Schon
seit Kindheit an wurde Kaiser Claudius als Spastiker verspottet. Doch auch die Berichterstattungen über die geistige Gesundheit
des Claudius sind auffällig: Einmal die bemerkenswerte varietas animi des Claudius, die von (fast) allen Autoren
überliefert wird. Erscheint er in einem Moment als sanftmütig und gerecht oder
als scharfsinniger, hochintelligenter Intellektueller, so erscheint er
plötzlich im anderen als aggressiv und jähzornig oder plumper, unbesonnener und
geistig behinderter Trottel.
Könnte
zu diesem Bild eine angeborene Epilepsie beigetragen haben? Dazu soll hier nun
kurz auf Epilepsie im Allgemeinen und die Symptome des Claudius im Speziellen eingegangen
werden:
Kurzdefinition Epilepsie:
Epilepsien
sind charakterisiert durch Störungen, die
-
anfallsweise
auftreten,
-
fast
immer, aber nicht ausnahmslos mit Bewusstseinsstörungen einhergehen,
-
und/oder
andere anfallsartige motorische, sensible, sensorische oder vegetative[1]
Phänomene aufweisen,
-
durch
einen pathologischen Erregungszustand im Gehirn verursacht sind,
-
der
sich meist im Anfall als ein abnormes elektrisches Phänomen mittels eines von
der Hirnoberfläche oder aus der Tiefe abgeleitetes Elektroenzephalogramm
nachweisen lässt,
-
und
dem eine meist strukturelle oder evtl. nur funktionelle (stoffwechselbedingte)
Anomalie des Gehirns zugrunde liegt.
Untersuchungsbefund &
Kaiser Claudius
psychische
und somatische Auffälligkeiten zwischen den Anfällen:
*
Äußerer
Gesamteindruck eher normal (bei entsprechend starker Spastizität, die auch mit
Beeinträchtigungen des Gehirns einhergeht herrscht dagegen ausgemergelter
Eindruck vor) (vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 30: Auctoritas dignitatisque formae non
defuit ei [...] nam et prolixo et
exili corpore erat et specie canitieque pulchra; → Seneca, Apocolocyntosis 5, 2-3: bonae staturae)
*
Während
des Kindesalters geschwächtes Immunsystem, häufig Infektionskrankheiten,Fieberanfälle
(vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius
2,1 - 3, 2: per omne fere pueritiae
atque adulescentiae tempus variis et tenacibus morbis conflictatus est; Seneca, Apocolocyntosis
6, 2: Febrim (im
vorrausgehenden Abschnitt berichtet die personifizierte Fiebergöttin, daß sie
Claudius schon seit dessen früher Kindheit kenne))
*
Epileptiker
zeigen häufig starke Stimmungsschwankungen, die bei rein spastischen
Erkrankungen ohne Epilepsie nicht auffällig sind (z.B. bei → Sueton, de vita
Caesarum, divus Claudius 38,2 f., worin Claudius, gerade noch voll des Zorns
auf Einwohner von Ostia, zu diesen plötzlich unglaublich zuvorkommend ist,
obwohl sie sich nicht für ihren mangelnden Respekt entschuldigen)
...kurz
vor einem Anfall:
·
motorische
Phänomene, die einerseits in tonisch-klonischen Zuckungen[2], vor allem aber in komplexen
motorischen Handlungen bestehen können: stereotype Wiederholungen einer Geste,
Herumnesteln an den Kleidern, reibende oder wischende Bewegung, dann motorische
Erscheinungen aus der vegetativen Sphäre mit abnormem Atmen, Kaubewegungen,
Schlecken, Schmatzen, Würgen und Schlucken, infolge dessen
Sprachbeeinträchtigungen (vgl. → Seneca, Apocolocyntosis
5, 2-3: non intellegere se linguam)
·
Angst (vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 35,1:
tristis ac trepidus [...] Sed nihil
aeque quam timidus ac diffidens fuit), Wut, Aggressivität (vgl. → Sueton, de vita Caesarum, divus Claudius 38,1:
Irae atque iracundiae conscius sibi),
z.T. mit Schaum vor dem Mund zu Beginn des Anfalls (vgl. → Sueton, de vita
Caesarum, divus Claudius 30: ira
turpior spumante rictu), Verstimmungszustände, neurologische Symptome; ein
Anfall kann aber auch durch starke Erregungszustände ausgelöst werden (siehe
unter Kurzdefinition).
·
Bewußtseinstrübung,
Einengung des Bewußtseins auf bestimmte Bereiche (vgl. → Sueton, de vita
Caesarum, divus Claudius 39,1: Occisa Messalina, paulo post quam in triclinio decubuit, cur domina non
veniret requisiit.)
·
Trockenheitsgefühl im
Mund, Hungergefühl (vgl. → Sueton, de
vita Caesarum, divus Claudius 33,1: Cibi
vinique quocumque et tempore et loco appetentissimus, cognoscens [...] nidore prandii, [...], deserto tribunali ascendit ad sacerdotes
unaque decubuit)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.