Rom
19-18 v. Chr.: Gaius Octavius, offiziell Gaius Julius Caesar Octavianus, wie er
seit seiner testamentarischen Adoption durch Caesar heißt, beherrscht die Stadt.
Doch lässt er sich seit der Verleihung eines religiösen Ehrentitels 27 v. Chr. von
allen „Augustus“ nennen, „der Erhabene“.
Augustus
festigt langsam aber unaufhaltsam seine 31. v. Chr. errungene Herrschaft. In
kleinen wohldosierten Schritten passt er das politische System der Realität an und
prägt die Gesellschaft um, wobei er vielfältigste Medien zur propagandistischen
Inszenierung einsetzt. 19 v. Chr. übernimmt er die
allgemeine Leitungsgewalt über die Konsuln, die -zumindest offiziell- zuvor immer
noch die höchste Staatsgewalt und Exekutive dargestellt haben.
Doch das Volk ist gut auf ihn zu sprechen.
Augustus stärkt sein Ansehen und schmückt Rom als kulturelles Zentrum des
Weltreichs aus. Der Literaturbetrieb wird von den Werken bestimmt, die
das Regime des Augustus unterstützen, feiern und preisen, wie dem Römerepos des
gerade verstorbenen Vergil. Im „Blut- und Boden-Epos“ der Aeneis preist Vergil
die göttliche Bestimmung Roms zur Weltmacht und Augustus als ihren Führer und
gottgesandten Knaben. Kein Wunder, das Vergilius im Kaiserhaus überaus beliebt
ist.
Wer
jedoch nicht zum politischen Programm passt, hat weniger Glück: Augustus
beherrscht virtuos alle Medien und lässt gnadenlos zensieren. Ganze Gesamtwerke
werden für immer ausgelöscht, der Dichter Gallus in den Selbstmord getrieben.
Opposition wird oft geräuschlos gebrochen, notfalls brutal.
Eine
vorbildliche Frau sitzt den ganzen Tag brav zu Hause und spinnt Wolle -wenn sie
nicht gerade mit Kindern und Haushalt beschäftigt ist-, während der Mann neue
Völker erobert, so die veraltete Moralvorstellung. Die Ehe wird zum Zwang, das
Kinderzeugen ist kein Spaß mehr, sondern verdammte Pflicht und Schuldigkeit.
Drückend steigt der Konformitätsdruck, Gleichschaltungstendenzen machen sich
breit sowie weitgehende soziale Kontrollen.
Alle passen sich an. Alle? Nein
nicht alle. Ein kleines Häuflein schreibt weiter an Liebesgedichten, die nicht
zum ultrakonservativen Rollback passen. Einige modern gesinnte junge Ritter
veranstalten Demonstrationen zur Abschaffung der Gesetze (Suet.Aug.34). Ein Dichter fängt
jetzt erst richtig an, Gedichte zu schreiben, nimmt den Zeitgeist auf,
parodiert ihn auch zum Gutteil und schreibt seine witzig-provokanten AMORES: Publius
Ovidius Naso.
Eigentlich
sollte er nicht viel zu befürchten haben, denn seine Dichtung ist im Wesentlichen
unpolitisch. Doch kann sich Ovid seine vielen kleinen Spitzen und zahlreichen
Anspielungen einfach nicht verkneifen, auch wenn sie bisweilen Mitglieder des
Kaiserhauses und die Moralgesetze des Augustus lächerlich zu machen scheinen.
Wie wird Augustus reagieren, wenn er einmal Ovids Verse zu Gesicht bekommt?
Ovid arbeitet jedoch fröhlich
weiter, ohne sich groß über mögliche „moralzersetzende“ Interpretationen seines
Werkes zu kümmern. Ebensowenig macht er sich Gedanken darüber, dass Augustus
ist nicht nur ein Meister der Propaganda ist, der alle Medien virtuos
beherrscht und gnadenlos zensieren lässt sondern auch für seine Rachsucht
bekannt ist. Wer sich über ihn, seine Familie oder sein politisches Programm
lustig macht, sollte mit Konsequenzen rechnen. Selbst wenn es sich nur um
witzige Anspielungen in unpolitischer Dichtung handelt. In einer Zeit der
staatlich gelenkten „Remoralisierung wirft so bereits der allererste Beginn von
Ovids frivolem Schaffen und sein grenzenloser Spieltrieb düstere Schatten
voraus…
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