Hier folgt ein Auszug aus
dem fünften Kapitel (aus dem zweiten Band gibt es bisher Ausschnitte zum
ersten, zweiten, dritten und vierten Kapitel). Anregungen und Kommentare sind
wie immer erwünscht!
Kapitel V: Kleinste Teilchen
Nur ein weiterer von den
vielen Möchtegernpolitikern, die sich von den Wahlkampfkosten in den Ruin
treiben lassen.“ „Aber Vater, er ist doch wohl kaum irgendein gewöhnlicher
Politiker!“ Quintus nahm eine gefüllte Olive aus der Schale und drehte sie
zwischen Daumen und Zeigefinger. „Nur weil er ein Sergius ist? In letzter Zeit
ist Rom geradezu voll davon: Ehrgeizige Burschen aus guten Familien, die ihren
Ruf und ihr Vermögen verspielt haben…“ Gaius errötete leicht, während Quintus
die Olive wieder in die Schale zurück warf, „... ein Sergius zwar, ein
Patrizier, aber doch nur einer unter vielen, nur eine Art kleinstes Teilchen
eines viel größeren Problems.
Lucius Sergius Catilina – es würde mich schon
sehr wundern, wenn man von ihm noch einmal etwas hören würde.“ Quintus lehnte
sich zurück und warf sich genüsslich ein Fischhäppchen in den Mund. „Außer von
seinem bevorstehenden Bankrott – vielleicht auch von seinem Rauswurf aus dem
Senat, wenn einer der censores sich genauer seine Schulden ansieht,
natürlich. Hm!… wirklich gut, diese Häppchen. Wobei Catilinas unsittlicher
Lebenslauf allein dafür schon voll und ganz ausreichen sollte… Hm! In der Tat,
eine gute Idee, Medea mitzunehmen, sie bringt den Köchen hier immer neue Dinge
bei: Bei diesen Pastetchen sieht man kaum noch, dass es Fisch ist - viel
raffinierter als an der cratera üblich. Die Köche hier denken wohl, wo
der Fisch immer frisch ist, braucht man ihn nicht zu verstecken“.
Quintus und Gaius Fabius Sanga waren gemeinsam aus Rom
eingetroffen. So wie Gaius gerade zu seinem Vater hinübersah, zweifelte Rufus
aber daran, dass er sich voller Überzeugung wieder der patria potestas
des Quintus unterworfen hatte. Vielleicht war der Wille der Familie, den
Quintus verkörperte, für einen Römer doch Verpflichtung genug. Andererseits war
die Villa der Fabier durchaus eine Versöhnung wert. Die Römer wussten schon,
wie man sich das Leben angenehm machte: Hier draußen auf der Terrasse konnte
man zugleich das köstliche Mahl und die herrliche Aussicht auf den Golf von
Baiae genießen. Zwischen dem Kap der Minerva und der Insel Capri bis nach
Puteoli wimmelte es von gleißend weißen Segeln, wie in einer verstopften Straße
– nur ungemein lieblicher. Ein Sonnensegel über den Speisesofas und eine sanfte
Brise ließen den Sommertag in seinem besten Licht erscheinen.
Selbst Larcia wirkte rundum zufrieden. „Dann sind die
Wahlen endlich vorüber. Ich hoffe doch, dass du dich mit großem Gefolge auf dem
Marsfeld gezeigt hast, so dass man sehen konnte, dass du da warst? Haben unsere
Klienten alle so gestimmt, wie angewiesen?“ Quintus streckte den Arm aus und
ließ sich Wein nachschenken. „Kein Sorge, meine Liebe. Wir haben unseren amici
die Zuverlässigkeit der Fabii Sangae gezeigt. Eine Partnerschaft mit den
Fabiern lohnt sich und das wissen auch alle. So war es schon seit Beginn der
Republik und so wird es auch immer sein.“ Gaius zog eine Augenbraue nach oben.
„Gut, dass unsere Vorfahren mit die Ersten waren, die ihre Hintern in die
Elfenbeinstühle drückten, nachdem sie die Könige davon herunter gejagt haben…“ Nach
einer kurzen Pause sah er Quintus mit gespielter Überraschung an: „Aber sage
einmal, werter Vater, dein Hintern drückt bislang keinen wichtigen Stuhl. Warum
strebst du nicht nach einer sella curulis eines Prätors oder gar eines
Konsuls, wie Onkel Maximus?“
Quintus zog seine Augenbrauen zusammen. „Maximus, der
alte Angeber? Der ist doch bisher auch nicht viel weiter gekommen als ich…
außerdem ist so eine Wahl nichts für mich, viel zu viel Trubel. Auch wenn außer
ein paar kleineren Schlägereien nicht viel passiert ist, diesmal hätte es auch
ein echtes Blutbad geben können!“ Larcia erbleichte. Fabiulla bekam große
Augen: „War es so schlimm, Papa? Erzähl!“ Quintus richtete sich auf. „Na, dann
pass mal auf:“ Offensichtlich war Quintus noch immer in besonders guter
Stimmung. „Das Marsfeld starrte vor Männern, alles gedrängt voll, wie in
Amphoren eingelegte Fische. Eine turbulente Wahl, gar keine Frage“, ließ
Quintus den Wein in seinem Glas kreisen, „die Absperrungen halten kaum die
Wogen der Menschen, die wie Wellen hin und her gedrückt werden. Jenseits des
Tiber wird die rote Fahne über dem Ianiculum gehisst: Kontrolle und die
Verteidigung der Stadt sind sicher, die Volksversammlung wird wählen. Liktoren
schieben rüde eine Gasse durch die Menge frei, in militärischem Schritt
erscheint eine regelrechte Schutztruppe aus wichtigen Senatoren und Ciceros
Klienten und in ihrer Mitte… der Konsul selbst, für alle sichtbar und in
gleißender Rüstung! Unruhen und ein Attentat auf seine Person stehen bevor, so
der Konsul…“ Larcia fasste sich an die Brust. „Reg Mutter doch nicht so auf!“,
unterbrach Gaius. „Trotz Ciceros Propaganda ist einfach gar nichts passiert. So
ein Weichling, traut sich nur in Rüstung zur Wahl und dann noch umringt von
hunderten Anhängern und Parteifreunden.“ „Gaius, du sprichst von einem Freund
unseres Hauses!“ Gaius grunzte verächtlich, dann senkte er versöhnlich das
Haupt. „Wird nicht wieder vorkommen...“
„Aber wie ist die Wahl denn nun ausgegangen?“, rief
Fabiulla ungeduldig. „Bestens: Die Altherrenriege um Catulus und Isauricus hat
genügend Mittel und Allianzen der Patrizier für Silanus zusammengebracht. Die
Veteranen des Lucullus haben den Anhängern Catilinas Paroli bieten können und
jedermann zugleich daran erinnert, wie Murena beim Triumphzug als General in
Szene gesetzt worden ist.“ Fabia, Fabiulla und Rufus hatten schon die ganze
Zeit gespannt zugehört, während Lucius träumerisch in die Ferne sah. Sicher
dachte er schon wieder an seine Gedichte. „Lucius! Willst du nicht auch wissen,
wer die Wahl gewonnen hat?“ „Hm, wie? Doch schon Vater, erzähle!“ Verärgert
nahm Quintus einen tiefen Schluck. „Auch wenn ich selbst keine große politische
Karriere in Angriff nehme – jeder Römer sollte zumindest über Politik Bescheid
wissen! Was ist schon ein Handelsunternehmer ohne Kontakte?“ Lucius senkte ein
wenig schuldbewusst den Kopf. „Gut. Lucullus hat also seinen Schützling
durchgedrückt. Die Konsuln für das nächste Jahr heißen Decimus Iunius Silanus
und Lucius Licinius Murena. Ich habe unserem guten Geschäftspartner Murena
natürlich sofort gratuliert, schließlich hat uns die alte Muräne voriges Jahr
zu ein paar satten Gewinnen verholfen, als er noch Statthalter der Gallia
Narbonensis war.
„Du hast doch nicht vergessen, Silanus zu gratulieren und
Grüße an Servilia und ihre Töchter ausrichten lassen? Du weißt doch, wie gut
wir befreundet sind.“ „Aber selbstverständlich, Glückwünsche an den alten
Bücherwurm selbst, an seine Frau und auch an alle drei Töchter - wo denkst du
hin? An guten Verhältnisse zu Servilia und zu ihrem Halbbruder ist mir immer
gelegen. Wenn sich der Sturkopf Cato nur besser waschen und kleiden würde… auf
seinen Namen achten und aus ihm eine Marke machen, schön und gut, aber die Porcii
Catones übertreiben…“ Dann wechselte Quintus‘ Gesichtsausdruck von
gespieltem Ekel zu einem schelmisches Grinsen: „Es scheint, als ob sich
zumindest seine Schwester Servilia in letzter Zeit besonders gut kleidet. Wie
man sagt, war sie ohne deine Gesellschaft und während dem Wahlkampf ihres
Mannes ein wenig… sagen wir… »gelangweilt«.“ Larcia errötete. „Wie meinst du
das, Gatte?“ „Nun, ich hörte da so ein Gerücht. Anscheinend findet Servilia den
charmanten Gaius Julius recht »interessant«.“ Fabiullas Augen begannen zu
leuchten: „Den mit den Piraten? Den findet doch jeder interessant, Männer wie
Frauen!“ „Nun ja, es hat ganz den Anschein.“ Gaius prustete vor Lachen in sein
Weinglas. Nun wurde auch Quintus rot.
„Was ist? Was habt ihr denn?“, wollte Fabiulla wissen.
„Nichts. Gaius, hör sofort auf zu lachen! Wenn ihr schon unbedingt etwas über
Caesar hören wollt… Gaius! Jetzt reicht es aber wirklich! Also, das wahrlich
Interessante über Caesar: Er ist oberster Priester geworden! Was für ein
Karrieresprung für einen nahezu Unbekannten: Ein atemberaubender Wahlsieg zum
Pontifex Maximus und das ausgerechnet gegen seinen Intimfeind Catulus!“ „Wie
bitte?“ Larcia verengte ihre Augen zu Schlitzen. „Bei Iuno! Dieses Amt ist seit
Gründung der Republik nur verdienten consulares vorbehalten, wie dem
altehrwürdigen Catulus oder meinetwegen auch dem großen General Isauricus!
Haben denn beide ehemaligen Konsuln ihre Kandidatur zurückgezogen?“ „Das nicht,
aber der Aufwand der konservativen Patrizier war beträchtlich: Catilina zu
verhindern war wichtiger. An die Wahl zum Pontifex Maximus hat kaum mehr einer
gedacht, außerdem wurde die Wählerschaft aus fünfunddreißig der Wahlbezirke der
tribus ausgelost. Was für ein genialer Trick: Als Gaius Julius
vorschlug, das Volk entscheiden zu lassen, dachte niemand daran, dass er sich
danach selbst bewerben wird! Jeder war der Meinung, er wolle nur den Streit
zwischen Catulus und Isauricus um das Amt entschärfen. Immer mehr Plebejer
bekundeten dann ihre Sympathien für Caesar: Catulus wollte sich auf keinen Fall
von Caesar blamieren lassen – ausgerechnet von seinem jungen Rivalen von den
Popularen. Er hat Caesar viel Geld geboten, wenn er zurückzieht. Caesar hat den
Bestechungsversuch mitschreiben lassen und öffentlich gemacht: Von da an waren
auch diejenigen für ihn, die noch nicht bestochen waren… Nun, wenigstens ist
mit diesem Amt keine politische Macht verbunden.“ Larcia sprang auf. „Das
oberste Priesteramt, die Aufsicht über alle Priesterkollegien und die
Vestalinnen? Keine politische Macht? Denk doch nur an all den Einfluss! Für
Caesar scheint dagegen irgendjemand Geld übrig gehabt zu haben!“, ereiferte
sich Larcia.
Quintus legte beruhigend den Arm um seine Frau. „Du hast
natürlich vollkommen recht, Liebes. Aber ich kann dich beruhigen: Gaius Julius
wird nicht viel von diesem Einfluss nutzen können. Ich habe mit mehreren
Geldverleihern gesprochen, wenn er nicht bald zahlt, werden sie ihn daran
hindern, nach Ablauf seiner Prätur in die Provinz zu ziehen. Vermutlich wird er
Rom nie wieder verlassen können und damit auch keine Gelegenheit haben, das
Geld jemals wieder reinzuholen… Die Geldverleiher haben sich zusammen getan -
Catulus hat alle seine Geschäftsfreunde mobilisiert … und ein wenig
nachgeholfen: Sie verlangen nun eine extrem hohe Bürgschaft. Balbus hat mir
verraten, dass sie die genaue Summe noch aushandeln müssen.“ Rufus stupste
Lucius in die Seite: „Balbus?“ „Balbus führt eine der reichsten Banken“,
flüsterte Lucius zurück. „Beim Iupitter! Wie viel Schulden hat Caesar denn
aufgehäuft?“ „Genau weiß das niemand. Nur so viel, als Kaution werden nicht
einmal achthundert Talente in Gold ausreichen!“ Gaius pfiff durch die Zähne.
„Beim Merkur! Über vierundzwanzig Millionen Sesterzen? Nicht schlecht!“ „In der
Tat! Immerhin ein Zehntel der gesamten Einnahmen der Republik aus allen
Provinzen des Reiches! Jedenfalls nach Balbus‘ Rechnung.“
„Wie hat er es nur geschafft, dermaßen viel Geld
aufzutreiben, obwohl er chronisch pleite ist?“, fragte Fabia nachdenklich.
Quintus nahm sich einen Apfel. Er war inzwischen beim Nachtisch angekommen.
„Wenn ich das wüsste… Lucullus hat all seine Mittel bereits für Murena
eingesetzt… wer hat noch so viel Geld? Entweder Crassus oder Pompeius muss ihn
unterstützt haben. Bei den exorbitanten Bestechungssummen würde ich ja sagen
»beide«, wenn sie sich nicht gegenseitig so spinnefeind wären. Fortuna sei
Dank, so viel Macht und Geld wären eine ziemliche Gefahr für die Republik.“ Mit
einem zufriedenen Seufzer lehnte sich Larcia wieder zurück: „So ist es. Ich bin
nur froh, dass Catilina jetzt endgültig erledigt ist.“ „Ganz recht, meine
Liebe. Drei gescheiterte Wahlkämpfe um das Konsulat sind mindestens zwei zu
viel: Vor drei Jahren, als er wegen seines Prozesses nicht teilnehmen durfte,
vor zwei Jahren – immer noch wegen des Prozesses um seine Statthalterschaft in
Africa, letztes Jahr das Aus gegen Cicero und Hybrida und dieses Mal schon
wieder nichts... alle Kosten für nichts und wieder nichts. Noch so jemand, der
nie wieder von seinen Schulden loskommen wird.“ Gaius grinste säuerlich:
„Wobei, bisher ist er noch immer irgendwie zu Geld gekommen, zumindest an
Geschenke für seine Freunde…“ „Gaius, sag mir nicht, dass du dir auch von
Catilina Geld geliehen hast, wie die anderen jungen Taugenichtse, die er um
sich schart!“ Gaius erhob feierlich sein Glas: „Natürlich Vater, du hast
vollkommen Recht – wie immer. So wenig, wie Catilina in der Politik noch einmal
von sich hören lassen wird, so wenig habe ich von ihm etwas angenommen!“ Larcia
atmete sichtlich auf. Die Eltern waren erleichtert. Doch Rufus schien es, als
spielte ein mehr finsteres als aufrichtiges Lächeln um Gaius‘ Mundwinkel.
[…]
Nach dem Mittagessen hatte Crispus seinen Schülern schon
wieder eine ähnliche Frage mitgegeben: »Was ist es, was die Welt zusammenhält?«
Und »wie weit kann man das teilen?« Komische Fragen, wie üblich, seit er sie
mit der Philosophie konfrontierte. Diesmal hatte er überall auf dem gesamten
Anwesen Wachstäfelchen verteilt. Nur scharfes Nachdenken führte zum Standort
des nächsten. „Jetzt übertreibt er aber“, meinte Lucius, der keuchend die
Treppen zum Meer hinabstieg, um mit seinen Schwestern mitzuhalten. Fabiulla
kicherte. „Du solltest dich mehr bewegen! Immer nur Gedichte, kein Wunder, das
dir schnell die Puste ausgeht!“ „Wie viele Sandkörner liegen am Strand…“,
zitierte Rufus die Nachricht auf dem Wachstäfelchen, „wie viel Stück Wasser hat
das Meer… Was will Crispus uns damit sagen?“ „Das werden wir bald sehen“,
meinte Fabia. „Ich mag das Meer“, freute sich Fabia. „Los weiter! Ich möchte
jetzt wirklich wissen, was das Ganze soll.“
[…]
Crispus erwartete seine Schüler bereits in der Küche.
Neben einem dampfenden Kochtopf stand die Oberköchin Medea mit verschränkten
Armen und skeptischem Blick. „Wehe du machst mir etwas kaputt oder vergiftest
die Kinder!“ „Keine Angst, meine Liebe… hier, noch ein As, nur für dich.“
Medeas Blick wurde weicher. Schnell steckte sie die Münze ein. „Gut, aber
ausgerechnet ein Gemüse-Eintopf und das zwischen den Mahlzeiten? Als ob das
hier ein billiger Imbissstand wäre“, murmelte sie. Fabiulla hüpfte mit großen
Sprüngen zu ihrem Lehrer. „Da bist du! Lucius, komm schnell!“ Lucius schnaufte
heftig. „Magister Crispus, bei allem Respekt, aber … hättest du uns nicht in
der Bibliothek unterrichten können?“ Crispus zupfte sich mit einem Schmunzeln
am Bart. „Dann wärt ihr wohl kaum in Bewegung geraten.“ „Ist das denn nötig?“
„Wie sonst kann jemals etwas werden und entstehen, ohne Bewegung der Teilchen
im leeren Raum?“
Die Schüler sahen sich verdutzt an. Teilchen, leerer
Raum? War ihr Lehrer jetzt völlig übergeschnappt? Rufus schnupperte – nein,
nach Wein roch Crispus nicht. „Hier der Knoblauchstrang da. Woraus besteht
der?“ Lucius verschränkte die Arme. „Knoblauchknollen, was sonst?“ Crispus
rupfte eine Knolle heraus. „Und die kleinsten Teilchen?“ „Knoblauchzehen.“
„Wenn ich die jetzt bewege und vermenge, was kann man damit machen?“ „Moretum
–Kräuterklöße“, antwortete Rufus, der schon wieder Hunger bekam,
„Schweinebraten spicken, oder Fischpasteten, oder Gemüse, und was Medea sonst
noch alles zaubert. Du bist wirklich eine fantastische Köchen, Medea!“ Die
Oberköchin nahm das Kompliment lächelnd zur Kenntnis. „Gut“, grinste Crispus,
also kann man aus den kleinsten Teilchen des Knoblauchs ganz verschiedene
Sachen machen, je nachdem, mit welchen andern Teilchen man ihn verbindet?“ „Ich
denke schon.“ „Gilt das auch für die Erbsenschoten?“ „Auch damit kann man
verschiedene Gerichte zubereiten“, erwiderte Fabia. „Lass mich mal“, schrie Fabiulla,
ergriff eine Schote und riss sie auf: „Hier, die kleinsten Teilchen einer
Erbsenschote! Hm, lecker…Huch, die bewegen sich tatsächlich von selbst“,
kicherte sie, als ihr ein paar Erbsen herunterfielen und über den Tisch
kullerten.
Crispus ergriff eine Erbse und eine Knoblauchzehe und
hielt sie in die Höhe: „Die kleinsten Teilchen, habt ihr gesagt. Kann man die
nicht weiter Teilen?“ „Nein?“ Zur Antwort nahm Crispus ein großes Messer und
hieb beide entzwei. „Kann die beliebig weiter teilen? Versucht es selbst…hier,
wir haben ja noch mehr Gemüse…“ Immer kleiner hackten die Kinder Knoblauch
Erbsen und weiteres Gemüse, doch stets ließen sich immer noch feinere Stückchen
herstellen. Medea verdrehte die Augen. „Jetzt ist es nur noch Matsch“, bemerkte
Lucius schließlich.“ „Das bekomme ich noch kleiner“, rief Fabiulla und drosch
mit sichtlichem Vergnügen auf die Pampe vor ihr ein, „Pitsch! Patsch! Immer
kleiner, immer weiter, teilbar, schneidbar, matschbar - Hurra! He…“ Crispus
nahm ihr den Gemüsebrei weg und warf ihn in den Topf. „Jetzt ist es schon fast
so flüssig wie das Wasser im Kessel. Wenn die Welt aus kleinsten Teilchen
besteht, lassen die sich beliebig weiter teilen?“ „Ja, haben wir doch gerade
gemacht“, schrie Fabiulla.
Crispus ließ das Messer auf den Tisch krachen: „So? Und
wie erklärst du dir dann, dass Tisch und Messer nicht irgendwann genauso weich
werden und zerfließen wie Suppe?“ Fabia strich sich eine Haarsträhne aus dem
Gesicht. „Dann muss es kleinste Teilchen geben, die nicht weiter teilbar sind?
Das können dann aber nicht mehr die vier Elemente sein, geschweige denn eines
von ihnen!“ „Genau das hat sich auch Leukipp gedacht. Crispus ließ das Messer
fallen. „Der Philosoph Leukipp meint, dass es etwas Festes, Unveränderliches,
Ewiges geben muss, was nicht weiter teilbar ist - sonst würde unsere Welt
irgendwann einmal genauso weich werden wie Suppe und zusammenschmelzen. Für ihn
sind »Atome« die Urbausteine dieser Welt: Unsichtbar, untastbar, unfühlbar und
vor allem: „nicht-schneidbar – a-tomos“, wie wir Griechen sagen.“
„Ich habe aber noch nie ein »Atom« gesehen!“ „Hast du
heute schon einmal in einen Spiegel geschaut, Fabiulla? Alles voller Atome!“
Verblüfft starrte Fabiulla ihren Lehrer an. Crispus kicherte meckernd. „Aber in
einem hast du Recht: Die einzelnen Atome sind so winzig klein, dass man sie gar
nicht sehen kann: Sie bewegen sich unaufhörlich durch den leeren Raum, stoßen
zusammen, verbinden sich dadurch zu etwas Größerem, oder trennen sich wieder
und erzeugen so alles Werden und Vergehen. Sie sind für alle Veränderung
verantwortlich, die wir sehen können. Auch für dich und dein Spiegelbild.“ „Wie
können sich diese Atome denn zu so etwas Großem verbinden, wenn sie aneinander
stoßen? Wie bleiben sie aneinander haften? Und wieso gehen sie unterschiedliche
Verbindungen ein?“, fragte Rufus. „Darüber hat sich der Philosoph Demokrit
Gedanken gemacht. Er stellt sich die Oberfläche der Atome unterschiedlich vor,
je nach Sorte: als glatt, rau, rund, eckig, gekrümmt oder gebogen vor. Und ein
wenig so, als ob sie sie ganz bestimmte Arten von Haken und Ösen hätten. So
können sich manche Atome aneinander festhaken, andere nicht. Die Form der Atome
kann man nicht sehen, Demokrit kennt sich aber in der Mathematik sehr gut aus:
Da man fast alle Vorgänge in der Natur und im Lauf der Gestirne als
mathematische Formeln beschreiben kann, glaubt er, dass auch die kleinsten
Teilchen mit der Mathematik zu erfassen sind. Demokrit stellt sich die Atome
daher als regelmäßige geometrische Körper vor, wie Kugel, Zylinder, Pyramide
und Würfel. Je nachdem, welche Sorten sich auf welche Weise verflechten,
erscheinen die einen Verbindungen als Wasser, andere als Gemüse, als Pflanze
oder als Mensch. Die Atome sind in ständiger Bewegung, stoßen zusammen,
verursachen Seitenbewegungen und führen so zur Bildung des gesamten
Universums.“ Fabia blieb der Mund offen stehen „Und wer leitet diese ganzen
Bewegungen der Atome, dass Menschen, Pflanzen und Tiere entstehen? Die
unsterblichen Götter? Iuppiter oder Vulkan in seiner göttlichen Schmiede?“
„Nein, nicht wenn du die Atomisten frägst: Alles was sich im Weltall bewegt,
beruht nach ihrer Ansicht auf reinem Zufall oder schlicht auf der
Notwendigkeit, auf den Gesetzen der Natur…“
[…]
[Als die Kinder am Strand über die Philosophie des Demokrit nachdenken
und darüber, wie man allein durch Wissen zu innerer Gemütsruhe gelangen kann,
taucht Gaius bei ihnen auf. Er versucht Rufus zum Glücksspiel um Geld zu
provozieren, doch seine Geschwister greifen ein. Als neuer Wetteinsatz soll
Gaius erklären, warum er nicht bei Quintus‘ Freunden sondern bei Lentulus Crus in
die Lehre geht und was er mit Catilina zu schaffen hat. Doch Rufus verliert.
Gaius ist überrascht über Rufus‘ Schwimmkünste, übt verbissen mit und lobt ihn
aufrichtig. Sie kommen sich näher.]
Außer Balbus waren noch weitere Gäste geladen, darunter
der Architekt Sergius Orata und sogar Quintus Caecilius Metellus Creticus aus
dem Hause der Metelli. Bei diesen illustren Gästen fand das Abendessen als
traditionelle cena ohne Larcia und die Kinder statt. „Geschäfte und
Politik - Ihr würdet euch doch nur langweilen…“, tröstete sie Quintus. „Papa,
warum flucht denn Creticus dauernd über Pompeius?“, fragte Fabiulla. „Pst!
Sprich bloß nicht laut darüber, er würde sich sonst gleich wieder aufregen:
General im Triumphstau. Siehst du, warum ihr nicht mitdürft? So und jetzt muss
ich zu unseren Gästen“. Damit verabschiedete sich Quintus und ging zusammen mit
Gaius auf die Terrasse, während die Kinder das private Triclinium aufsuchten.
[Nach einer Weile stößt Gaius wütend zu den Kindern. Er kam mit Metellus
Creticus in Streit und verließ die Abendgesellschaft. Erhitzt fordert er Rufus
zum sportlichen Wettkampf auf und misst sich im Box- und Ringkampf, wo er sich
austoben kann. Rufus kennt die Regeln nicht und setzt ein paar regelwidrige
aber effiziente Tricks ein. Doch Gaius respektiert das mutige Auftreten des
Jüngeren. Rufus gewinnt die Achtung des Gaius.]
Nach einem kurzen Besuch im hauseigenen Bad liefen sie an
der Medusa und den anderen Statuen vorbei zu Gaius Zimmer im Ostflügel. „Wenn
du vor hast, mich dazu zu zwingen, unvermischten Wein zu trinken, mich mit den
berüchtigten Damenbekanntschaften zu amüsieren oder mit dir um Geld zu würfeln
- Lucius und Fabia haben mich eindringlich davor gewarnt!“ Gaius lachte
herzlich. „Seit wann muss man jemanden dazu zwingen, sich zu amüsieren? Aber
keine Angst, ich will nur sehen, ob du auch denken kannst wie ein Krieger. Es
gibt nicht nur das Mühle-Spiel, weißt du? Hast du schon einmal vom ludus
latrunculorum gehört?“ Rufus zuckte mit den Achseln. „Ich dachte,
Glücksspiele gehören sich nicht und wären in Rom verboten?“ Gaius lächelte ob
des Wortspiels. „Nett - aber nein, das ist ein Strategiespiel. Ganz hohe Kunst
– erlaubt und angesehen obendrein. Latrunculi ist ein Denksport für
Männer, es erfordert Intelligenz und Geschick. Einer der konservativsten
Figuren in Rom gilt derzeit als bester Spieler überhaupt: Gaius Calpurnius
Piso, ein ehemaliger Konsul und ein gefürchteter Gegner des Pompeius. Politisch
kann man zu ihm stehen, wie man will, doch als Stratege im ludus
latrunculorum ist er ein Genie! Die hohen Herren da drüben kann ich aber
heute Abend kaum fragen, mir eine Partie zu liefern, Fabia und Fabiulla sind
nur Mädchen und Lucius ist dafür völlig unbegabt.“
Rufus überlegte. „Ein Strategiespiel? So etwas wie
»Hölzerner Verstand?« Da muss man einen König und seine Getreuen gegen die
Übermacht der Feinde schützen, alles Spielfiguren auf einem Brett, ohne Würfel,
nur mit Nachdenken. Mir hat man leider mein Brett gestohlen, gleich als ich
nach Rom kam…“ „Krieg als Brettspiel ohne Würfel? Ja, das könnte so ähnlich
sein wie das Söldnerspiel – Latrunculi. Bei Mars, wirklich erstaunlich:
ein intelligentes Kriegsspiel, Kampfschwimmer, speziell ausgebildete Kavallerie
und ausgefuchstes Nahkampftraining - dein Stamm interessiert mich immer mehr!“
Gaius schloss sein Zimmer auf, quietschend öffnete sich
die Türe. Gaius stellte seine Öllampe auf dem Tisch ab und entzündete eine
Fülle weitere Lämpchen, die von einem Statuen-Leuchter herabhingen. Tanzend
ergoss sich das flackernde Licht in den Raum. Gaius musste aufgeräumt oder
zumindest einen Sklaven geschickt haben. Von der Unordnung war nichts mehr zu
erkennen, die Schränke waren sauber geschlossen und an den Haken hing neue
Kleidung. Gaius nahm ein Brett aus poliertem Holz vom Regal. „Hier! Die tabula
latruncularia: Vierundsechzig »Häuser«.“ „Du meinst die quadratischen
Felder in schwarz und weiß?“ „Sage ich doch, vierundsechzig Häuser.“ Gaius nahm
eine gläserne Spielfigur aus dem Regal. „Das ist der bellator, der
Kommandant. Der kann in alle Richtungen ziehen. Nenn ihn meinetwegen König -
aber nur deinen eigenen Spielstein! Seit der Vertreibung der Könige ist in Rom
kein Wort verhasster als »rex - König«. Ein einziger Mann, der alle versklavt…
Ihr habt sicher auch einen König in eurer Heimat.“ „Nein, wir haben einen
Ältestenrat, so etwas wie euren Senat. Wenn ich dem Stein einen andern Namen
geben soll, dann nenne ich ihn »Staveno« nach meinem Großvater: Der war einst
ein großer Kommandant und führender Mann im Senat.“ „Einen Senat? Wirklich
interessant… Das ist mein bellator. Dann nenne ich den heute »Catilina«
–nach einem großen Visionär. Sag mal, ich würde dir gerne noch ein paar Fragen
stellen, über deinen Stamm, eure Verbündeten, über eure Kampfstärke und wie
viel Tagesreisen ihr von Rom entfernt wohnt…“ „Gerne! Mein Stamm nennt sich
»Ubier«, wir wohnen vom Rhenos bis…“ „Rhenus, Ubier? Nie gehört. Moment, warte…
Ich glaube ich muss vorher erst noch eine Weile über ein paar Karten von
Gallien brüten! Aber heute Abend ist mir das zu viel. Erzähl mir später von
euch… So, jetzt sind die acht ordinarii komplett. Die können vor oder
zurück aber nie zur Seite oder schräg. Dafür sind die vagi da, die
sieben länglicheren hier, die kannst du auch diagonal ziehen. Schräg, gerade
oder über Eck, Immer wenn eine Spielfigur direkt zwischen zwei gegnerische
gerät, wird er blockiert – incitus. Inciti dürfen nicht mehr weiter
bewegt werden. Noch Fragen? Nein? Dann zeig einmal, was du kannst…“
Mit Feuereifer lauerten sich die beiden Spieler auf und
versuchten, die gegnerischen Steine in einen Hinterhalt zu locken. Rufus schlug
sich nicht schlecht für einen Anfänger, solche Denkspiele hatte ihm sein
Großvater beigebracht. Doch schon kurze Zeit später hatte Gaius mehrere seiner
Steine matt gelegt. Gaius war jedoch so von seinem Sieg überzeugt, dass er
leichtsinnig wurde und manche Steine wieder frei gab, die Rufus sofort wieder
gekonnt ins Spiel zurück brachte. „Beim Herkules, lernst du schnell! Mein
Catilina. Wage es ja nicht!“, rief Gaius aus und schob seinen Kommandanten
gerade noch rechtzeitig zurück in Sicherheit. „Wenn ich dir auch eine Frage
stellen dürfte… was hast du genau mit diesem Catilina zu schaffen? Lucius macht
sich Sorgen um dich.“
Gaius verengte unwillkürlich die Augen zu Schlitzen und
duckte sich wie eine Katze. Dann lachte er plötzlich. „Mein kleiner Bruder, der
Poet sorgt sich um mich? Rührend, aber völlig unnötig. Außerdem sind solche
Fragen viel zu gefährlich für einen kleinen Gast. Obwohl ich zugeben muss“,
bemerkte Gaius mit einem Seitenblick auf Rufus, „dass es kaum ein Römer mit dir
an Körpergröße aufnehmen kann. Werden bei euch im Norden alle so groß? Muss
wohl an der Kälte liegen und an der Ödnis im Barbarenland. Elefanten leben auch
im in endlosen Weiten. Würden sie in Städten leben, würden sie überall anstoßen
und allerlei Dinge in Bewegung setzen.“ Gaius schmunzelte. „Ihr habt doch über
die kleinsten Teilchen des Demokrit nachgedacht: Das gäbe jedenfalls noch viel
mehr Veränderung, als wenn nur einzelne Atome zusammenprallen, ein Elefant aus
dem Norden in Rom… Aber Atome sind überhaupt die falsche Art, über kleinste
Teilchen nachzudenken... Gleich habe ich übrigens deinen bellator!“
Rufus konterte mit einem vagus, den er quer über
das gesamte Spielfeld schob. „So schnell nicht. Was meinst du mit der falschen
Art? Wie soll man denn richtig darüber nachdenken?“ „Na vom Menschen her
natürlich! Wie bei Protagoras: Alles muss immer auf die Bedürfnisse des
Menschen bezogen werden, Recht und Unrecht, Gut und Böse sind keine absoluten
Normen, das ist nie für alle gleichzeitig gültig, was man als böse und was man
als gut ansieht. Man muss diese Normen immer auf die Bedürfnisse des Volkes
beziehen. Und das einzige, was zählt, ist überhaupt nur Geld und Macht. Alles
was existiert, ist nur Geld, Macht und deren Verteilung. Am Ende bleibt nur
eine einzige Sache übrig. Siehe es als die Energie, das Feuer bei Heraklit. Und
ich wüsste den Richtigen, der die Verteilung unter dem Volk besser regeln,
gerechter regeln, und damit das Feuer besser nutzen könnte.“
„Was meinst du damit genau? Die Macht, die vom Geld kommt
oder das Geld, das einem von der Macht aus zuströmt…?“ Rufus überlegte weiter,
während Gaius nach seinem Zug die Arme hinter dem Kopf verschränkte und ihm
auffordernd zulächelte. Feuer, das Volk und eine gerechte Verteilung - das
klang doch nach einer guten Idee, aber wenn man das wirklich durchführen
wollte… Mit einem Mal ließ Rufus seinen Spielstein auf das Brett zurückfallen.
„Aber, Moment einmal! Wie willst du denn die Verteilung ändern? Wer jetzt Macht
und Geld hat, der wird doch sicher nichts davon freiwillig abgeben! Wie kann
das denn überhaupt ohne Gewalt, Mord oder gar einem Umsturz oder Krieg
funktionieren? Und mit dem Richtigen, damit meinst du doch Catilina, oder?“
Gaius beugte sich vor und sah Rufus tief in die Augen.
„Du stellst zu viele Fragen. Fragen sind eine gefährliche Waffe und häufig
richten sie sich gegen den Fragenden selbst: Denk nur an den Philosophen
Sokrates: Der hat ständig Fragen gestellt, immer zum Besten seiner Gemeinschaft
– und doch haben seine Mitbürger ihn dazu verurteilt, sich umzubringen.“ Rufus
hielt still und überlegte. Gab es wirklich Grenzen des Fragens? Sollte er
lieber vorsichtiger sein? Sollte er sich höflich verabschieden, ins Bett gehen
und versuchen, sich von Gaius fernzuhalten? Schließlich hatte er genug eigene
Probleme als Schützling in der Fremde, weitab von seinen Freunden und von
seiner Familie. Dumnorix und Ariovistos genügten als Feinde vollauf… Schweigend
schob er einen Spielstein vor. Doch seine Neugier war größer.
„Wer war denn dieser Sokrates? Crispus hat bisher noch
nichts von ihm erzählt, zuletzt waren wir bei den kleinsten Teilchen…“ „…des
Demokrit, ich weiß. Sokrates hat die Frage nach den kleinsten Teilchen mehr
oder weniger beendet. Seitdem schaut man in der Philosophie wieder auf den
Menschen. Sokrates beherrschte die Kunst des Fragens und ging dabei vor allem
den Reichen und Mächtigen gehörig auf die Nerven: Er zeigte allen Angebern im
Gespräch, dass ihr vorgegebenes Wissen nur ein Scheinwissen war und stellte sie
öffentlich bloß. Damit versuchte er alle zur Tugend anzuhalten, zum Wahren,
Guten und Schönen. Niemand tut wissentlich Böses, so dachte er. Deshalb hat er
versucht, die Wahrheit durch Fragen herauszufinden. Alle sollten versuchen, zu
wahrer Erkenntnis zu gelangen. Selbst hat er immer alle Gesetze seiner
Heimatstadt befolgt, war tapfer und standhaft, bis in den Tod: Obwohl man ihm
die Gelegenheit dazu bot, ist er nicht geflohen, sondern trank den Giftbecher
in einem Zug… Aber ich hab dir noch gar nichts zu trinken angeboten - hier nimm
einen Schluck!“ „Danke – aber da ist ja unverdünnter Wein in deinem
Mischkrug?!“
Gaius nahm genüsslich einen tiefen Zug und lachte. „Ich
weiß! Siehst du? Nicht jeder, der Wissen hat, tut automatisch Gutes! Manchmal
muss man handeln, nicht fragen. Du bist dran!“ Rufus schob einen ordinarius
vor. Gaius zog eine Augenbraue nach oben. „Wirklich? Ich fürchte, du hast deine
Spielsteine so ungleich aufgestellt, wie die Macht in Rom! Geld und Macht sind
grundfalsch verteilt…“ Gaius hob einen Spielstein auf und hielt ihn vor die
Flamme eines Öllämpchens am Leuchter. Ein Windstoß drang durchs Fenster, die
Lampe loderte auf. Als das Licht durch das Glas der Spielfigur drang, tauchte
es das gesamte Spielbrett in ein düsteres Flammenmeer. Das Gesicht des Gaius
flackerte unheimlich unter dem Spielstein. Seine Miene verhärtete sich. „Feuer…
Feuer kann antreiben und Feuer kann zerstören...“ Rufus lief unwillkürlich ein
Schauer über den Rücken, während Gaius‘ Blick ganz und gar in der Flamme
aufging. Er schien innerlich zu brennen - seine Augen glühende Kohle. „Catilina
wäre der richtige Ofen, dieses Feuer in nützliche Bahnen zu lenken. Solange der
Ofen nicht zu heiß wird…“ Gaius setzte den Spielstein zurück auf das Brett. Die
unheimliche Stimmung verschwand. „Vater liegt übrigens völlig falsch: Catilina
ist nicht nur eines der kleinsten Teilchen, Catilina ist nicht ein Teil des
Problems, Catilina ist die Lösung!“ Er zog den Stein zur Seite und schloss
damit triumphierend die Zange um Rufus‘ Kommandanten. Dabei sprang er auf und
riss beide Arme in die Höhe: „Hoc habet – Treffer! Eheu triumphe - Sieg!
CATILINA! Libertas et tabulae novae - Lucius Sergius CATILINA!“
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