Betrachtet
man die Beschreibungen des Äußeren des Kaisers, so fällt auf, dass einerseits
von einer schönen Gestalt gesprochen wird, ein ansprechender Körperbau und ein
hübsches Gesicht, kurz eine ehrenhafte Erscheinung (→ Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30) – solange er saß, lag
oder stand.
Vor
allem im Gehen und auch sonst soll ihn vieles geradezu „entehrt“ haben (→ ebd.), der unsichere Gang, vermutlich mit
spastischen Lähmungen, Speichelfluss bis hin zu Schaum vor dem Mund, Triefnase,
gelegentliches Anstoßen der Zunge und Kopfzittern.
„Little Krankheit: „(Will. John; Chirurg
1810-1894) u.a. als Sammelbegriff für viele Kinderlähmungen gebraucht. Zu der
Littleschen Krankheit im eigentlichen Sinne zählen die meist angeb.
doppelseitigen Formen der infantilen Cerebrallähmung (Diplegia spastica
infantilis [vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30: ingredientem
destituebant popliti minus firmi]) mit spastischer Paraparese der Beine
oder sämtlicher Gliedmaßen [i.e.: spastische Lähmungen].
Symptome: Ganglähmung durch
Adduktorenspasmus, Hypertonie der Muskulatur [= starke Muskelspannungen], Pes
equinovarus [spezielle Art von Klumpfuß] [vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 21, 6: foeda vacillatione; (→ Lucius Annaeus Seneca, Apocolocyntosis 5, 2-3: pedem dextrum trahere],
pathol. Reflexe (Babinski usw.) [i.e.: spastische Reflexe], Reflexsteigerungen
[vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30: caputque cum semper tum
in quantulocumque actu vel maxime tremulum], choreatisch-athetotische
Erscheinungen [i.e.: „schlänkernde“ Bewegungen, die Gegenmuskulatur ist hierbei
zu schwach um auszugleichen], epileptische Anfälle. Ätiol.: Pränatale
Hirnschädigungen (Encephalitis, Porencephalie [i.e.: Lückenbildung in der
Hirnsustanz], Lues [i.e.: Synonym für Syphilis]), Frühgeburt [vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 2,1 - 3, 2], Mehrlingsgeburt, Hirnblutung bei erschwerter od. verzögerter Geburt.“
Untersuchungsbefund &
Kaiser Claudius
Auf
eine mehrere Monate andauernde Phase wechselnder, lage- und reizabhängiger
Tonussteigerungen (Tonus hier: Muskelspannung) folgt schließlich die
eigentliche Spastizität. In manchen Fällen treten auch unwillkürliche
Bewegungen auf (vgl. die Zuckungen des Claudius, über die sich gerade Seneca so
lustig macht (z. B. → Seneca,Apocolocyntosis 5, 2-3).
Dazu
kommen manchmal epileptische Krampfanfälle. Bei manchen führen mehr oder
weniger ausgeprägte agnostische und apraktische Symptome (Auffälligkeiten im
Erkenntnis- und Handlungsbereich) unter anderem schon im Kindesalter zu einer
Störung der Feinmotorik (vgl. → Seneca,Apocolocyntosis 6, 2: illo gestu
solutae manus, et ad hoc unum satis firmae), des Zeichnens und der
räumlichen Erfassung. Diese Kinder wirken oft tollpatschig, ungeschickt aber
motorisch unruhig. Oft auch choreiforme Bewegungen (i.e. Veitstanz: schnelle
unwillkürliche Kontraktionen einzelner wechselnder Muskeln oder Muskelpartien;
dadurch entsteht das Bild allgemeiner motorischer Unruhe und ständigen
Grimassierens (vgl. → Sueton, devita Caesarum, divus Claudius 30: risus
indecens)); unwillkürliche Grunzlaute (vgl. Quelle → Seneca, Apocolocyntosis, 5, 2-3: vocem nullius terrestris animalis sed qualis
esse marinis beluis solet, raucam et implicatam). Letztere können aber
willentlich unterdrückt werden und verschwinden bei Intentionsbewegungen (vgl.
Quelle → Sueton, de vita Caesarum,divus Claudius 4, 6): Nam qui tam ἀσαφῶς
loquatur, qui possit cum declamat σαφῶς
dicere quae dicenda sunt, non video). Die gute Intelligenz
steht meist im Gegensatz zu spärlichen Leistungen in praktisch-manuell
orientierten Testen (vgl. ebd.: Tiberium
nepotem tuum declamantem potuisse, peream, mea Livia, nisi admiror).
Sprachliche Beeinträchtigung durch spastische Mundmotorik (vgl. → Sueton, de vita Caesarum,divus Claudius 30-31: linguae
titubantia).
Kaiser
Claudius litt demnach an spastischen Lähmungen. Dies erklärt viele der
äußerlichen und körperlichen Auffälligkeiten, wie sie der Nachwelt überliefert
sind.
Dies
hat ihm bei seinen Zeitgenossen selbst im engsten Vertrautenkreis viel grausamen
Spott und Hohn in einer Form eingebracht, die heute in unserem Kulturkreis eigentlich undenkbar wäre.
Doch
leider ist dies noch nicht alles. Zu geistigen Beeinträchtigungen im nächsten
Post…
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