„Jetzt sitzt du draußen auf der Treppe / vor
ihrem Haus du kleiner Gangster / Lässig rauchst du Zigarette / und wirfst
Steine an ihr Fenster…“
Diese
Erfahrung, welche die Rap-Band „Fettes Brot“ in ihrem Song „Emanuela“ beschreibt,
ist schon über zweitausend Jahre zuvor eine ganz wesentliche Situation für die
antike Liebeselegie (abgesehen vom Zigarettenrauchen):
Das
Werben des literarischen Dichters poeta wird von der dura puella,
der hartherzigen Geliebten, nicht erhört. Er kommt hier bei ihr nicht rein und muss
draußen bleiben (exclusus amator).
Liegt er gar demütig vor ihrer Türschwelle, spricht man von einem Paraklausithyron (vor geschlossener
Tür).
Namensbedeutung
und Ursprünge liegen natürlich wieder einmal bei den Griechen. Vom schlichten Versmaß Distichon als „Zweiversler“ (di = zwei, στίχος = Vers) und der Literaturgattung Elegie (in der Antike denkt
man an Trauergedichte, œ œ lšgein (e-e legein = aua aua sagen / ein Ausruf des Schmerzes oder Mitleids) rückt
die römische Elegie nach dem Begin einer Totenklage (Calvus‘ Klage um
Quintilia 3,9) doch wieder stärker auf die klassische Form der Dichter aus
der Welt-Bildungsstadt Alexandria heran: Philetas und Kallimachos: Ein poeta doctus in Ich-Form, ein
gebildeter Dichter, zeigt gerne pädagogisch, was er alles gelesen hat, treibt
in kleinen anspruchsvollen Gedichten sein Spiel mit dem Leser: Er bezieht in
Ausschnitten und Anspielungen die ganze Literaturgeschichte, die hellenistische
Tradition mit ins eigene Werk ein (ähnlich wie die ständigen intermediellen
Zitate und Andeutungen in der modernen Serie die Simpsons). Manchmal
muss man bei so vielen Zitaten schwer überlegen, wie der Autor eigentlich
selbst zum Thema steht (Polyphonie
der Textaussage, der Leser wird zum Detektiv). Dafür sind die kurzen Büchlein
aber höchst unterhaltsam und bis ins letzte Detail ausgefeilt.
Sie handeln von Ursprungssagen (Aitia), aber vor
allem auch von Liebe. In der Elegie wird
nun zum ersten Mal überhaupt subjektive Erotik niedergeschrieben. Traurige, klagende Themen sind jedoch auch
mit dabei.
Auf jeden Fall verfassen Elegiker kein riesiges
Epos, v.a. Kallimachos, der
eher auf kurze Geschichten steht: „Großes Buch, großer Mist!“ – so seine
abfällige Äußerung über Vielschrieber.
So
halten es fortan auch die römischen Elegiker, Gallus, Tibull und Properz.
Literaturtheoretisch
spricht man bei der römischen Liebeselegie von einem elegischen System
Die
Grundsituation: Ein fiktives elegisches Ich (poeta) spricht von seinen
überwiegend leidvollen Liebeserfahrungen als amator (Liebhaber) einer puella
(junge Frau, bei Gallus Lycoris, bei Properz Cynthia, bei Tibull Delia bzw.
Nemesis, bei Ovid Corinna).
Der
poeta/amator ist ein treu liebender junger Römer aus der Oberschicht mit
hoher dichterischer Begabung, seine puella eine zwar schöne und gebildete, jedoch v. a. an Geschenken
interessierte „Dame“ aus einem… sagen wir Escort-Service und von niederem
Stande, meist eine freigelassene Sklavin.
Das
Werben des poeta wird von der dura puella, der hartherzigen
Geliebten, nicht erhört (exclusus amator,
s.o.).
So
kommt der Liebende auf die Schwelle bzw. Treppe…
Dabei
will er doch nur glücklich lieben un fordert Liebe als Dauerzustand (foedus aeternum): Die Beziehung zwischen
poeta und puella soll wie bei der Ehe bis zum Tod dauern.
Statt in der Politik und beim Militär oder in
einem bürgerlichen Beruf Karriere zu machen, ist für den amator ausschließlich
die Liebe der ganze Lebenszweck. Nur hier strengt er sich an (militia amoris
- Kriegsdienst der Liebe): Make love not war!
Er
geht sogar so weit, die Liebe als Sklavendienst zu sehen (servitium amoris): Wie ein Sklave ordnet sich der poeta dem
Willen der puella als seiner domina unter.
Was
für ein Schock für die ältere Generation!
Der
Dichter Ovid bringt die Elegie schließlich zum Höhepunkt und Abschluss, in dem
er die Gattung und seine Vorläufer parodiert, durch übertriebenes wörtlich
nehmen und in die Realität hineinübertreiben parodiert und so manchen (selbst das
Herrscherhaus) zumindest zwischen den Zeilen kräftig durch den Kakao zieht.
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