Aus
heutiger Sicht ist es vorstellbar, dass die bedeutenden Leistungen und der
Einsatz der römischen Bundesgenossen und Hilfstruppen, die ja auf Seiten der
Römer für die eigene, für die „gerechte Sache“ eintreten, besonders gewürdigt
werden, um zur Nachahmung zu motivieren. Dazu ist die römische Gesellschaft jedoch nicht bereit.
Politik
und Leistungseinschätzung:
Perspektivische Kampffähigkeit
Wer
in Schlachtenberichten nicht groß erwähnt wird, war auch nicht besonders
effektiv, könnte man meinen. Doch stellen gerade die fremdländischen Truppen die
effektivsten Spezial- und Kommando-Einheiten: Angefangen bei der Hilfstruppen-Reiter
die in der neueren Forschung als Elite-Einheit gelten, setzt sich auch bei den
Fußtruppen der Auxiliaren mehr und mehr die Anerkennung ihrer Effektivität durch,
z.B. als Einheiten für spezielles Terrain, ungünstiges Gelände für schwerbewaffnete
römische Legionäre (→ Gerlinger 2008, S. 292).
Diese
Einsicht in die Leistungsfähigkeit römischer Hilfstruppen wird jedoch kaum von
den erhaltenen Texten der römischen Zeitgenossen geteilt; ganz im Gegenteil
führen sowohl die latinischen wie auch alle anderen Bundesgenossen und die
peregrinen Hilfstruppen literarisch meist ein Schattendasein in römischen
Kampfbeschreibungen: Selbst wenn ein Sieg historisch im Wesentlichen den
Hilfstruppen zu verdanken ist, müssen sie sich literarisch häufig mit einer
Statistenrolle begnügen, während die Legionäre im Mittelpunkt des Geschehens
stehen. Diese Darstellungsart erfahren vor dem Bundesgenossenkrieg noch die
Latiner, die Auxiliaren insgesamt jedoch bis in die Kaiserzeit. (→ Gerlinger 2008, S. 292-293, wie auch im Folgenden ebd., ff.).
Wenn
man diese „Ausländer“ so gerne als Leistungsträger im Heer einsetzt, warum
bekommen sie keine Anerkennung? Nun, die Römer sind ein stolzes Volk.
Verzichten will niemand auf peregrine Kämpfer, aber ihre gesellschaftliche
Stellung in Rom ist geringer: Sie erhalten weniger Sold gegenüber den römischen
Legionären und müssen am Lagerrand campieren. Geschätzt werden sie dennoch von
den hohen Offizieren: Sowohl Scipio als auch Pompeius und Caesar umgeben sich
als Leibwache mit Elitekämpfern fremdländischer Herkunft. Es herrscht ein
beträchtlicher Unterschied zwischen der tatsächlichen Anerkennung der
Leistungsfähigkeit der Auxiliaren durch historische Persönlichkeiten, die
selbst gerne auf fremde Völker zurückgreifen, und der Wirkung auf das römische
Wahlvolk, die eine literarische Hervorhebung der Hilfstruppen verursacht.
Bei
Caesar kann man dies besonders gut beobachten: Als Feldherr greift er sehr
stark auf fremde Truppen zurück, stellt als erster eine ganze römische Legion
aus Fremdländern auf (legio V alaudae) und ist unter anderen sogar mit einem Bankier
punisch-hispanischer Herkunft befreundet, dem er seine Geschäfte anvertraut.
Als Autor jedoch distanziert er sich stets von allen „unzuverlässigen
Fremdländern“, gibt niemals die genaue Stärke seiner eigenen Hilfstruppen an,
sondern lässt sie mitsamt Leistungen und Leistungsfähigkeit so weit wie möglich
unerwähnt. Ganz „politischer Autor“ wirft Caesar dagegen seinem Gegner Pompeius
die Fülle der Hilfstruppen vor, hierbei sogar möglichst oft mit genauen Zahlenangaben.
Die Leistungen der fremden Völker werden dann im Kontrast zu den Römern der
gegnerischen Seite überraschend positiv hervorgehoben. Außerdem legt Caesar großen
Wert darauf, das Ausländertum seiner Gegner im Bürgerkrieg zu betonen. So äußerst
sich Caesar z.B. äußerst negativ über die Barbarenansammlung bei seinen
Gegnern, wie bei Afranius und Petreius, denen er vorwirft, alle Arten Hispanier
und allerlei Barbaren in ihren Truppen zu beherbergen (→
Caes.civ.1,38,3
).
Im
Gegensatz dazu erscheinen römische Hilfstruppen in nicht-römischen Quellen viel
positiver und in sehr viel größerem Umfang. Wer wie z.B. Flavius Josephus für
ein nicht-römisches Publikum schreibt, der widmet sich textlich weitaus stärker
und positiver den peregrinen Truppen, als es einem Stadtrömer mit vorwiegend
lateinischem Publikum möglich ist. Entscheidend ist also der Standpunkt des
Autors und seines Zielpublikums. Auch schon bei den Griechen gelangen
gesellschaftliche und politische Ansichten in die Darstellung von Schlachten
und verhindern ein klares repräsentatives Bild der Rolle und Effizienz
verschiedener Einheiten. Wer vom Zielpublikum nicht hoch geschätzt wird,
erfährt auch keine Anerkennung, nicht einmal niedere Volksschichten und
Peregrine der Schiffsbesatzungen bei den Seeschlachten der Athener gegen die Perser
bei Historikern der Athener Oberschicht: Die adligen Schwerbewaffneten werden
dem Athener Adel als schlachtenentscheidend bei der Seeschlacht von Salamis
präsentiert, dass sie die gestrandeten Perser auf der Insel entscheidend zur
Strecke gebracht hätten – natürlich nicht der Pöbel auf den Schiffen…
Auch
in Rom gibt es starke Vorurteile gegenüber Neubürgern und Peregrinen, sowohl in
der Ober- als auch der Unterschicht, die man als ehrgeiziger Autor auch bedient, wenn man nicht potentielle Wähler oder zumindest Leser verschrecken
will. Auch vor ungerechtfertigten Prozessen schrecken Politiker nicht zurück, wie
beim Versuch, 56 v. Chr. dem ehemaligen Provinzialen Cornelius Balbus das
römische Bürgerrecht abzusprechen. Die Römer sind dermaßen chauvinistisch,
dass noch unter Claudius 48 n. Chr. der Versuch zur Integration der
provinzialen Eliten mit Hilfe des ius honorum auf heftigen Missmut
stößt, der Kaiser dafür erheblichen Druck und rhetorisches Können aufbieten
muss und man ihm noch nach seinem Tod wegen der Bürgerrechtsverleihungen grollt.
Auch schon bei Caesars Bürgerrechtsverleihung 49 v. Chr. an Oberitalien
jenseits des Po fühlt man sich in Rom nicht nur zu kritischen Spottgesängen
herausgefordert: Nach Caesars Aufnahme hauptsächlich südlich der Alpen
stammender, längst romanisierter und bereits seit 90 v. Chr. mit
latinischem Bürgerrecht ausgestatteter „Gallier“ in den Senat wird
ein Plakat mit der Bekanntmachung angeschlagen: „Von Amts wegen! Dass ja
niemand einem neuen Senator den Weg zum Sitzungsgebäude zeigen will!“ (→ vgl.
Suet.Iul.80,2)
.
Politische
Integrationsbemühungen kommen in Rom nicht gut an. So lassen römische Autoren in
ihrer Geschichtsschreibung ausländische Hilfstruppen nur selten positiv im
Rampenlicht agieren.
Hilfstruppen
erscheinen bei Caesar, Sallust und Tacitus zumeist weniger wertvoll, von
minderer Kampffähigkeit, nicht kampfentscheidend erwähnt oder ohne eigene
Initiativfähigkeit; um diese Wirkung zu erreichen wird auch perspektivisch
verzerrt oder einfach ausgelassen. Die Römer selbst rücken dadurch stärker in
den Mittelpunkt, erscheinen als tapferere, bessere und heldenhaftere Akteure;
damit kann man nicht nur literarische Kontraste erzielen, sondern auch eine
offizielle gesellschaftspolitische Haltung oder, wie bei Caesar, eine direkte
politische Absicht transportieren (→ Gerlinger 2008, S. 320).
Aus der Reihe mos et miles
geht es hier↓ zu
I. tiro – Rekrutenausbildung
im römischen Militär
II.
maximis itineribus - Auf dem Marsch
III.
fossa, agger
et vallum - Lagerbau
IV.
proelium – Die römische Armee im Gefecht
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naves longae – Antiker Seekrieg
VI.
peregrini: Leistung & Anerkennung von Nichtrömern im römischen Heer
VII.
Germanen im römischen Heer - erschreckend effektiv
IIX.
cohortes: Taktische Einheiten der römischen Legion
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obsidio: Belagerungen in der Antike
X. machinae: Belagerungsgerät der
römischen Armee
XI. caedes: Soldaten nach der Schlacht
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