Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Montag, 30. Juli 2018

„Du kommst hier nicht rein!“ – poeta exclusus und die römische Liebeselegie


Jetzt sitzt du draußen auf der Treppe / vor ihrem Haus du kleiner Gangster / Lässig rauchst du Zigarette / und wirfst Steine an ihr Fenster…“
Diese Erfahrung, welche die Rap-Band „Fettes Brot“ in ihrem Song „Emanuela“ beschreibt, ist schon über zweitausend Jahre zuvor eine ganz wesentliche Situation für die antike Liebeselegie (abgesehen vom Zigarettenrauchen):
Das Werben des literarischen Dichters poeta wird von der dura puella, der hartherzigen Geliebten, nicht erhört. Er kommt hier bei ihr nicht rein und muss draußen bleiben (exclusus amator). Liegt er gar demütig vor ihrer Türschwelle, spricht man von einem Paraklausithyron (vor geschlossener Tür).
poeta exclusus

Namensbedeutung und Ursprünge liegen natürlich wieder einmal bei den Griechen. Vom schlichten Versmaß Distichon als „Zweiversler“ (di = zwei, στίχος = Vers) und der Literaturgattung Elegie (in der Antike denkt man an Trauergedichte, œ œ lšgein (e-e legein = aua aua sagen / ein Ausruf des Schmerzes oder Mitleids) rückt die römische Elegie nach dem Begin einer Totenklage (Calvus‘ Klage um Quintilia 3,9) doch wieder stärker auf die klassische Form der Dichter aus der Welt-Bildungsstadt Alexandria heran: Philetas und Kallimachos: Ein poeta doctus in Ich-Form, ein gebildeter Dichter, zeigt gerne pädagogisch, was er alles gelesen hat, treibt in kleinen anspruchsvollen Gedichten sein Spiel mit dem Leser: Er bezieht in Ausschnitten und Anspielungen die ganze Literaturgeschichte, die hellenistische Tradition mit ins eigene Werk ein (ähnlich wie die ständigen intermediellen Zitate und Andeutungen in der modernen Serie die Simpsons). Manchmal muss man bei so vielen Zitaten schwer überlegen, wie der Autor eigentlich selbst zum Thema steht (Polyphonie der Textaussage, der Leser wird zum Detektiv). Dafür sind die kurzen Büchlein aber höchst unterhaltsam und bis ins letzte Detail ausgefeilt.
Sie handeln von Ursprungssagen (Aitia), aber vor allem auch von Liebe. In der Elegie wird nun zum ersten Mal überhaupt subjektive Erotik niedergeschrieben. Traurige, klagende Themen sind jedoch auch mit dabei.
Auf jeden Fall verfassen Elegiker kein riesiges Epos, v.a. Kallimachos, der eher auf kurze Geschichten steht: „Großes Buch, großer Mist!“ – so seine abfällige Äußerung über Vielschrieber.
So halten es fortan auch die römischen Elegiker, Gallus, Tibull und Properz.
Literaturtheoretisch spricht man bei der römischen Liebeselegie von einem elegischen System
Die Grundsituation: Ein fiktives elegisches Ich (poeta) spricht von seinen überwiegend leidvollen Liebeserfahrungen als amator (Liebhaber) einer puella (junge Frau, bei Gallus Lycoris, bei Properz Cynthia, bei Tibull Delia bzw. Nemesis, bei Ovid Corinna).
Der poeta/amator ist ein treu liebender junger Römer aus der Oberschicht mit hoher dichterischer Begabung, seine puella eine zwar schöne und gebildete, jedoch v. a. an Geschenken interessierte „Dame“ aus einem… sagen wir Escort-Service und von niederem Stande, meist eine freigelassene Sklavin.
Das Werben des poeta wird von der dura puella, der hartherzigen Geliebten, nicht erhört (exclusus amator, s.o.).
So kommt der Liebende auf die Schwelle bzw. Treppe…
Dabei will er doch nur glücklich lieben un fordert Liebe als Dauerzustand (foedus aeternum): Die Beziehung zwischen poeta und puella soll wie bei der Ehe bis zum Tod dauern.
Statt in der Politik und beim Militär oder in einem bürgerlichen Beruf Karriere zu machen, ist für den amator ausschließlich die Liebe der ganze Lebenszweck. Nur hier strengt er sich an (militia amoris - Kriegsdienst der Liebe): Make love not war!
Er geht sogar so weit, die Liebe als Sklavendienst zu sehen (servitium amoris): Wie ein Sklave ordnet sich der poeta dem Willen der puella als seiner domina unter.
Was für ein Schock für die ältere Generation!
Der Dichter Ovid bringt die Elegie schließlich zum Höhepunkt und Abschluss, in dem er die Gattung und seine Vorläufer parodiert, durch übertriebenes wörtlich nehmen und in die Realität hineinübertreiben parodiert und so manchen (selbst das Herrscherhaus) zumindest zwischen den Zeilen kräftig durch den Kakao zieht.

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