8. Nach Süden
Euamellin
hatte noch immer den Sack über dem Kopf und haderte mit sich selbst. Wie konnte
er nur so dumm gewesen sein! Es war leichtfertig gewesen, Diviciacos zu
vertrauen. Immerhin war er der Bruder des Dumnorix, warum sollte er also nicht
mit ihm unter einer Decke stecken. Die Söhne des Deccomarus, bei
Vagdavercustis! Einer wie der andere. Doch halt, hatte sich Diviciacos seinem
Bruder nicht schon zum zweiten Mal entgegengestellt? Er hatte stets einen sehr
ehrlichen Eindruck auf Euamellin gemacht. Aber das hätte auch ein Trick sein
können: Wer so viel über Gesichter wusste, für den war es sicher leicht, beim
Lügen sein eigenes Gesicht zu verstellen. Wenn er sich doch bloß unauffällig
verhalten und auf Suarto gewartet hätte! Nun lag er wie ein Sack Gerste hinten
in einem Wagen und fuhr als schweigsame Last eine holprige Straße entlang. Aua!
Schon wieder eine unebene Stelle. Immer wieder hüpfte der Wagen über
Unebenheiten und riss ihn unsanft aus seinen Gedanken.
Lange
Zeit ließ sich niemand bei ihm auf der Ladefläche blicken. Immer weiter ging
die Fahrt. Am Anfang hatte er noch erahnen können, dass es aus Bibracte zum
Südtor hinaus den Berg steil hinab ging. Doch dann hatte er schnell die
Orientierung verloren. Er war allein mit sich, dem Knebel, dem kratzenden
Hanfsack und den Lederriemen, die ihn in die Handgelenke schnitten. Man
kümmerte sich nicht einmal in den Pausen um ihn, um ihn loszubinden, den Knebel
zu lösen oder ihm etwas zu trinken oder zu essen zu bringen. Es schien es, als
ob man ihn einfach verhungern und verdursten lassen wollte. Und er musste seit
geraumer Zeit so dringend aufs Klo! Schließlich wurde Euamellin unsanft
abgeladen. Eine schwere Türe öffnete sich knarrend, nach ein paar Schritten
trug man ihn kopfüber eine Treppe hinunter. Es war auffallend kalt und modrig.
Nach und nach nahm er außer dem Muff feuchten Gesteins auch den Geruch von
Gewürzen, Getreide, Ton, Schinken und allerlei anderen kost- und essbaren Dingen wahr.
Ein Grubenhaus oder eine andere Art Lager? Schwer zu entscheiden, sehen konnte
er durch den Sack gar nichts. Hören konnte er nur den Atem seines Trägers, der
ihn durch die Gegend schleppte. Ein Schlüssel klapperte in einem Schloss, eine
weitere Tür ging auf. Sein Träger riss ihm den Sack vom Kopf und warf ihn grob
in eine Ecke. „Damit du uns nicht erstickst, du Bengel. Zu Essen findest du
hier ja genug.“ Darauf lachte der Mann widerlich auf. Einen kurzen Moment lang
konnte Euamellin im Widerschein einer Fackel den Raum erkennen. Dann fiel die
Tür wieder ins Schloss und Euamellin war allein im Dunkeln.
Ein
gemauertes Warenlager also, dachte Euamellin, während sich die Schritte seiner
Entführer langsam entfernten, das muss einer dieser »Keller« sein. Hinter ein
paar Säcken hatte er in einer anderen Ecke ein paar sorgfältig gestapelte und
zusammengeschnürte Amphoren wahrgenommen. Vorsichtig tastete er sich durch die
Dunkelheit. Ohne Hände war das nicht gerade leicht. Bei den MatronenAmfratniae, schon wieder! Nachdem er ein paar Mal umgefallen und sich an
anderen Gegenständen oder der Mauer gestoßen hatte, fand er die richtige Ecke.
Jetzt hatte er aber endgültig genug, gefangen gehalten zu werden! Erst die
Sueben, dann die Sequaner und jetzt auch noch die Haeduer. Wenn die aber
glauben, dass ich hier so einfach herumliege, dann kennen sie den Sohn
Snevemins aber schlecht, bei Vagdavercustis! Mit einem starken Tritt versuchte
Euamellin eine der Amphoren zu zerschmettern. Aua! Verflixt hart, diese Dinger!
Nach ein paar Versuchen ertönte ein klirrend schepperndes Geräusch, gefolgt von
einem verräterischen Gluckern. Er scheuerte mit Bedacht die Fesseln an den
scharfen Kanten der zerstörten Amphore. Er musste nur ein wenig aufpassen, sich
nicht selbst in die Hand zu schneiden, dann waren seine Hände frei. Erst einmal
weg mit diesem dämlichen Knebel. So und was nun?
„Hallo!
Ist da wer? Lasst mich hier raus!“ Euamellin schrie sich die Seele aus dem
Leib. Mit aller Macht hämmerte gegen die schwere Eichentüre, bis seine Hände
schmerzten. „Feiglinge, habt ihr etwa Angst, euch zu zeigen? Bringt mir
wenigstens etwas zu Essen und zu Trinken! Denkt an die Götter, die Beschützer
des heiligen Gastrechts! Haaaaaloooo!“. Jetzt hatte er es schon auf Ubisch, auf
Haeduisch und auf Chattisch versucht, doch nichts rührte sich. Verzweifelt sank
er auf den Boden. Ob er hier jemals wieder lebend herauskäme? Wenn nicht würde er
nie wieder mit Drumasua zusammen sein können. Komisch, dass die Nichte Suartos
das erste war, was ihm einfiel. Warum musste er in letzter Zeit nur immer so
viel an diese freche junge Frau denken? Vielleicht war Drumasua inzwischen auch
schon wieder bei ihrer Familie oder hatte gar geheiratet. Euamellin dachte
daran, wie seine eigene Familie wohl die Nachricht von seinem Tod aufnehmen
würde. Bei den Matronen Aufaniae, wie sehr er sie alle vermisste! Vater und
Mutter, Veleda, seine Schwester und die Zwillinge. Was würde er auch dafür
geben, nun seinem Onkel Hristo zuzuhören, auch wenn er schon zum siebten Mal
dieselbe Geschichte erzählte. Unwillkürlich begann er zu weinen. Doch schnell
zwang er sich, damit wieder aufzuhören. Eine letzte Träne kämpfte sich noch
mühsam den Weg aus seinem linken Auge. Ärgerlich wischte er sie mit dem
Handrücken weg. Selbstmitleid war das Letzte, was ihm nun weiterhelfen konnte.
Stöhnend
rieb Euamellin seine schmerzenden Gelenke. Zum Glück waren seine Finger nicht
vollkommen taub geworden. Wahrscheinlich konnte oder wollte ihn hier niemand
hören, wo immer er auch sein mochte. Nur ein zarter Hauch von Alkohol wehte ihm
entgegen. Ach ja richtig, die Amphore. Behutsam tastete er nach einer guten
Stelle, dann tauchte er die Hand hinein und probierte ein wenig. Das musste ein
sehr teurer Wein sein! In Ubiacum hatte er zwar noch keinen trinken dürfen,
aber beim Bedienen hatte er heimlich immer ein ganz klein wenig an jeder Sorte
genippt, wenn niemand hersah. Der hier schmeckte nach den ganz seltenen
feierlichen Anlässen mit adligen Gästen. Wasser gab es keines, also schlürfte
er munter darauf los, um seinen Durst zu stillen. Die eigenartige Schärfe
störte ihn bald nicht mehr. Wunderbar, das löst gleich mehrere Probleme! Mit
einem Seufzer der Erleichterung benutzte Euamellin die untere Hälfte der
eingetretenen Amphore, um seine Blase zu entleeren. Aaaah, endlich! Bei allen
Muttergöttinnen, tut das gut! Jetzt war er erst so richtig hungrig. Mal sehen,
was hier noch so gut riecht. Da drüben muss irgendwo Pökelfleisch sein. Ja,
Volltreffer! Andächtig strich er mit der Hand über einen herabhängenden
Schinken. Nach sequaner Art, in Salz eingelegt und in der Luft zum Reifen
aufgehängt. Na dann guten Appetit! Mit Heißhunger machte er sich über den Schinken
her. Am Ende war Euamellin wohlig müde. Die Gedanken an die Gefangen-schaft
waren auf einmal seltsam entrückt und schienen ihn irgendwie gar nichts mehr
anzugehen. Er legte sich hin und sank in einen tiefen Schlaf.
Mit
einem Mal flog die schwere Eichentür auf und knallte gegen die Wand. Euamellin
fuhr aus dem Schlaf hoch. Ein Mann Anfang Dreißig mit einer langen dicken Nase
stürmte in den Raum, begleitet von ein paar breitschultrigen Männern, die wie
brutale Schläger aussahen. Sie trugen fast ärmellose rot-gelb karierte Kittel
über einer gelb-rot karierten Hose. Dumnorix und sein Gefolge. Neben dem glatt
rasierten Dumnorix stand ein genauso glatt rasierter junger Mann in vornehmer
Kleidung. Den hatte er doch auch schon einmal gesehen. Litaviccos? Ein
blondgelockter Jüngling in schlichtem Gewand stand auf der Türschwelle und
blickte etwas angewidert drein. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte
Euamellin zu erkennen, was vor sich ging. Aber was war nur mit ihm passiert?
Alles drehte sich, es gelang ihm nicht aufzustehen. Sein Kopf pochte und seine
Zunge hing ihm so schwer im Mund. Der Schein der Fackeln blendete ihn auch wie
hellstes Tageslicht… Der Wein musste wohl vergiftet gewesen sein. Verwundert
starrte er auf die Männer, die ebenso überrascht zurückstarrten, wie Euamellin
versuchte, sich am Boden festzuhalten, um nicht wieder umzufallen.
„Sieh
nur, Herr, er hat die Fesseln aufbekommen!“ Dumnorix kratzte sich an seinen
dichten, dunklen Haaren. Einer seiner Männer leuchtete mit einer Fackel in die
Ecken: „Beim Taranis, schau mal was die kleine Ratte hier mit den Zolleinnahmen
von Dumnorix gemacht hat!“ Euamellin rieb sich seinen schmerzenden Kopf. „Wenn
in der italischen Amphore da ein Falerner war, dann muss ich ihn schon aus
Prinzip umbringen“, kündigte Litaviccos kaltlächelnd an. Er zog sich das
Lederband zurecht, mit dem er seine hellbraunen Haare wie Dumnorix in einem
überkorrekten Scheitel zusammengebunden hatte. Amüsiert betrachtete Euamellin,
wie Litaviccos dann seine Hand in die zerbrochene Amphore tauchte, etwas
Flüssigkeit schöpfte und daraus trank: „Bist du sicher, dass du als Zollanteil
nur Spitzenweine einbehalten hast? Erinnert mich an etwas - eine bekannte Note.
Aber sicher nicht der beste Wein… etwas bitter ist er schon. Sicher auch kein
Caecuber, nicht einmal ein Sorrentiner… Schade, Dumnorix, der muss wohl bereits
auf dem Transport verdorben sein.“ „Da- Da- Davon gibt‘s jeddnflls ei-nn nie
ver-siggndn Nachschub“, lallte Euamellin grinsend, „das knn isch euch
v-v-v-versisch-sch-schern“. Komisch, warum wollte ihm denn seine Zunge nicht
mehr richtig gehorchen? Aber wen interessierte es schon. „Ihr, Hae- Hae-
Haeduer trinkt ein- ein- einfach alles, oder?“ Bevor er sich versah, war er
auch schon rückwärts an die Wand geflogen.
Einer
der Schläger hatte Euamellin einen gewaltigen Faustschlag versetzt. Seine Wange
brannte und seine Kopfschmerzen nahmen zu. Eigenartigerweise schien ihm das
aber im Moment ziemlich egal zu sein. Euamellin musste sogar unwillkürlich
lachen. Dumnorix verschränkte seine muskulösen Arme und sah ihm finster in die
Augen. „So, jetzt kannst du mir hoffentlich zuhören. Was hast du mitbekommen
und wem hast du etwas erzählt?“ „Wa- Wa- Was habe ich wie?“ Dumnorix nickte in
Richtung eines seiner Männer, wieder setzte es eine Ohrfeige. Diesmal brannte
seine andere Wange wie Feuer. Trotzdem kicherte Euamellin nur. „Versuchen wir
etwas anderes. Wie viele Reiter hat Ariovistos und wie viele Fußtruppen?“ „Wo,
denn? Ich ich ich – kann gar kei- keine sehen?“ Dumnorix fuchtelte mit seinen
Händen hinter seinen Kopf. Wieder bekam Euamellin einen Schlag ab. Dumnorix
beugte sich vor, bis dass er Euamellin fast mit der Nase berührte. „Was weißt
du über mich und meine Pläne? “ „Ha- Hat dir schon einml jemmand gesaaaagt, was
du für ei-eine riiiiiieeeesige Nase hast, Dumno- Dumno- Dumnodingsbums?“ Der
junge Mann im Türrahmen konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen. Wieder
krachte Euamellin an die Wand. Diesmal sprang der Schläger hinterher und riss
Euamellin an einer Hand in die Höhe, während er die andere zum Schlag hob. Der
Jüngling am Türeingang schnaubte erbost. „Ja, mach den Rotzlöffel fertig“,
feuerte Litaviccos ihn dagegen an. Doch Dumnorix pfiff seinen Schläger zurück.
„Halt! Merkst du nicht, wie zugesoffen der Kleine ist? Das bringt so überhaupt
nichts, der hat sich gegen die Schmerzen betäubt. Wartet, bis er wieder
nüchtern ist. Dann lässt er sich besser bearbeiten.“
„Aber
Dumnorix, wir müssen doch heute noch wieder zurück nach Bibracte!“ „Das macht
nichts. Ich glaube nicht, dass er viel mitbekommen hat. Außerdem könnt ihr das
hier alleine zu Ende bringen.“ Dumnorix gab ein Zeichen nach hinten, dann wurde
ihm ein Mantel gereicht. „Sobald er nüchtern ist, verhört ihn alle paar
Stunden.“ Dann tippte er auf den jungen Blondschopf: „Der Nichtsnutz hier ist
in Cavillonum am entbehrlichsten. Schickt mir einfach Viridomaros als Boten,
damit ich weiß, wie es ausgegangen ist - und dann schafft den da weg. Wenn er
bis dahin noch etwas wert sein sollte, könnt ihr ihn ja bei den Nichtkelten
nebenan als Sklaven verkaufen. Wenn nicht… Nun, ihr wisst ja, wie man
aufräumt!“ Damit fiel die Türe wieder ins Schloss. Schritte entfernten sich.
Euamellin musste sich plötzlich übergeben. Was für eine Art, einen Gast zu
behandeln! Erst vergifteter Wein, dann auch noch Schläge. Ausgerechnet die
Haeduer sollten also die großartigsten Sitten haben? Wer dieses Vorurteil nur
erfunden hatte - na, der war wohl kaum jemals ihr Gast gewesen!
Als
Euamellin das nächste Mal wach wurde war er schon wieder gefesselt. Die Schläge
mussten wohl härter ausgefallen sein, als er ursprünglich wahrgenommen hatte.
Es waren aber weniger die blauen Flecken und die aufgerissene Lippe, die ihn
schmerzten. Seine Haare steckten wie lauer kleine Nadeln in seinem Kopf. Seine Zunge
fühlte sich an, als sei sie mit Schlamm beschmiert. Und sein Kopfschmerz erst,
der war einfach unbeschreiblich. Jedes Geräusch dröhnte in seinen Ohren und
sogar das Licht einer Kienspanfackel blendete ihn grell. Die Schläger waren
davon jedoch völlig unbeeindruckt. Gnadenlos kamen sie in unregelmäßigen
Abständen und schlugen ihn abwechselnd, wenn er die falschen oder keine Antwort
geben konnte. Dabei wusste er wirklich nicht, was sie eigentlich von ihm
wollten! Er war nah daran sich einfach irgendeine Geschichte auszudenken, und
die zu gestehen.
„Und
- was machen wir jetzt?“, fragte einer seiner Wärter, als Euamellin wieder
wimmernd in der Ecke lag, aber nicht recht wusste, welche Antwort man von ihm
erwartete. „Weiß auch nicht“, entgegnete der andere. „Wir könnten ihn einfach
zu Taranis in die Anderswelt schicken, dann brauchen wir uns nicht mehr mit ihm
abzumühen.“ „Ich weiß nicht, hat Dumnorix nicht gesagt, wir sollen ihn
verkaufen, wenn er noch etwas wert ist?“ „Wenn wir so weitermachen ist er nur noch
Matsch. Viel kann ein Junge ja auch nicht arbeiten. Schau ihn dir doch an: Der
ist sicher reich aufgewachsen. Der hat noch nie arbeiten müssen. Ich glaube,
der ist sowieso nicht viel wert.“ „Gut bringen wir‘s hinter uns.“ Der verzog
seinen starken Unterkiefer zu einem dümmlichen Lächeln, zückte seinen Dolch und
kam auf Euamellin zu. „Wartet“, schrie Euamellin, „ihr macht einen Fehler! Ich
bin viel wert, oh ja, sehr viel!“ Fragend blickte der starke Unterkiefer zu
seinem Schlägerkumpan. „Der lügt doch nur. Warum solltest du denn etwas wert
sein?“ „Hört doch! Mein Akzent! Das heißt, ich kann mehrere Sprachen sprechen.
Ich kann auch Suebisch und Griechisch! Und ich kann sogar schreiben. Wenn ihr
mir ein Wachstäfelchen und einen Stilus bringt, kann ich es euch beweisen.“ Die
Schläger zögerten. „Aber er sagt uns nichts. Wenn er nichts weiß, muss er weg.“
„Wenn er etwas weiß, dann erst recht, so sind die Anweisungen.“ „Ich stamme aus
einer reichen Familie, die würden sicher eine hohe Belohnung zahlen, wenn ihr
mich freilasst. Und Suarto, der Sohn des Curmillo auch. Suarto, der Händler mit
der Stimme im Rat von Bibracte …“ Da trat der junge Blondschopf durch die Türe:
„Er hat Recht. Ein gebildeter Sklave ist viel wert. Schon ein gewöhnlicher
bringt mindestens zweimal tausend Silbermünzen. Dumnorix wäre sicher verärgert,
wenn ihr sein Kapital beschädigt.“ „Nerv uns nicht, Kleiner, wir müssen
überlegen.“ „Und dabei will ich euch doch nur helfen. Wie wäre es, wenn ich
nach Bibracte zu Dumnorix reite? Das war
doch sowieso ausgemacht.“ „Ja, Viridomaros, aber nur hinterher!“ „Na gut, aber
so könnt ihr nichts verkehrt machen.“ Die beiden Schläger sahen sich
unschlüssig an. „Nein, bringen wir ihn lieber um. Das gefällt mir besser. Geht
schneller. Muss man weniger nachdenken und warten.“ „Und wenn er doch mehr wert
ist? Ich bin mir sicher, dass Dumnorix nichts dagegen hätte, wenn ihr am
späteren Verkauf eine kleine Beteiligung für euch selbst einsteckt. Vielleicht
hat er sogar noch Geld bei sich. Habt ihr ihn schon durchsucht?“ „Ja, das
stimmt!“, meldete sich Euamellin zu Wort. „Hier, schaut mal in meinen
Lederbeutel am Rücken!“ Verwundert sahen sich die Schläger an. „Nehmt nur,
könnt ihr alles haben!“ Voller Verlangen räumten die Schläger den Lederbeutel
aus und kramten staunend Fibeln, »Tanzende Männlein« Regenbogenschüsselchen und
auch den Glashund zwischen den Wollstreifen hervor. „Ich sattel dann schon mal
ein Pferd, ja?“ Doch die beiden beachteten ihn kaum noch. Lediglich ein
zugenicktes „Hunf“, bekam Viridomaros zu hören. Mit gierigen Augen begannen
sie, sich über Euamellins weitere Barschaft herzumachen.
Auch
danach bekam Euamellin regelmäßigen Besuch von seinen Wärtern. Sie waren beim
Verhör allerdings nicht mehr so recht bei der Sache. Ihre Schläge waren weniger
fest als zuvor. Wahrscheinlich wollten sie nur irgendwie den Auftrag erfüllen,
ohne dabei den Verkaufswert für den zukünftigen Sklaven zu mindern. Sie
schienen sich sehr sicher zu sein, auch etwas abzubekommen. Trotzdem war
Euamellin verzweifelt. Hier unten bekam er nicht einmal mit, ob es Tag oder
Nacht war. Er konnte nur warten und hatte nicht mehr die geringste Vorstellung,
wie viel Zeit verstrichen war. Ob Dumnorix schon geantwortet hatte? Wenn er ihn
als Sklaven an irgendwelche fremden Händler verkaufen sollte, dann würde er
kaum jemals wieder in seine Heimat zurückfinden. Und Drumasua würde er auch nie
wieder sehen. Und wenn man ihn doch umbrachte, dann musste er in der Anderswelt
noch lange auf Drumasua oder auf seine Familie warten. Nur der Gedanke, dort
Großvater Staveno wieder zu sehen, tröstete ihn ein ganz klein wenig.
Als
er wortlos eine Schale mit Brei hingestellt bekam und man sofort wieder die
Türe schloss, wurde er so wütend, dass er die Schale gegen eine Wand
schleuderte, wo sie zerbrach. Dann weinte er. „He, kleiner Germanenjunge!“,
drang plötzlich die Stimme von Viridomaros durch die Tür. Er war zurückgekehrt.
„Kleiner Germane, bist du da?“ „Was willst du? Musst du nicht wenigstens
reinkommen, um mich zu schlagen oder umzubringen?“ „Pst! Euamellin, sei leise,
beim Teutates!“
Verdutzt
kroch Euamellin näher an die Tür. „Ich schicke dir schöne Grüße, Grüße aus
Bibracte. Halte nur noch ein wenig aus. Du darfst nur in keinem Fall sagen, ob
und was du mit angehört hast! Hast du verstanden?“ Dann hörte Euamellin von
oben den Schläger mit dem starken Unterkiefer rufen: „Viridomaros, du bist
zurück? Was machst du denn da unten bei dem Gefangenen?“ „Keine Sorge ich gehe
ja schon!“ „Nein, nein, bleib nur schön hier! Dumnorix hat uns einen anderen
Reiter geschickt. Er traut dir wohl nicht mehr. Du hast dich einmal zu oft bei seinem
Bruder sehen lassen. Wir sollen uns doch »gründlich« um den Bengel kümmern,
aber du darfst ihm schon einmal vorausgehen: In die Anderswelt zu Teutates! Jetzt
bist du fällig, Viridomaros!“
[…]
[Wie es jetzt weitergeht? Nun, das Ende des ersten Bandes
werde ich nicht schon in der Leseprobe ausplaudern… : ) Dafür geht es weiter mit Leseproben aus dem
zweiten Band, „Geheimnisse in Rom“. Das erste Kapitel beginnt hier mit: „Roma".]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.