Als Textprobe hier ein
Auszug aus dem fünfzehnten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es zum →ersten, →zweiten, →dritten, →vierten, →fünften, →sechsten, →siebten, →achten →neunten, →zehnten, →elften, →zwölften, →dreizehnten und →vierzehnten Kapitel).
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich
freuen!
[… Sulpicia verspricht zu helfen, als Naso Vedius und Titus nicht
loswerden kann. Ihr Eingreifen scheint tatsächlich erfolgreich – zumindest
zunächst…]
Von Vedius war
nichts mehr zu hören und Titus leistete seinen Frontdienst ohne weitere Briefe.
Nach seiner Ankündigung, sie zurückzuerobern und seiner Prahlerei mit seinem
Gehalt als Grenzkommandeur war Schluss. Wer wusste schon, ob er sein
Jahreseinkommen von nunmehr fast hunderttausend Sesterzen nicht bereits
anderweitig verprasste.
An einem
Sommerabend des späten Septilis stieg Naso mit Corinna den Hand in Hand den
Esquilin empor. Obwohl Corinna den Spaziergang wieder einmal zu einem kleinen
Einkaufsbummel in der Via Sacra ausgedehnt hatte, war Naso guter Dinge. Er
genoss die Wärme der zarten Hand Corinnas, die kühle Brise des Hügels und den
Gesang der Vögel der Gärtchen links und rechts der Straße. Zufrieden sog er der
die Gerüche ein, während sie sich Corinnas Häuschen näherten: Blumen, Sträucher
und Essensdüfte - viel lieblicher als in der lebendigen Subura. Kein Wunder:
Dies war eines der besseren Viertel des abendlichen Rom.
Tiefenentspannt
erwartete Naso nichts anderes als einen weiteren gemütlichen Abend, alleine mit
seiner geliebten Corinna.
Doch diese Mal
sollte es nicht sein.
Irgendetwas war
anders.
Bereits auf dem
Weg fielen ihm beidseits die vielen Männer auf, weiter oben war kaum mehr die
Mauer zu erkennen! Wie eine Armee drängte sich das Gefolge um Corinnas
Wohnstatt.
Eine
regelrechte Armee aus Männern und Sänften!
„Erwartest Du
Gäste zum Essen?“, versuchte er zu scherzen.
Weiter oben
schienen einige Männer eifrig in Täfelchen kritzelten und sich von Sklaven ihre
Arbeit beleuchten zu lassen.
Weiter unten
standen ein paar wenig sympathische Gestalten, ungepflegt, roh und mit wenig
vertrauenserweckendem Gesichtsausdruck.
Die meisten
verschränkten die Arme, ein paar lehnten müde an der Mauer
Eine
Knoblauchfahne wehte bis zu ihnen empor.
„Nein, ich
glaube, diese Herrschaften haben schon gespeist.“, flüsterte sie.
Auch Naso
verfiel in einen Flüsterton: „Ob das etwa die flügellahme Haubenlerche Titus
mit ein paar Untergebenen und all seinen Unteroffizieren ist, war, alle zu faul
zum Laufen?“
Sie kicherte,
doch Naso fuhr zusammen, als sie sich an einem grobschlächtigen Schläger
vorbeidrückten.
„Brutus - der
Riesenpapagei! Beim Hercules, das darf nicht wahr sein…“
Tatsächlich, da
stand der Riese mit der Narbe, Titus Gefolgsmann, der ihn schon einmal in einen
Sack gesteckt hatte.
Brutus schien
ihn zu bemerken: Er schielte Nas schräg aus dem gesunden Auge heraus an und
bedachte die beiden mit einem höhnischen Grinsen.
Nasos Kehle
schnürte sich zu.
Er führte
Corinna vorsichtig weiter und ließ Brutus nicht aus den Augen. Beinahe wäre er
in eine der geparkten Sänften gerannt, wenn ihn Corinna nicht zur Seite gezogen
hätte: Ein recht protziges Ding, dunkel gebeiztes Zitrusholz, feinstes grünes Tuch
mit einem Glaspokal und einer Muräne darauf.
„Titus UND
Pollio machen dir ihre Aufwartung? Was hat das nur zu bedeuten?“
Sie drückte ihm
so fest die Hand, dass seine Knöcheln weiß hervortraten.
„Glaub mir, ich
habe nicht die geringste Ahnung“, flüsterte sie tonlos.
Direkt am
Eingang stand eine weiße Sänfte, bewacht von Liktoren mit Rutenbündeln.
„Mit welchen
Beamten hattest du denn zuletzt zu tun? Ganz großes imperium, da stehen ja mindestens… zwölf Liktoren!?! Das müssen die
Lentulli sein!“
Aber die Sänfte
trug nicht das Wappen der Konsuln des Jahres und auch nicht des Kaiserhauses.
Kein Anzeichen für Publius noch für Gnaeus Cornelius Lentulus und auch keines
für einen Julius.
Sie war einfach
nur weiß.
Die Männer
beäugten Naso und Corinna misstrauisch, doch merkwürdigerweise machte keiner
Anstalten, sie davon zu jagen.
Die Schläger
verschränkten weiter ihre massigen Arme, die Sekretäre kritzelten weiter in
ihre Täfelchen und schickten den einen oder andern Jungen davon – vermutlich
als Boten.
Aber um Naso
und Corinna wollte niemand das Wort richten.
Unschlüssig
standen sie einen Moment vor der offenen Gartentüre, an der die Liktoren
Spalier standen.
Syrus entdeckte
sie und kam gelaufen.
„Nicht meine
Schuld Herrin, immerhin ist er… ich meine, sie sind…“
„Was ist denn
nun? Drück dich klar aus!“, herrschte sie ihn an.
„Sie warten im
Triklinium, Herrin. Und er… er…“
„Beim
Hercules!“
Corinna drängte
sich an ihrem Türhüter vorbei.
Naso folgte ihr
am plätschernden Brunnen vorbei nach drinnen.
Fasziniert
betrachtete er ihre Wangen: »Was für ein hübsches Muster aus Weiß und Rot! Es
steht ihr – und ganz ohne Schminke. Ob es der Ärger über Syrus ist oder ihre
Angst?«
Als sie im
Triklinium ankamen, erfasste Naso den Ernst der Lage. Nur zu gut kannte er die
die zwei Gestalten, die ebenfalls mit verschränkten Armen vor den Liegen
standen - und die dritte, die sich
entspannt auf der mittleren Liege räkelte und einen Apfel aß: Titus, Vedius und
… Carisius. Seine Glatze leuchtete matt im Schein des Öllämpchens.
Titus stürzte
sogleich mit ausgestreckten Armen auf Naso zu.
„Du… ich könnte
dich…“
„Titus!“, pfiff
ihn Carisius zurück. „Du weißt doch, was ER gesagt hat.“ Dabei blickte
ehrfürchtig nach oben und legte den Apfel beiseite.
Titus blickte
ärgerlich zu Boden.
„Patronus…“
Carisius
lächelte nachsichtig, erhob sich und klopfte Titus väterlich auf die Schultern.
Winzige Apfelbröckchen purzelten von Carisius‘ Fingern über Titus‘ Schulter
nach unten.
Titus sah ihnen
mürrisch hinterher und heftete den Blick auf den Boden.
„Kommt schon.
Wie abgesprochen: Reicht euch die Hände!“
Titus ballte
die Fäuste.
Dafür trat
Vedius mit einem gequälten Lächeln hinzu und gab erst Titus, dann Naso die
Hand.
„Titus, Naso…“
Kurz
durchzuckte Naso der Gedanke, wie unverschämt gut dieser junge Vedius Pollio
aussah. Die Eifersucht kroch in ihm hoch wie eine Schlange an einem jungen
Ölbaum.
Vedius sah
Corinna tief in die Augen und seufzte.
Dann winkte er
und drehte mit einem kurz angebundenen „Vale!“ ab.
Sprachlos
blickten ihm Corinna und Naso hinterher, als er mit federnden Schritten den
Raum verließ.
Naso wusste
nicht, was er davon halten sollte. War Vedius etwa aus dem Rennen? Hatte
Carisius für seinen Klienten Titus seine Kontakte spielen lassen? Aber wie war
das möglich? Vedius besaß viel näheren und unmittelbaren Kontakt zum
Kaiserhaus. Schließlich war sein Vater ein Freund des Erhabenen persönlich! Und
warum war Titus dann so sauer? Hatte man ihn über Nasos Verhältnis zu Corinna
aufgeklärt? Musste er nun um sein Leben fürchten?
Titus
verschränkte wieder seine Arme und blickte sauertöpfisch umher.
Naso und
Corinna sahen sich zärtlich an.
Sie nickte.
Er auch.
Dann nahmen sie
sich gleichzeitig bei der Hand. Sollte es ihr Schicksal sein, nun bestraft zu
werden, dann wollten sie dies gemeinsam erdulden.
Titus
betrachtete das Pärchen, als könne er alleine durch seine Blicke töten.
Carisius schien
unruhig zu werden. Er legte sich seinen Mantel selbst um.
„So. Es ist
Zeit.“
Ein Schauer
lief Naso über den Rücken, doch es gelang ihm, stolz und aufrecht zu bleiben.
Liebevoll nahm er Corinna in den Arm.
Titus
schüttelte den Kopf.
„Dann hole ihn
schon her, Deinen Brutus“, sagte Naso gelassen. „Wir sind bereit.“
Doch anstelle
einer Antwort stieß Titus nur geräuschvoll Luft aus und nahm ebenfalls seinen
Mantel.
„Ich hätte es
merken müssen!“, murmelte er.
Er schüttelte
noch einmal den Kopf, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand ohne
weiteres Wort.
Carisius nahm
galant Corinnas Hand und verabschiedete sich formvollendet.
„Lebe wohl,
Teuerste. Ich hoffe ich sehe euch beide bald wieder – auch wenn ihr mir viel
Zeit und Nerven gekostet habt. Nein, Nerven nicht… Nerven eher dem armen
Titus.“
Corinna kniff
die Augenbrauen zusammen.
„Ich verstehe
nicht ganz, Patronus…“
„Macht nichts.
Dafür gibt es einen Besseren. Wenn er das selbst machen will - wer bin ich
einem solchen Mann im Wege zu stehen... Valete!“
Auf einmal
wirkte das kleine Triklinium wie leergefegt.
Sklaven
schienen die Herrschaften nicht mitgebracht zu haben und auch Nape war nirgends
zu entdecken.
Vorsichtig
traten sie hinaus ins Freie.
Vedius, Titus
und Carisius hatten den Garten bereits verlassen, doch die Gasse der Liktoren
stand immer noch unbeweglich an Ort und Stelle: Einer neben dem anderen standen
sie vom Garten bis zur weißen Sänfte und hielten ihre Rutenbündel auf den Boden
gestützt.
Verständnislos
starrte Naso sie an, Corinna noch immer im Arm.
Syrus schlich
an Corinna heran und deutete zaghaft mit einem Finger nach oben, während er das
Gesicht ängstlich abwandte.
„Da oben,“ flüsterte
er, „in deinem Schlafgemach, Herrin!“
Vor Corinnas
Schlafgemach stand Nape. Sie hielt einen Krug Wein, bereit sofort
nachzuschenken.
Schüchtern
nickte sie Corinna und Naso zu.
Auf dem Bett
nebenan lag ein Mann, den Kopf angelehnt. Er las in einer Schriftrolle. Andere
Rollen und Täfelchen lagen um ihn herum. In seiner Linken hielt er ein
Weinglas, aus dem er hin und wieder nippte.
Sonst war
niemand im Raum – kein Leibwächter und auch kein Sklave.
Naso schätzte
den Mann auf Mitte Vierzig, kräftig und gut in Form. Er trug eine simple Tunika
aus einfachem Stoff, keine Goldfäden und auch kein Purpursaum. Seine Frisur war
etwas aus der Fassung geraten, vermutlich ein ehemaliger Militärschnitt mit
leichtem Anklang an den Erhabenen: Er trug drei Strähnen als Gabeln in die
Stirn gekämmt. Nichts deutete auf Macht oder Reichtum hin. Nur der goldene
Siegelring um den Finger verwies auf den senatorischen Stand hin.
Seine
willensstarken Augenbrauen über den tiefen Höhlen waren immer noch ganz auf die
Schriftrolle geheftet. Die Nase war relativ dünn und verlief schnurgerade nach
unten. Richtig geprügelt dürfte er sich nur selten haben. Seine Lippen waren
nicht besonders breit aber voll und gaben ein amüsiertes Lächeln preis.
Irgendwoher
kannte Naso den Kerl, wusste aber nicht mehr genau, wo er dieses Gesicht
einordnen sollte.
„Du liest
Sappho?“, brach Corinna das Schweigen.
Der Mann sah
hinter dem Papyrus kurz auf.
„Das verwundert
dich? Das tut es wirklich, tut es nicht?“
Er legte den
Band zur Seite und wedelte mürrisch mit einem von Nasos Schreibtäfelchen.
„Eine
ausgezeichnete Dichterin, keine Frage, in ansprechender Ausgabe... dein Freund
hier ist mir ein wenig zu provokant und Gallus…“ Er fuhr sich finster mit dem
Daumen über die Kehle.
Naso schluckte.
Der Mann zog
eine Augenbraue nach oben.
„Hat Gaius etwa
nicht die große damnatio memoriae
verhängt? Hat er doch, hat er nicht?“
„Hat er! Hat
er!“, krächzte Loquax.
„Ein kluger
Vogel. Bist du doch, bist du nicht?“
Er stellte das
Weinglas ab und trat vor, um den Papagei zu streicheln. Doch Loquax hakte mit
seinem Schnabel nach ihm.
„Nur ein wenig
zu bissig. Ganz wie seine Herrin – oder die Anspielungen ihres … amator auf meinen lieben Freund.“
Er setzte sich
wieder.
Naso zog die
Stirn in Falten. Corinna drückte fest seine Hand.
„Jedenfalls…“,
fuhr der Mann fort, „sollte doch nirgends mehr auch nur der Name vorhanden
sein, geschweige denn seine Bücher. Der gute alte Gallus…“
Naso und
Corinna schwiegen.
Der Mann sprach
tatsächlich vom Erhabenen, von Gaius Julius Caesar Augustus, und nannte ihn
schlicht ʺGaiusʺ oder ʺseinen lieben Freundʺ.
Siedend heiß
lief es Naso über den Rücken.
Er hatte den
Mann wiedererkannt.
Es war niemand
geringerer als Agrippa - Marcus Vipsanius Agrippa!
Der große
Spender, Verwalter, Bauherr, Stadtverschönerer, Erneuerer der Wasserversorgung
und Bezwinger der Kantabrer.
Der designierte
Nachfolger des Erhabenen, dessen Tochter er zur Frau genommen und von der er
gerade eine Tochter bekommen hatte – und einen Sohn, Gaius Caesar, der gleich
nach seiner Geburt vom Erhabenen persönlich adoptiert worden war.
Der Inhaber
sämtlicher Amtsgewalt –unbefristetes imperium
für das gesamte Reich. Daher also die Liktoren…
„Entschuldige,“
murmelte Corinna blass, „daran habe ich nicht gedacht. Gib mir die Bände, ich
lasse sie gleich beseitigen.“
Corinna
streckte die Hand aus, doch Agrippa zog die Bücher zurück.
„Nein, zu spät.
Ist es auch besser so? Ja, ist es. Ich habe wirklich schon geglaubt, ich werde
ihn nie wieder lesen können. Habe ich wirklich, habe ich nicht? Wusstet ihr
übrigens, dass wir Freunde waren? Ja, waren wir. Nicht so gute wie Gaius und
ich, aber immerhin…“
„Marcus
Vipsanius, ich will nicht neugierig sein, aber darf ich auch eine Frage
stellen?“
Agrippa kniff
die Auen zusammen, dann winkte er Corinna und Naso zu sich auf die Bettliege
heran.
„Nur zu!“
„Was machst du
in meinem Schlafgemach – verzeih, ich meinte, in dem Zimmer einer einfachen…“
Agrippa zog
erst eine Augenbraue nach oben, dann beide zusammen.
„Beklagt ihr
etwa einen Bruch der Etikette?“
Er erhob sich
und verschränkte die Arme.
„Ihr habt mich
reichlich warten lassen!“, begann er wie eine Strafpredigt gegenüber Kindern.
„Verfügt dieses Haus über eine Bibliothek? Nein, tut es nicht. Brauche ich
Hilfe, um mich an den Kantabrerkrieg und meine Unteroffiziere zu erinnern?
Nein, brauche ich nicht. Weder Titus noch Carisius sind auf die Dauer wirklich…
anregende Gesprächspartner. Vedius vielleicht, aber der ist mir noch etwas zu
grün hinter den Ohren. Sich so Hals über Kopf an eine… Dame zu stürzen, die nicht
seiner Position entspricht. So ist es doch, ist es nicht?“
Dann setzte er
sich wieder.
„Verzeih,
Marcus Vipsanius, woher sollten wir wissen, dass du persönlich…“, begann
Corinna, doch Agrippa winkte ab.
Er setzte eine
undurchdringliche Miene auf.
„Kommen wir zur
Sache. Ich habe hier schon viel zu viel Zeit verloren – obwohl deine kleine
Sammlung nicht uninteressant ist. Du hast Geschmack, hast du, hast du nicht?“
Corinna
errötete und senkte schüchtern das Haupt.
„Nun… bis auf
die Auswahl deines… amators vielleicht.“,
fuhr Agrippa ungerührt fort.
Naso versuchte
zu erkennen, ob Agrippa verärgert oder eher amüsiert war, drang aber nicht
durch Agrippas beherrschtes Mienenspiel.
„Im Ernst, was
du da schreibst kann ich nicht gutheißen!“, donnerte er auf einmal.
„Bin ich von
deinen Versen beeindruckt? Ja, bin ich. Deine Distichen fließen wie keine
anderen, das steht außer Frage. Darf mich der Inhalt erfreuen? Nein. Er wandelt
auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Unverschämtheit!“
„Habe ich denn
das Haus der Julier oder Agrippae angegriffen, edler Marcus Vipsanius?“
Agrippa presste
unwirsch die Lippen aufeinander.
„Schon dein
erstes Gedicht ist in gleichem Maße originell wie verstörend. Passt es zu den mores maiorum? Nichts könnte
gegensätzlicher sein. Kann man es für staatstragende Literatur halten, wie sie
gerade gern gesehen ist? Wohl kaum. Bereits dein zweites Gedicht könnte man
fast schon als Kritik an der Genehmigung von Triumphzügen – oder gar als
Angriff auf meine Familie und meinen Freund deuten!“
„Aber es geht
doch nur um Liebe – wenn auch scherzhaft, das gebe ich zu…“
„…und in der
Tradition des guten Gallus. Und überhaupt: Liebe als Lebensinhalt? Ruhm im
Schlafgemacht anstatt im Felde? Wo sollen wir denn da hinkommen, beim Jupiter!
Wenn das später einmal meine Kinder lesen, wer weiß, ob sie noch ihre
zugedachte Rolle erfüllen wollen! Gaius soll ein Vorbild für Roms Männer sein,
staubige Beute im Krieg jagen, solange sein Alter das hergibt! Er soll eine
gute juristische Ausbildung bekommen, sich an ellenlangen Reden erfreuen
können, auf dem Forum zuhören und das ganze Programm. Schließlich geht darum,
den Ruhm Roms zu erhalten, nein zu vergrößern!“
„Hat Homeros
nicht auch ein ganz Kleinwenig Ruhm erreicht?“
Agrippa hielt
an seiner Miene fest, doch war Naso so, als müsse er um Beherrschung kämpfen.
„Bin ich
überrascht von deiner Unverschämtheit? Nein. Ich kenne ja deine Gedichte. Du
scheinst überhaupt nie etwas ernst zu nehmen, nicht einmal meine Anwesenheit
heute.“
„Du kennst
meine Dichtung? Und du hast genug Vergnügen daran gefunden, um weiter darin zu
lesen? Dem großen Agrippa gefallen meine Verse…?“
Agrippa stand
mit einem Ruck auf und starrte Naso in die Augen.
Er war einiges
größer und muskulöser. Seine Erscheinung strahlte natürliche Autorität aus - und
die Gewohnheit, sich gegenüber durchzusetzen.
Dennoch hielt
Naso Agrippas Blick stand.
„Du hast weiter
darin gelesen… und willst sie dennoch dem Erhabenen zur Zensur empfehlen?“
Agrippa wandte
seinen Blick als erster ab.
[…]
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