Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Freitag, 1. Mai 2015

„Lass ihn doch zur Ader!“ - Medizin im alten Rom

Als ich die erste Vorlesung über Medizingeschichte an der Universität Heidelberg hörte, wurde den künftigen Ärzten gelehrt, dass die Erkenntnisse der heutigen Medizin einem Zwerg gleichen, der auf den Schultern von Riesen sitzt (Prof. W. U. Eckart, V: Geschichte und Ethik der Medizin, WS 99/00).
Ärztebesteck antiker Medizin (Skalpell, Knochenzange, Schröpfkopf...) Viele Skalpelle und andere Instrumente unterscheiden sich in ihrer Form wenig von heutigem chirurgischen Besteck, viele Erkenntnisse von Hippokrates (um 450 v. Chr.), Cornelius Celsus (ca. 25 v. – 50 n. Chr.) und Galenus (ca. 129–216 n. Chr.) gelten auch heute noch;  Rezepte und, Kräuterbücher der antiken Herbarien sorgen nach ihrer Wiederentdeckung immer noch für „neue“ Wirkstoffe und Präparate der an diesen „rechtefreien Generika“ recht interessierten Pharmaindustrie.
Bekannt sind
  • verschiedene Fachrichtungen und Fachärzte (Ophthalmologie, Zahnheilkunde, Gynäkologie [allerdings als „fehlerhafte“ Physiologie eines Mannes], Neurophysiologie, Chirurgie, kosmetische Chirurgie, Pharmakologie, Diätetik, Psychotherapie, Molekularmedizin, Physiotherapie, Allopathie, Pathologie, Anatomie, Balneotherapie…),
  • hunderte von medizinischen Instrumenten (Skalpelle, Lanzetten, Pinzetten, Sonden, Zahn- und Knochenzangen, Knochenheber, Haken, Sägen, Feilen, Wundnadeln, Hohlnadeln [v.a. für grauen Star], Starnadeln, Specula [anale & gynäkologische], Brenneisen, Trepanationssägen / Trepane, Katheter, Salbenreibeplatten, Arzneikästchen [eine Art mobiler Medizinschrank], Phiolen, Schröpfköpfe…),
  • Arzneimittel (Heilkräuter, Verbandsmaterial, Heiltränke, Pasten, Pillen, Dragees…)
  • Wissenschaftliche Diagnostik und Prognostik, Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, medizinische Ethik (z.B. „der“ Hippokratische Eid), Schwangerschaftsabbruch, sowie zielgerichtete Werbung.
Doch dieses riesenhafte Wissen der Antike, bei Griechen und Römern erstmals wissenschaftlich erworben, kommt nicht allen zu Gute: Es gibt weder eine geregelte Ausbildung noch eine Qualitätskontrolle wie bei uns durch ein Staatsexamen, Prüfungskommissionen werden erst in den Digesten erwähnt (→ Dig. 27,1,6,2; 50, 9,1 gegen Ende 533 n. Chr.). Zuvor kann sich jeder Arzt nennen, vor allem die preisgünstigen müssen sich gegen die harte Konkurrenz der Magier, Exorzisten, Hebammen und einfachen Wundärzte behaupten. Ihre Methoden sind entsprechend einseitig und fehlerhaft. Nur reiche Römer oder glückliche Klienten eines sehr fürsorglichen Patrons können sich überhaupt die besten Ärzte leisten.
Obwohl die (meist griechischen) richtigen Ärzte gut ausgebildet sind, kommt es auch unter ihnen bisweilen zu abstrusen Vorstellungen, die nach heutiger Kenntnis wenig hilfreich sind, beispielsweise wenn die bei Galen überarbeitete Lehre von der Harmonie der vier Säfte (schwarze und gelbe Galle, Schleim, Blut) einseitig interpretiert oder das zur Ader lassen übertrieben und falsch angewendet wird. Dazu ist die Mehrheit der Medikamente mehr oder weniger von Laien gemischt wohl nur in 10% der Fälle wirklich effektiv (vgl. Nutton 1999, Spalte 1115). Während rationale Ärzte lieber erst einmal sorgfältig nach den Ursachen forschen und z.B. bei Infektionen kleinste unsichtbare Tierchen verantwortlich machen, die über die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt oder offene Wunden aufgenommen werden und mit Feuer und Alkohol desinfizieren, rät die große Menge der Quacksalber dagegen schnell zu Blutegeln Aderlass und Schröpfköpfen – eine Methode die den Patienten schnell Kraft verlieren lässt und ihn für Infektionen erst recht anfällig macht, wenn sie unsauber ausgeführt wird.. Ohne Antibiotika verlaufen Infektionen oft tödlich (lange bevor Bartolomeo Gosio 1893 Penicillium isoliert oder erst 1942 der erste Patient mit Penicillin behandelt wird, werden schon antibiotische Wirkungen von Naturstoffen benutzt, wie z.B. der beim „Ötzi“ gefundene Birkenporling zeigt. Doch in der warmen Mittelmeerwelt wächst er nicht und taucht so in den überlieferten medizinhistorischen Texten auch nicht auf).
Am besten sind die Ärzte, die in Alexandria studiert haben – weiterhin das leuchtende Zentrum der Gelehrsamkeit für Philosophie, Technik und alle Naturwissenschaften. Um die klügsten Köpfe nach Rom zu locken, gibt es seit Caesar außer hohen Gehältern auch weitergehende Werbemaßnahmen für den Standort Rom (z.B. werden Ärzte mit römischem Bürgerrecht beschenkt → Suet.Iul.42).
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3 Kommentare:

  1. Würde das Zitat "Als ich die erste Vorlesung über Medizingeschichte an der Universität Heidelberg hörte, wurde den künftigen Ärzten gelehrt, dass die Erkenntnisse der heutigen Medizin einem Zwerg gleichen, der auf den Schultern von Riesen sitzt." gerne in meiner Seminararbeit verwenden, bräuchte dazu aber eine genau Quellenangabe. Wer hat es wann und wo gesagt? Eine Antwort wäre super:)

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    1. Prof. W. U. Eckart, Vorlesung an der Medizinischen Fakultät Heidelberg: Geschichte und Ethik der Medizin (I): Von der antiken zur frühneuzeitlichen Medizin, im Wintersemester 1999/2000.
      Das habe ich aber mehrfach zu diversen Anlässen gehört, z.B. auch von Prof. Christoph Gradmann, damals Heidelberg, heute Professor für Medizingeschichte an der Universität Oslo. Er hat zusammen mit Prof. Eckart das Ärzte-Lexikon herausgegeben (Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Aufl. Springer Berlin, Heidelberg, New York 2001, 3. Aufl. 2006, ISBN 978-3-540-29584-6.)…
      Das Original-Zitat stammt vermutlich von einem (früh?-)neuzeitlichen Mediziner, der Bernhard von Chartres (um 1100) vom wissenschaftshistorischen und kulturellen in einen medizinhistorischen Kontext überträgt und einiges für die Antike übrig hat. Zum Spruch der Zwerge auf Riesenschultern allgemein findet sich ein schöner Artikel bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Zwerge_auf_den_Schultern_von_Riesen).
      Die Blogadresse hier darf auch gerne in der Seminararbeit auftauchen… : )

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    2. Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort! :)

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