinen Spaß. Verärgert fangen sie bei Zurzach Briefe der Vitellianer ab und nehmen einen Zenturio sowie ein paar Legionäre als Geiseln. Die einzigen Verbindungswege sind unterbrochen.
Das stinkt den Römern natürlich gewaltig. Wie sieht denn so etwas aus?
Also schickt Vitellius seinen alten Haudegen Caecina, der von Osten aus wichtige helvetische Siedlungen verwüstet: erst Aquae Helveticae - Baden an der Limmat, dann Windisch selbst. Das Heer der Helvetier wird in einer Zangenbewegung vernichtend geschlagen.
Dass nun fremdländische, nordbarbarische Provinzler den römischen Hauptnachrichtenweg unterbrechen, das kann sich eine Supermacht nun wirklich nicht bieten lassen. Künftig will man nicht mehr von Störungen von den Helvetiern abhängig sein und errichtet den Limes als neue Grenze. Die Folge ist die Erweiterung des römischen Herrschaftsgebietes um den Neckar: Das Dekumatland wirddem Imperium hinzugefügt, der prekäre Knick am Rhein ist zukünftig nicht mehr relevant – es gibt mehrere Ausweichrouten. So kommen die Römer also nach Bad Cannstatt: Sie wollen ihre Kommunikations- und Nachschubwege ein für alle Mal sichern.
Schnell errichteten sie auf der Altenburg ein Reiter-Kastell. Um diese Militärsiedlung entsteht in kurzer Zeit ein ziviler vicus, der sich zu einer florierenden Siedlung an einer der Hauptverkehrsstraßen des Römischen Imperiums von Nord nach Süd entwickelt. Unten am Neckar entsteht ein wichtiger Hafen und eine römische Badeanlage. Vor wenigen Jahren wurde in der Oberstadt nahe des Kastells die größte Töpfereiwerkstatt nördlich der Alpen ausgegraben (Ausstellung: Die Töpfe des Hilario). Der Inhaber: Ein gewisser Hilario, Provinzial-Römer mit keltischen Wurzeln, der seine Produkte signieren ließ. Heute sieht man auf der ehemaligen Grabungsfläche leider nur noch einen weiteren Parkplatz.
Wer überprüfen will, ob man sich merken konnte, wer in Bad Cannstatt wohnt, wo zum Pluto das überhaupt liegt und was die Römer ausgerechnet hier machen, der klickt zum Post Römisches Bad Cannstatt - Interaktive Übung.
Mehr Material vom gleichen Autor zu einer Exkursion ins römische Bad Cannstatt findet sich auf dem Landesbildungsserver BW: http://www.schule-bw.de/spielwiese/roemisches_cannstatt/index.html
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