Die Naturphilosophen
Wie
einleitend erwähnt, könnte man die
ersten Philosophen, die sogenannten „Vorsokratiker“,
auch als Naturwissenschaftler bezeichnen, Mathematiker oder Astronome - kein
völlig neuer Ansatz, denn alle frühen Hochkulturen beobachten den Lauf der
Gestirne und leiten Gesetzmäßigkeiten ab. Den Naturphilosophen reichen die
religiösen Welterklärungen der Mythen nicht aus, sie suchen nach rationalen
Gründen und stellen Naturgesetze auf. Vor allem aber suchen sie nach dem Urbaustein der Welt:
Thales von Milet – Alles
ist Wasser
Aristoteles vermutet,
dass Thales (624-546 v. Chr.) darauf kam, als er die Nahrung aller Lebewesen
untersuchte und diese ebenso wie die Samen aller Wesen als feucht befand und Wasser
ja der Feuchtigkeit zugrunde liegt (Metaphysik 983b20f.). Mit dem Wasser ist
Thales der erste, der einen einzigen materiellen Ursprung annimmt, das
Göttliche zeigt sich als immaterielle Kraft (= ohne festen Körper, nicht greifbar), die alles aus dem Wasser
erschafft. Der Wandel von Werden und Vergehen ist kein Zufall, sondern das Werk
einer planenden Gottheit, erfahrbar durch die Kenntnis der Naturgesetze.
Vielseitig begabt beweist Thales auch den Nutzen der
Philosophie, astronomisch-meteorologisch sieht er eine große Olivenernte voraus,
pachtet im Winter billig Ölpressen und verpachtet sie zur Erntezeit teuer
weiter (Gesetz von Angebot und Nachfrage). Er berechnet astronomische Phänomene
(Sonnenfinsternis), stellt mathematische Sätze auf und gibt Ratschläge, gut zu
Leben: Nicht tun, was man an anderen tadelt, sich um die Freunde sorgen, nicht
mit einem schönen Äußeren protzen, sondern im Verhalten Schönheit zeigen (vgl. Diogenes
Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen 1,22-43).
Anaximenes von Milet
– Der Lufthauch
Anaximenes
(ca. 570-526 v. Chr.) hält den Lufthauch für
den Urbaustein, Wasser für verdichtete Luft, Erde für weiter verdichtetes
Wasser, Feuer für verdünnte Luft. Der Lufthauch ist so der Ausgangspunkt der
vier Elemente, Gott, die treibende Kraft. Auch die Götter bestehen aus Luft.
Den Wandel von Werden und Vergehen erklärt er mit einem ständigen Prozess von
Verdichtung und Verdünnung.
Anaximandros von
Milet – Das Unendliche
Für Anaximandros (ca.
610-547 v. Chr.) ist to apeiron der Urbaustoff - das Unendliche, das,
Unbegrenzte oder das Unbestimmte. Selbst die Götter setzen sich aus apeiron
zusammen und sind dem ununterbrochenen Wandel von Werden und Vergehen
unterworfen, d.h. werden geboren und sterben – allerdings wiederkehrend, damit
ewig und als Repräsentanten unendlicher Welten. Die Menschen seien ursprünglich
aus fischähnlichen Lebewesen. hervorgegangen.
Anaximandros wagt er den
Sprung von materiellen zum immateriellen Urgrund, vom Konkreten zum Abstrakten,
zu einem rein theoretischen Begriff (to apeiron). Damit gilt er als
Wegbereiter aller theoretischen Wissenschaft.
Heraklit von Ephesos –
Das Feuer
Das Urfeuer hat es Heraklit (ca. 544-483. Chr.) angetan – evtl.
auch schlicht „Energie“. Heraklit vertraut seinen Sinneseindrücken, Wandel ist
für ihn eine Konstante, die nach einer festen Gesetzmäßigkeit (logos)
abläuft. Die Welt ist ein
Ganzes von Gegensatzpaaren, die ineinander umschlagen wie die Gegenpole Tag und
Nacht. Grund für Veränderung aller Art, in denen sich Gott zeigt, ist das Feuer:
Das gesamte Universum hat niemand erschaffen, sondern war immer da und ist ewig
lebendiges Feuer, auflodernd und verlöschend. „Panta rei“ - alles fließt und nichts währt ewig. Deshalb kann man auch nicht
zweimal in denselben Fluss steigen: Sowohl der Fluss als auch man selbst hat
sich verändert. Parmenides glaubt an Naturgesetze und eine Weltvernunft (logos),
nach der sich alle Menschen richten müssen. Logos und Seele sind eins. Richtiges
Bewusstsein gilt ihm als die größte Tugend, und Weisheit sei, Wahres zu sagen
und nach der Natur zu handeln, auf die man hört.
Parmenides von Elea –
Alles ist Täuschung
Von
nichts kommt nichts, denkt Parmenides (ca. 540-480 v. Chr.), alles was
existiert muss daher schon immer da gewesen sein. Veränderung ist also gar
nicht möglich, der Wandel muss daher eine Sinnestäuschung sein – im Zweifel
traut er der Vernunft und nicht den Sinnen und möchte alle Formen von
Sinnestäuschungen entlarven. Damit gilt er als der erste Rationalist.
Empedokles von
Agrigent – Erde, Luft, Feuer, Wasser / Liebe & Streit
Der
Wandel von Werden und Vergehen, den uns unsere Sinne mitteilen und nur ein
einziger Urbaustein? Unmöglich, denkt Empedokles (ca. 494-434 v. Chr.): Wasser
bleibt immer nur Wasser und wird nie ein Fisch - es muss also mehr geben: vier „Wurzeln“ (rhizōmata), aus deren Mischverhältnis
alles besteht. Die Ursache von Veränderung sieht er im Widerstreit zweier
Naturkräfte: Liebe und Streit. Liebe verbindet, Streit löst auf. Er denkt an
einen zyklischen Weltkreislauf: Herrscht Streit vor, dehnt sich das Universum
aus, bis die Liebe wieder Oberhand gewinnt. Dann zieht es sich wieder zusammen
bis zum Höchstmaß an Verdichtung der Liebe, bis wieder der Streit einsetzt.
Empedokles
glaubt, dass sich ein begangenes Unrecht in Form von schlimmem Schicksal bei
der nächsten Wiedergeburt am Menschen rächt. Für das rechte Leben fordert er Gewaltlosigkeit.
Anaxagoras von Klazomenai
– Die Urmischung
Anaxagoras (ca. 500-428
v. Chr.) geht von einer unendlicher Urmischung kleinster Teilchen aus (Homoiomerien),
sowie von einem unpersönlichen Weltgeist (nous). Der Geist ist die
Ursache einer kosmischen Kreisbewegung, die er geplant und arrangiert hat. Die
Sonne sei ein rotglühender Stein, der den Mond beleuchte (nur indirekt angestrahlt).
Nachdem er einen Meteoriten untersucht hat, verkündet er: Die Himmelskörper
bestehen aus dem gleichen Baustoff wie die Erde. Leben auf anderen Planeten ist
möglich. Die Menschen sind übrigens die klügsten Lebewesen, weil sie Hände
haben.
Pythagoras von Samos
– Die Zahl
DER große Mathematiker (a² + b²
= c²) Pythagoras
(ca. 580-500 v. Chr.) setzt ähnlich unbegrenzt wie das apeiron bei Anaximandros jedoch konkreter
auf die Zahl als Urbaustoff. Ein ausgewogenes Zahlenverhältnis sorgt für Harmonie
in der Welt, deren Aufbau mit Zahlenformeln nachvollzogen werden kann – ein
epochaler Beitrag zu den Naturwissenschaften. Selbst die Musik analysiert er mathematisch,
stellt harmonische Intervalle durch einfache Zahlenverhältnisse dar (Abhängigkeit
der Tonhöhe von der Länge der schwingenden Saiten) und scheint Musiktherapie einzusetzen.
Nach einem pythagoreischen Planeten-Modell, kreist eine kugelförmige Erde um
ein zentrales Feuer.
Pythagoras
prägt den Begriff
„Philosophie“, die Unterscheidung zwischen einem Weisen (sophós) und einem nach
Weisheit strebenden „Weisheitsfreund“ (philósophos) ist ihm wichtig: Da nur
Gott wirklich weise ist, nennt er sich bescheiden „Philosoph“ – die erste
Selbstbezeichnung mit diesem Begriff. Er glaubt an Wiedergeburt und Seelenwanderung
ohne Unterschied zwischen Mensch und Tier. Er ist Vegetarier, verzichtet aber
auf Bohnen - sei es aus mythisch-religiösen, aus diätetischen Gründen oder
schlicht aus Rücksichtnahme. Er vertritt ein Ideal universaler Freundschaft und
Harmonie.
Sein
Götterbild ist unbekannt, seine Anhänger halten ihn selbst für ein göttliches Genie (ungeklärt ob
als Sekte mit geheimen schamanistischen Riten oder nur als loser Forscherbund,
der lediglich die Autorität des Wissenschaftlers ehrt): Sie verpflichten sich
zur Treue und legen eine disziplinierte aber bescheidene pythagoreische Art des
Lebens fest (Vegetarismus unter den ersten Pythagoreern als „Enthaltung
vom Beseelten“, Verzicht auf Tieropfer und Bohnen...). Die Harmonie in Natur
und die gleichmäßigen, wiederkehrenden Kreisbewegungen der Himmelskörper halten
sie für eine Offenbarung einer göttlichen Weltlenkung.
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