Als Textprobe nun ein
Auszug aus dem ersten Kapitel des zweiten Bandes "Rufus – Catilina und die Jugend Roms". Die eckige Klammer "[...]" soll anzeigen, dass jeweils
eine oder mehrere Szenen fehlen.
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!
Kapitel I: Roma
Vor
ihnen entfaltete sich ein einmaliges Panorama. Euamellin staunte mit offenem
Mund. So etwas hatte er nicht erwartet. Früher hatte er sein Zuhause für eine
große und bedeutende Stadt gehalten, das Oppidum Ubiacum auf dem Dünsberg. Nur
die allerwenigsten Familien seines Stammes wohnten überhaupt in einer
stadtähnlichen Siedlung, die meisten lebten in kleinen Gehöften und Dörfern. In
Gallien hatte ihn dann Bibracte sehr beeindruckt, der Zentralort der mächtigen
Haeduer. Dass Rom noch größer und schöner sein könnte, das hatte er zwar schon
vermutet - aber dass Rom gleich SO groß war? Von dem Hügel, auf den sie von der
Via Aurelia aus abgebogen waren, konnte man die Landschaft gut überblicken.
Dennoch war nicht abzusehen, wo die Stadt endete, die ungefähr drei oder vier
Meilen südöstlich ihren Anfang nahm, halb an einen Fluss geschmiegt, von einer
Mauer umgeben und dicht bebaut. Ob es daher kam, dass die Stadt über mehrere
Hügel verteilt lag, die ihm die weitere Sicht nahmen, oder war die dichte
Bebauung schuld? Oder hinderte die riesige Dunstwolke, die über der Stadt hing?
Blendete das Gegenlicht der Sonne zu sehr -Euamellin glaubte auch einen
seltsamen Widerschein, ein Blitzen und Funkeln in der Stadt zu sehen- oder nahm
die Stadt dahinter überhaupt kein Ende mehr? Von hier aus war es jedenfalls
unmöglich, sich ein klares Bild von dieser Stadt zu machen.
„Na, Kleiner, das ist schon etwas
anderes, nicht wahr?“ Crixos warf den Kopf in den Nacken, so dass seine
dunkelbrauen Locken herumwirbelten. Sofort eilte einer seiner Gefolgsmänner
herbei und brachte Wasser und etwas zu Essen. Crixos reichte Brot, ein paar
Feigen und den Lederschlauch an Euamellin weiter. Der junge Ubier nahm einen
tiefen Schluck. „Danke, Crixos!“. Bereits in der Morgendämmerung hatten sie
eine eigenartige Dunstwolke am Horizont wahrgenommen. Nun konnte man sehen,
dass diese nicht von Wolken vom Meer sondern von unzählbaren kleinen
Rauschschwaden genährt wurde, die träge nach oben stiegen. Die kleinen
Rauchsäulen mussten schon vor Sonnenaufgang aufgestiegen sein, um sich zu einer
zähen Glocke zu vereinen. Der Rauch von hunderttausenden von Feuerstellen der
Garküchen, Bäckereien, Mietwohnungen, Häuser und Tempel – vereint auf ihrem
gemeinsamen Weg in einen nahezu windstillen Himmel.
„Beim Taranis, ist das groß! So viel
Rauch, so viel Dampf, so viele Feuerstellen. Wie viele Menschen wohl da leben
mögen…?“ Auch Crixos bestaunte wie gebannt den Anblick. Ein paar Schwalben
schnellten im Zickzack vorbei, doch nahm niemand Notiz von ihnen. Ihre
Jagdschreie waren kaum zu hören, die erwachten Zikaden waren einfach zu laut.
Nicht einmal Euamellins Hund Milmass bellte ihnen hinterher. Versonnen lag er
im Gras und ließ sich das schwarz-weiße Fell streicheln.
„Warst du schon einmal in Rom?“,
hakte Euamellin nach. „Ich nicht, aber frag doch Catugnatos! Der war vor fünf
Jahren schon einmal hier, nicht wahr?“ Catugnatos lehnte mit verschränkten
Armen an einem Olivenbaum. Still ließ er sich die Sonne auf die vernarbte Nase
scheinen. Nur sein dunkler Schnauzbart wackelte sachte. „Und du doch auch,
Ollugnio. Ihr habt doch damals den korrupten Statthalter Fonteius vor Gericht
gezerrt - wegen Ausbeutung der Provinz, nicht wahr?“ Ollugnio zog nur die
Mundwinkel herab. Die Muskulatur seiner breiten Schultern verspannte sich
merklich. „Du bist zu jung, Crixos, zu jung und du redest zu viel“, raunte
Catugnatos, während er seine Augen noch immer gegen die Morgensonne schloss.
„Weißt du denn nicht, wie diese Geschichte für uns ausging – ja ausgehen
musste? Du wirst Rom und seine Eigenheiten noch früh genug kennen lernen.
Vermutlich früher, als dir lieb ist… Genieße lieber die Sonne, solange sie noch
nicht zu heiß ist.“ Crixos zuckte mit den Achseln, dann nahm er von Euamellin
den Wasserschlauch zurück und setzte sich ins Gras. Die Zikaden um sie herum
zirpten gesprächiger. Obwohl die Kühle des Morgens noch andauerte, begann die
Sonne bereits den Tau zu trocknen. Es duftete nach frischen Gräsern, Wildblumen
und den Kräutern des Südens.
Euamellin musterte kurz die drei
ungleichen Gesandten der Allobroger. Ihr Volk bildete seit nahezu sechzig
Jahren den nördlichsten Vorposten Roms, wie sie ihm erzählt hatten. Dennoch
trugen sie die typische bunte Kleidung vornehmer Gallier. Alle drei stammten
aus den besten Familien ihres Landes und konnten sich recht gut in der Sprache
der Römer verständigen. Crixos war ein paar Jahre jünger als die Anderen, knapp
unter dreißig, glatt rasiert und unterhielt sich gerne etwas mehr. Es war ihm
deutlich anzusehen, dass er am liebsten gleich alles erfragt hätte, was
Catugnatos und Ollugnio über Rom wussten. Sehnsüchtig starrte er auf die fremde
Stadt, von der er schon so viel gehört hatte. Was in Ollugnio vorging, war
diesem nicht anzumerken. Kurze braune Haare gaben einen Blick auf eine ernste
aber undurchdringliche Miene frei. Catugnatos lehnte noch immer gelassen am
Olivenbaum. Soweit Euamellin mitbekommen hatte, waren die drei von ihrem
Stammesverband ausgewählt worden, um in Rom wegen der überhöhten Steuern
vorzusprechen. Die Steuerpächter hatten offenbar übertrieben und die Städte der
Allobroger waren nun hoffnungslos überschuldet. Selbst mit enormen Opfern
konnten die Verpflichtungen unmöglich zurückgezahlt werden. Die stolzen
Allobroger waren zahlungsunfähig. Nun führte der Weg ihrer Delegierten nach
Rom, zu ihrem Patron Quintus Fabius Sanga, dessen Familie die Aufgabe als
Fürsprecher von einem seiner Ahnen geerbt hatte: Quintus Fabius Maximus
Allobrogicus, dem einstigen Sieger über die Allobroger.
Auch Euamellins Weg führte zu den
Fabii Sangae nach Rom und so hatten ihn die drei und ihre Gefolgsmänner
begleitet.
[…]
Viele Mauern waren bunt verputzt
oder farbig bemalt. „M-E-D-U-S-A“, entzifferte Euamellin und bewunderte das
Porträt einer Frau mit Schlangenhaaren, welches ein Mann mit einem Lappen aber
gerade wieder beseitigte - oder es zumindest eifrig versuchte. „Warum wischt er
das schöne Bild denn wieder weg?“ „Das muss wohl seine Frau sein - oder seine
Herrin“, grinste Crixos. Auch andere Hauswände zeigten Sagengestalten oder
Schriftzüge. Darunter waren auch Wahlkampfslogans: Besonders häufig war
»Catilina – tabulae novae« zu lesen. Was das zu bedeuten hatte, das verstand
Euamellin allerdings nicht - selbst wenn man es ihm übersetzte: »Umschuldung«.
Damit konnte er nichts anfangen. Die Schimpfworte waren da schon besser zu
verstehen ebenso, wenn kleine Zeichnungen hinzukamen. „Und da drüben?“
Euamellin deutete auf einen Schriftzug, der offensichtlich mit
wohlproportionierten Frauen zu tun hatte. „»Tarula bene…« oha! Da preist einer
die Vorzüge gewisser Frauen an“, erklärte Crixos und grinste noch breiter. „Das
ist aber noch nichts für dein Alter…“
[…] Milmass schnupperte aufgeregt in
alle Richtungen. Er zog dabei so stark an der Leine, dass Euamellin ihn an der
vorderen Sattelstütze seines Pferdes festbinden musste. Sie bogen in eine
schmalere Straße ein, dann kamen enge Gassen. „Descendite, amabo vos!“ rief
ihnen Callistus zu und wedelte mit den Händen nach unten. Ob sie wohl absitzen
sollten? Da sah Euamellin auch schon den Grund dafür: Eine Gruppe Akrobaten und
Gaukler kam ihnen entgegen. Gebannt starrte Euamellin auf die bunte Truppe der
Jongleure. Auf die leicht bekleideten Tänzerinnen starrten sie alle.
Da begann Milmass zu knurren, darauf
heftig zu bellen. Euamellin dreht sich um und sah grade noch, wie ein kleiner
zerlumpter Junge etwas aus seinen Satteltaschen zog. „Beim Taranis! Mein
Spielbrett!“ Im Nu raste Euamellin dem Jungen hinterher. Der »hölzerne Verstand«
war nicht nur irgendein Brettspiel. Suarto hatte es ihm geschenkt, sein und
seines Onkels Gastfreund und Beschützer. Für Euamellin war es der wertvollste
Besitz, der ihm geblieben war. Augenblicklich war er dem Dieb hinterher
gerannt. Na warte! Der konnte was erleben, dieser Wicht! Der Junge war zwar
wesentlich kleiner, doch wusste er genau, wie man durch enge Gassen zu rennen
hatte: eine Körpertäuschung hier, eine Sprung über eine kleine Treppe da und
Passanten gerne den Ellenbogen in den Bauch rammen und Säcke oder Taschen aus
der Hand reißen. Einmal in Rage behinderten sie jeden Verfolger. Dazu streifte
er immer wieder die Häusertüren und klopfte - aber damit konnte er Euamellin
nicht abschütteln, beim Taranis! Er hatte schon gemerkt, dass hier die meisten
Türen nach außen aufgingen und so traf ihn auch keine. Im Zickzack ging es
immer weiter den Hügel hinunter. Ein paar Mal dachte Euamellin den Dieb endlich
packen zu können, doch hatte er dabei nicht gesehen, wo er hintrat. Er stieß
mit dem Fuß an und stolperte. Urplötzlich war der Junge verschwunden.
Euamellin rang gebückt nach Atem.
Trotz des Lärmes um ihn herum konnte er sein Herz pochen hören. Blöde Römer!
Wer baut denn schon erhöhte Streifen quer über eine Straße? Die erhöhten
Gehwege waren schon seltsam genug. Und überhaupt, diese Eigenart alles mit
Steinen zu pflastern… Durch seine ledernen Bundschuhe spürte Euamellin deutlich
seine Füße: Kein Wunder nach dieser Jagd über die ungewohnten und von der Sonne
aufgeheizten Pflastersteine. Beim Esus! Dieser kleine Dieb war aber auch
verflucht schnell unterwegs auf seinen kurzen Beinen. Langsam sah er sich um.
Von seiner Gruppe war niemand mehr zu sehen. Er musste jetzt irgendwo im Tal
zwischen den Hügeln sein, aber so richtig konnte er das nicht erkennen. Beim
Taranis, diese Römer! Konnten die ihre Stadt nicht wenigstens oben auf einer
Bergkuppe errichten wie vernünftige Leute? Ein Blick nach gen Himmel half hier
wenig. Bei dieser engen Gasse und den hohen Häuserzeilen konnte man sich
unmöglich orientieren! Dazwischen waren auch noch Seile gespannt, an denen
Wäsche trocknete. Dazu verengten mehrere kleine Anbauten und Eigenbaubalkone
die ohnehin sehr schmale Gasse. Sie standen zum Teil auf zerbrechlichen
Pfosten, waren notdürftig mit Holz zusammengezimmert und nur wacklig an den
Außenwänden angebracht. Oben auf dem Hügel hatte er nur gepflegte und stabile
Wohnhäuser mit kleinen Gärtchen gesehen. Keines höher als zwei Stockwerke,
nicht fünf oder mehr wie hier unten. Euamellin schloss die Augen und sog die
Luft ein. Kein frischer Wind mit dem Aroma des Waldes zeigte ihm die Richtung
an, wie er es von zu Hause gewöhnt war. Dafür hinterließen die Menschen, die
durch die Gasse eilten, den Geruch von frisch gebackenem Brot, das sie mit sich
trugen. Von weiteren Einkäufen der Morgenstunden erreichten ihn Duftfahnen von
Fisch und Meeresgetier, Oliven, Blut von zurechtgehackten Schweine-, Rinder-,
Schaaf- und Hühnerfleisch. Euamellin hätte Hunger bekommen, hätte es in dieser
Gasse nicht auch stark nach menschlichen Ausscheidungen gestunken.
Er versuchte den Weg wiederzufinden,
auf dem er gekommen war. Vergeblich. Er konnte sich einfach nicht mehr
erinnern. Was sollte er jetzt nur tun? […] Euamellin starrte auf die
vorbeieilenden Römer mit den Einkaufspaketen. Ach ja richtig! Bei der
Verfolgungsjagd hatte er gesehen, dass es hier nicht nur die großen Märkte gab,
von denen Trucillus gesprochen hatte, sondern auch viele kleine Läden.
Vielleicht hatte er ja bei so einem Laden mehr Glück. Händler redeten doch
immer gerne. Ein paar verwinkelte Gassen später hatte er auch schon einen
gefunden, der Oliven, Gewürze, getrocknete Feigen und allerlei Gemüse anbot.
Beherzt trat Euamellin ein und sprach den dicklichen Mann hinter der Theke an:
„Da veniam!“ „Salve! Quidnam vis?“ Der Ladenbesitzer lächelte ihm freundlich
zu. „…“ Und weiter? Euamellin fielen keine Worte mehr ein. Nur auf haeduischem Keltisch oder Suebisch. Zuhause in Ubiacum hätte ihm so etwas nie passieren
können! Tapfer hielt er seine Tränen zurück und versuchte es noch einmal. Doch
es wollte ihm einfach nicht auf Latein gelingen. Da kam ihm eine letzte Idee,
vielleicht kannte der Mann ja diesen Quintus Fabius, bei dem er wohnen sollte.
„Quintus Fabius!“, stieß er schließlich hervor. Der Mann zog die Schultern nach
oben „Fabius? Quisnam Fabius?“ Verständnislos blickte Euamellin ihn an. Der
Mann rollte mit den Augen. „quisnamfabiusquisnamfabius?“, verdoppelte er seine
Anstrengungen. Doch auch die erhöhte Geschwindigkeit half nicht weiter. Der
Ladenbesitzer seufzte tief. „Quis Fabiorum? Maximine aut Ambusti, aut Butei,
aut Dorsi? Labeonesne aut Dorsui?“ Euamellin war mit seinem Latein am Ende. Er
konnte einfach nicht verstehen, was der Mann von ihm wollte und ihm nicht sagen
was er wollte. Verloren stand er da und kämpfte dagegen an nicht loszuheulen.
Plötzlich spürte er etwas Feuchtes
an seiner Hand. Überrascht zuckte er zurück. Milmass! Erstaunt blickte er auf
den massigen Körper seines Hundes. Milmass streckte die Zunge aus seinem
breiten Maul und leckt ihm erneut die Hand. Er musste sich losgerissen haben.
Am Halsband hing noch das durchgescheuerte Ende des Seiles. „Milmass, findest
du den Weg zurück zu Callistus und den Allobrogern?“ „Wau!“
Milmass schaffte es tatsächlich, die
anderen wiederzufinden. Sie warteten vor einem geräumigen Gebäude zwischen
lauter eleganten Häusern oben auf dem Esquilin. […] Nach einer Weile trat Trucillus
aus dem Eingangsbereich […]. Gemessenen Schrittes näherte er sich der
Gesandschaft, begleitet von einem dunkelhaarigen Mann in einer edlen Tunika und
einem jüngeren mit blonden Haaren. Den Dunkelhaarigen schätzte Euamellin auf
deutlich unter Dreißig. Er trug einen Bronzering mit gleich mehreren Schlüsseln
an seinem Gürtel und machte ein wichtiges Gesicht: „Salvete! Dominus meus…“,
begann er schnell und mit leichtem Akzent. „Er sagt, dass sein Herr sich noch
in einer wichtigen Besprechung befindet und uns bittet, ihn zu entschuldigen“,
flüsterte Crixos Euamellin die Übersetzung zu. „Einstweilen werden wir ins
Atrium geleitet.“ „Um es kurz zu machen“, unterbrach sie Trucillus, der sich in
seiner Toga möglichst gebieterisch gab, „ihr könnt hier fürs erste unterkommen,
bis Quintus entschieden hat, was mit euch geschehen soll. Ich bin aber
zuversichtlich, dass er euch nicht abweisen wird - bis auf den Jungen. Aber da
wird man sehen müssen […]. Apollonius hier weiß, wie man mich findet, falls es
nötig sein sollte. Und wascht euch, beim Iuppiter und zieht etwas Zivilisiertes
an! Es wird kaum schaden, wenn ihr einen weniger barbarischen Eindruck auf
Quintus und uns andere Römer macht.“ Die Allobroger kniffen die Mundwinkel
zusammen, sagten aber keinen Ton. „Noch Fragen? Nein? Gut. Valete!“ Damit
verabschiedete er sich, verschwand wieder in seiner Sänfte und zog rasch die
Vorhänge zu. Wippend setzte diese sich in Bewegung.
Euamellin machte ein entsetztes
Gesicht. Hoffentlich musste er nicht bei Trucillus bleiben! Vielleicht half es,
wenn man diesen Apollonius irgendwie für sich gewinnen konnte? Er gab gerade
dem Blonden, den er mit »Davus« ansprach, ein paar Befehle. Das Gepäck wurde
abgeladen, Davus grinste, saß zufrieden auf und führte die Gefolgsleute der
Gesandten davon. Euamellin dachte nach. Den Akzent kannte er doch! Von den
griechischen Händlern, mit denen er schon in seiner Heimat geübt hatte.
Apollonius musste ein Grieche sein. „Sei mir gegrüßt, edler Apollonios“, sprach
er ihn auf Griechisch an. Apollonius zog eine Augenbraue nach oben.
„Interessant, du sprichst Koinē, kleiner Barbar? Ihr besitzt einen gebildeten
Sklaven, Männer der Allobroger!“ Euamellin bemühte sich, sich seinen Zorn nicht
anmerken zu lassen. „Nein Apollonius, dies ist Euamellin, Sohn des Snevemin -
ein freier Mann und Sohn eines Adligen vom Stamm der Ubier im hohen Norden“,
klärte ihn Catugnatos auf. „Ubier?“ Apollonius zog eine Braue nach oben. „Nie
gehört. Aber das wird mein Herr zu klären haben. Kommt herein, hier entlang
bitte.“
[…]
„Ich heiße Euamellin, Sohn des
Snevemin.“ „Eua-was?“ Apollonius zog wieder eine Braue nach oben. „Verzeih,
aber das ist nichts für gebildete Ohren. Weißt du was, für den Anfang nenne ich
dich lieber »Rotschopf«, »Rufus«, wenn es dir nichts ausmacht. Falls du länger
bleibst, werden wir weiter schauen.“ Wieder mussten die drei Allobroger lachen.
Crixos schlug »Rufus« kameradschaftlich auf den Rücken. „Dann ist es jetzt
offiziell! Damit du dich gleich daran gewöhnen kannst, nennen wir dich am
besten auch gleich so.“ »Rufus« verzog jedoch das Gesicht. Er hatte so gehofft,
diesen Spitznamen zusammen mit Trucillus los geworden zu sein.
[…]
Ein paar Männer in Toga kamen durch
die Tür zu ihrer Linken und gingen zum Ausgang, begleitet von weiteren
Sklaven. Doch niemand hieß sie
mitzukommen. Crixos machte ein verärgertes Gesicht. „Deswegen ist Sanga nicht
unhöflich“, beruhigte Catugnatos. „Sicher sitzen im Vorzimmer zum Tablinium
noch weitere Klienten und warten. Die meisten kommen schon früh am Morgen. Es
gibt keinen bedeutenden Römer, der tagsüber wenig zu tun hat.“ […]
Dann kehrte Apollonius zurück. „Im
Moment ist auch die Herrin mit wichtigen Gästen im Gespräch. Sie bittet, euch
noch ein wenig zu gedulden. Ich bin aber befugt, euch im Gästetrakt
aufzunehmen. Der offizielle Empfang wird später stattfinden, vor der zehnten
Stunde des Tages würde ich aber nicht darauf warten.“ „Beim Teutates, das ist
ja erst am Abend!“, rutschte es Crixos heraus. Apollonius zog jedoch nur seine
linke Augenbraue in die Höhe. Catugnatos klopfte ihm auf die Schulter. „Schon
gut, wir sind nur ermüdet von der langen Reise.“ Apollonius winkte Syrus heran,
dem er ein paar Anweisungen auf Latein gab […]. „Wenn ihr mir nun bitte folgen
wollt…“
[…]
Die Familie der Fabii Sangae ließ
also noch immer auf sich warten. Irgendwie hatte sich Rufus ein herzlicheres
Willkommen vorgestellt. Dafür konnten sie nun in Ruhe auspacken. […] Ein lautes
Fluchen ließ ihn aufhorchen. Das war doch die Stimme von Crixos! Eilends rannte
er zur Kammer nebenan. […] „Beim Teutates, diese Römer und ihre viel zu kurzen
Betten!“, fluchte Crixos. „Ah, hallo Rufus! Sag mal, kann ich mir mal deine
Kammer anschauen? Bei mir steht ein viel zu kurzes Zwergenbett.“ „Tut mir leid,
aber mein Zimmer und Bett sind genauso klein“, stelle Rufus nach einem kurzen
Blick fest. „Crixos, beherrsche dich!“, hörte er Catugnatos mahnen. „Wir haben
wichtige Ziele und können es uns nicht leisten, unsere Gastgeber zu verärgern.
Die Betten sind hier nicht größer. Leg einfach die Matratze quer auf den
Boden.“ Crixos verzog das Gesicht. „Ich kann dir aber gerne mein Zimmer
anbieten, Crixos“.
Interessiert betraten sie das Zimmer
von Catugnatos. Kaum zu glauben, dass er bereit sein sollte, sein Zimmer zu
tauschen! Es war mindestens doppelt so groß und die Wände waren viel schöner
bemalt: Täuschend echte Ausblicke in eine bergige Landschaft ließen die Wand
gleich viel größer und höher erscheinen als nebenan. Dazwischen hingen Teile
keltischer Waffen an einem aufgemalten Siegesdenkmal. Catugnatos schien dennoch
mit dem Zimmer unzufrieden. Mit ein wenig gequältem Gesichtsausdruck starrte er
auf den Boden. […] Dort bildeten Tausende kleiner Steinchen ein gewaltiges
Schlachtengetümmel ab: […] In der Mitte machte ein Heldenkämpfer ganze Horden
davon nieder, gefolgt von weiteren glattrasierten Kriegern, die bewundernd zu
ihm aufschauten. Ein sehr selbstzufriedenes Lächeln umspielte das kantige
Gesicht der zentralen Figur. Darunter prangten groß die Buchstaben «Q. Fabius Max. Allobrogicus«.
„Beim Teutates, er hat dir
tatsächlich das Allobrogicus-Zimmer gegeben!“ Ollugnio hatte sich zu ihnen
gesellt und betrachtete angewidert die Ausgestaltung. „Ich glaube, ich behalte
lieber mein Zimmer“, meinte Crixos. „Der selbstzufriedene Nachkomme des Fabius
Verrucosus - »Hackfresse Fabius«. Dieses Gesicht würde mir eher den Schlaf
rauben als ein zu kurzes Bett.“ Catugnatos warf ihm einen säuerlichen Blick zu.
„Wir sollten unsere Kommentare wirklich zügeln. Ich fürchte auch, Trucillus hat
recht: Wir sollten uns umziehen. Vor allem die Hosen…“ „Sieh nur!“, unterbrach
ihn Ollugnio. „Es fehlt das Schwert des Luernios!“ Überrascht blickte
Catugnatos zur Wand. „Bist du sicher?“ „Bin ich. Letztes Mal hing es noch genau
hier.“ Ollugnio deutete auf zwei leere Haken am aufgemalten Siegesdenkmal. Die
Farben wirkten hier etwas dunkler, Rufus meinte so etwas wie den Schatten eines
aufgehängten Schwertes zu erkennen. „Du hast recht. Doch die anderen
Beutestücke sind noch alle da. Wer könnte das Schwert abgenommen haben? Und vor
allem, zu welchem Zweck?“
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