Die „Rufus“-Reihe soll jeder verstehen und genießen können, Jugendliche und Erwachsene, Studierte und Nichtstudierte. Wer sich im Roman auf fremde Welten einlässt, der wird auf unterhaltsame Weise ganz automatisch kennenlernen, was die damalige Zeit so alles zu bieten hatte - und lernt beim Lesen wie von selbst. Alles so authentisch und historisch korrekt wie möglich zu erzählen und dabei spannend zu bleiben, das ist mein Ziel.
Die „AMORES - Die Liebesleiden des jungen Ovid“ sind dagegen nicht immer ganz jugendfrei (wie auch die Originalverse Ovids und seiner Zeitgenossen). Der Laie kann sich über die „moderne“ Sprache & Handlung freuen, der Fachmann über zahlreiche Anspielungen und intertextuelle Scherze.
Auf dem Blog zeige ich einen Blick hinter die Kulissen. Dabei gebe ich auch Hintergrundinformationen über Politik und Alltagsleben der späten Republik und frühen Kaiserzeit in Rom und einiger Kelten- und Germanenstämme.
Feste Probeleser aus verschiedensten Altersgruppen haben bereits die ersten Bände gelesen. Die Rückmeldungen setze ich um. Sehr gute Feedbacks kamen dabei nicht nur von Universitätsprofessoren und anderen Fachleuten sondern gerade auch von Schülerinnen und Schülern - vielleicht demnächst auch von dir? Gerne nehme ich jede gute Anregung auf (Rufus.in.Rom@gmail.com)...

Mittwoch, 31. Januar 2018

XIII. Es war die Lerche: Im Bett mit Corinna

Als Textprobe hier ein Auszug aus dem dreizehnten Kapitel des ersten Bandes „Die Liebesleiden des jungen Ovids – Einzig Corinna" (hier geht es  zumersten, zweitendritten, vierten, →fünften, sechsten, siebten, achten  neuntenzehnten, elften und zwölften Kapitel).
Über Anregungen und Kommentare würde ich mich freuen!



Kapitel 13: Es war die Lerche: Im Bett mit Corinna
Mit einem genüsslichen Grunzen kuschelte sich Naso enger an seine Geliebte. Irgendetwas schien ihn geweckt zu haben, doch nur ein Dummkopf würde in so einer Lage ernsthaft daran denken, aufzustehen.
Corinna hob müde den Kopf.
„Hast du das gehört?“, brummte sie verschlafen.
Mühsam richtete sie sich auf und fuhr sich über die noch ungekämmten Haare.
Iam super oceanum venit a seniore marito - flava pruinoso quae vehit axe diem.
cb aurora ©: S. Gerlinger CC-BY 4.0
Wie sie halb ausgestreckt auf dem purpurfarbenen Polster lag, erinnerte sie Naso an eine der wilden Frauen aus Thrakien: ungepflegt, aber ungemein anmutig! So stellte er sich die Bacchantinnen vor, wenn sie nach ihren orgiastischen Riten erschöpft ins grüne Gras sinken….
„Ist das schon eine alauda?“, gähnte sie. „Komm, die Lerchen sind bereits wach…“
alaudae? Die Lerchen stehen doch im fernen Germanien im Felde, die ganze fünfte Legion, und da herrscht ewiges Dunkel… Es kann also nur eine Nachtigall gewesen sein. Selbst Loquax schläft noch. Leg dich wieder hin!“
Er zog sie sanft auf die Matratze zurück und gab ihr einen Kuss.
Vom Papagei war in der Tat noch kein Laut zu vernehmen.
„Nein, du weißt doch…. es ist gefährlich, wenn wir zu lange liegen bleiben. Wenn Titus jetzt kommt…“
„Keine Sorge, ich bin ja bei dir, wenn sie kommt, diese kleine, flügellahme Ober-Lerche. Komm, kuscheln wir weiter!“
Corinna bedachte ihn mit einem skeptischen Blick, ließ sich aber nur allzu gern wieder zurückziehen. Sie gab ihm einen Kuss, lehnte sich an ihn und erwiderte seine Umarmung.
Wieder erklang ein Vogellaut.
„Da, hörst du? Es war doch die Lerche. Sie singt schon.“
„Nein, das war nicht die Lerche, es war die Nachtigall! IHR Lied erklang in deinen furchtsamen Ohren. Sitzt sie nicht oft auf deinem Feigenbaum im Gärtchen? Komm wieder runter zu mir, wir kuscheln gerade so schön. Der Tag ist ja noch fern!“
Corinna blinzelte mühsam.
Erneut hörte man den Gesang des Vogels.
Corinna setzte sich auf.
„Lerche! Aufstehzeit!“
„Nein, nur die Nachtigall!“, zog Naso sie zurück. „Sei nicht so unpoetisch…“
Er gab ihr einen zärtlichen Kuss,
Sie betrachtete ihn mit einem amüsierten Lächeln, richtete sich dann aber wieder auf.
„Nein, die Lerche war‘s, die Tagverkünderin: Sieh doch, schon naht die blonde Göttin auf ihrem taubedeckten Wagen, der den Tag heraufführt, gleich eilt Aurora herbei, auch sie erhebt sich von der Seite ihres Gatten – na, jetzt poetisch genug, mein Weckruf? Hätte doch glatt von Homeros sein können…“
Naso blinzelte.
„Aurora? Nein, nicht die Morgenröte ist’s, es ist nur dein Haar, das so rötlich schimmert. Leg dich hin, lauschen wir noch ein wenig der Nachtigall!“
Corinna fuhr sich durch ihre künstlichen Locken.
„Hast du vielleicht etwas an meiner neuen Frisur auszusetzen?“
„Du hättest die Haare wirklich nicht färben müssen – aber du hast recht: Rot steht dir auch. Wie nahtlos es in das purpurfarbene Polster übergeht… als wärest du eins mit der ganzen Matratze…“

[...]

„Doch! SO schön!“ Er gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. „Als ob du schon selbst die Göttin der Morgenröte wärest… Bleib liegen Aurora! Sonst geht die Nacht so schnell vorbei!“
Corinna erwiderte die Umarmung, dann zog sie eine Augenbraue nach oben.
„Die Nacht? Sieh doch, die Dämmerung ist schon unterwegs…“
Naso sah zum Fenster.
Noch drang kaum Licht durch die Läden
„Wohin eilst du, Aurora? Bleib doch noch!“ Er ließ sich zurückfallen und nahm Corinna mit, die ihn noch immer umschlungen hielt. „Jetzt ist es so schön, in den Armen der Geliebten zu liegen. Wenn jemals, dann ist sie jetzt so schön an meine Seite geschmiegt… Bleib noch fern, so sollen die Memnonsvögel deinem Sohn ihr jährliches Opfer bringen…“
Loquax krächzte müde aber protestierend unter seinem Tuch hervor. Auch er war anscheinend eher für die Nachtigall zu haben.
„DAS ist also deine Vorstellung von Poesie, sich gegenseitig zerfleischende Vögel? Glaubst du, du könntest die Morgenröte aufhalten, wenn du auf den Tod ihres Sohnes vor Troja anspielst? Eine seltsame Verheißung von Belohnung! Ich bin weder Jurist noch Priesterin, doch für die Erfüllung eines Wunsches einer Göttin scheint mir der Gegenwert zu gering: Was hat sie denn von den gefallenen Gefährten ihres Sohnes? Verwandelte Vögel, die sich opfern… arme Aurora!“
„Ehre für die Mutter! Das ist doch der eigentlich Zweck jedes Sühneopfers. Wozu Gladiatorenspiele, ohne die Toten zu ehren? Aurora sei geehrt und bleib bei deinem unsterblichen Tithonos liegen. Solange ihr schlaft, siehst du sein Alter nicht…“
„Schlaft, schlaft!“, machte sich Loquax kehlige Stimme bemerkbar.
Corinna schielte zum Fenster.
„Sicher ist sie schon wach. Ältere Männer schnarchen…“
„Schnarche ich?“
„Aber nein!“ Corinna gab ihm einen Kuss. „Aber noch bist du auch nicht so alt wie ein Greis, dem Unsterblichkeit zu Teil wurde, nicht aber ewige Jugend. Pech für Aurora. Warum hat sie das nicht gleich mit gewünscht? Gleich wird sie zu sehen sein...“
„Für den Moment noch nicht!“
Naso zog sie wieder auf die Matratze zurück.
„Für den Moment vielleicht noch nicht, kann aber nicht mehr lange dauern… Sei gegrüßt Aurora, schaust du bei uns vorbei?“
„Bleib fern! Jetzt ist der Schlaf noch tief und die Luft kühl und die Vögel singen hell mit zarter Kehle…“
„Schlaf, Schlaf“, stimmte Loquax zu.
„Die Lerchen… Steh auf! Mir kommt das außerdem recht bekannt vor… Sappho, Propertius oder Tibullus auf dem Krankenbett? Los komm schon, Aurora eilt gleich herbei.“
„Nachtigallen, keine Lerchen…! Wohin eilst du Aurora? Du bist den Männern nicht willkommen, noch unwillkommener den Mädchen! Zieh doch die taubedeckten Zügel an, mit deiner purpurfarbenen Hand. Brems deinen Wagen ab! Wie soll sich der Seemann noch nach den Sternen richten, wenn du aufgehst? Lass ihn doch nicht ahnungslos mitten auf dem Wasser umherirren! Lass die Nacht noch verweilen…“
„Auch das kommt mir bekannt vor… beklagt sich nicht auch Meleagros so ähnlich über Eos, die Morgenröte?“
„Ja und zwar völlig zu Recht! O Aurora, du bist wirklich hochunwillkommen! Wenn du kommst, dann erhebt sich der Wandersmann, wie müde auch immer er noch sein mag…“
„Los, denk an Titus!“
„… und der Soldat, der seine grausamen Hände an die Waffen legt…“
„So war das nicht gemeint! Und, bringt das heraufziehende Tageslicht nicht auch viele Vorteile? Ist es nicht schön, so zart geweckt zu werden, die Morgendämmerung in ihrer prachtvollen Farbe zu erleben? Oder willst du etwa sofort gleißendes Sonnenlicht? Wenn man Aurora sieht, arbeitet es sich doch darauf viel schöner.“
„Aurora, Aurora“, machte der Alexandersittich auf sich aufmerksam.
„Nein, Aurora, bleibe fern, du bringst nur Mühsal und Arbeit!"

[...]
„Beschimpfen? Ich wünschte, es wäre Tithonos erlaubt, von dir zu erzählen: Keine würde man im Himmel mehr beschimpfen! Du suchst dir andere Abenteuer, dein Mann liegt eingeschlossen im Schlafgemach. Du schauderst morgens vor deinem überalterten Gatten zurück, fliehst vor der Umarmung des Greises aus dem Bett und besteigst das verwünschte  Gefährt.“
„Schön, dass du meine Umarmung nicht fliehst...“ Corinna nahm ihn fest in ihre Arme. „Ich kann sie verstehen. Ich würde auch lieber zu einem jungen Cephalus wie dir eilen...“
„Ja! Orion, Cleitus und Cephalus entführst du einfach! Würdest du einen wie Cephalus in deiner Umarmung halten, dann würdest du ihn fest mit beiden Händen halten und rufen: "Brrr, rennt nur langsam, ihr Pferde der Nacht!"“
„Rennt langsam – Eile mit Weile?“ Corinna zog eine Augenbraue nach oben. „So wie das Lieblingsoxymoron des Erhabenen speàde bradšwj? Musst du denn immer Seitenhiebe auf den Erhabenen setzen? Irgendwann wird ihm das jemand erzählen…“
“Aurora, mach langsam! Warum soll denn ich dafür bestraft werden, dass dein Gemahl vor sich hin welkt? Hab ich dich etwa mit diesem Greis verkuppelt? Nein! Dipsas vielleicht...“
„So alt ist sie auch wieder nicht…“
Dennoch musste Corinna kichern.
„Doch“, beharrte Naso, „die ist alt genug, selbst für das mythische Zeitalter! Sie ist so alt, ihr erster Sonnenaufgang WAR der erste Sonnaufgang - kaum dass Nyx und Erebos Hemera gezeugt hatten, den ersten Tag! Sie hat bei der Jungfernfahrt des Sol zugesehen. Deswegen ist ihr Haar auch zum Teil schwarz, grau und weiß: verkohlt und verbrannt – sie stand zu nahe an seinem Sonnenwagen…
„Naso!“
Corinna drückte ihm ein Kissen ins Gesicht.
Als er sich fallen ließ und sie zum Kissen hin zog, war sie nahe daran, sich auf ihn einzulassen. Doch dann riss sie sich zusammen und ihm das Kissen wieder weg.
„Genug! Mehr Schlaf schenkt uns Aurora nicht.“
„Nicht? Sieh doch nur, Aurora, wie viel Schlaf  Luna ihrem geliebten Jüngling geschenkt hat! Du bist doch auch nicht weniger schön als die Mondgöttin, oder doch? Selbst der Göttervater hat nach seinem Wunsch zwei Nächte zu einer zusammengezogen, um dich nicht so oft sehen zu müssen...“
Corinna erhob sich.
„Genug geschimpft? Bist du jetzt fertig?“
Sie öffnete die Fensterläden.
Die Morgendämmerung tauchte das Zimmer in rosigen Schimmer.
„Sieh nur“, sprang Naso auf. „Sie hat meine Beschimpfungen gehört! Sie ist rot geworden...“
„Ja“, lachte Corinna, „das schon. Vielleicht schämt sie sich tatsächlich, aber nicht genug, um mit ihrem Wagen wieder umzudrehen. Deine kleine suasoria hat sie wohl nicht recht überzeugen können: der Tag ist nicht später heraufgezogen, als sonst auch.“



„Jetzt aber fort mit Dir! Titus wollte mich heute Morgen besuchen kommen. Zusammen ein kleines prandium einzunehmen, war schon riskant genug.“
Corinna versuchte ihn mit ihren Händen davon zu wedeln, während Nape bereits mit Haarnadeln und Spiegel bereit stand. Die Reste des Frühstücks hatte sie bereits in die Küche hinunter getragen.
Naso blieb liegen und machte keine Anstalten, sich verscheuchen zu lassen. Im Gegenteil, er sank wieder auf das Kissen zurück.
„Dann haben wir noch Zeit!“, freute er sich. „Keine Sonne, den ganzen Tag Nacht…. Sicher haben er und seine Haubenlerchen sich angepasst, im fernen Germanien. Die sind dort berühmt dafür, bis in den hellen Tag hinein zu schlafen. Und dann muss er erst noch vom Palatin einmal quer durch Rom, durch Subura bis hier hoch zum Esquilin…“
„Er ist Soldat! Die stehen noch vor dem Morgengrauen auf. Denk nur an die militärische Disziplin….“
„Militärische Disziplin? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man allein von puls so zunehmen kann! Hast du mal Weizenbrei essen müssen?“
„Sicher! Wer hätte das nicht? Du bist sicher der einzige Einwohner in ganz Subura, der ohne ihn aufgewachsen ist…“
„Und ohne zähes panis militaris! Dazu soll das Essen der Einheimischen furchtbar sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Titus lange von posca überlebt. Wobei… sein Weingeschmack hat schon etwas Weintrester und verdünntem Weinessig…“
„Naso, komm schon…“
„Nur allzu gerne!“ Er umarmte sie und bedeckt sie mit leidenschaftlichen Küssen.
Sie befreite sich aus seiner Umklammerung.
„Komm jetzt endlich!“
„Keine Angst, Titus kommt garantiert später“, versuchte es Naso von Neuem, wobei er Nape und die Schminkutensilien geflissentlich ignorierte. „Sicher hat er sich Delikatessen aus Gallien; Massilia oder Italien servieren lassen. Hast du zuletzt einmal auf seinen Bauch geachtet? Der erhält jedenfalls mehr als genug Nachschub…“
Corinna stieß ihn unsanft aus dem Bett und setzte sich vor den Schminktisch.
„So jetzt schließe ich aber das Schlafgemach!“ rief sie, ohne sich zu ihm umzudrehen. „Schließlich sollte man nicht die Baustelle sehen, sondern nur das fertige Werk…“ Sie winkte Nape heran, die sogleich begann ihre Haare zu kämmen. „…ʺVieles sollten die Männer nicht wissen, das Meiste verschreckt sie…ʺ Hast du das nicht selbst geschrieben?“
Naso riss die Augen auf.
„Was? Woher hast du…“
Sie kicherte, die Augen fest auf ihren Bronzespiegel gerichtet.
„Du hast neulich eines deiner Täfelchen liegen lassen.“ „ʺNicht -außer ganz fern vom Mann- mache den Männern dich schön!ʺ Also raus jetzt!“
[...]

„Gut, ich sage dir, wofür die gut ist. Aber rücke mir bitte nicht so dicht auf die Pelle! Nape kann ja kaum noch arbeiten...“
„Also, wofür ist diese Paste? Riecht ein wenig nach Honig...“
„Für eine natürlich glänzende Haut ohne Runzeln.“
„Und woraus besteht sie?“
„Honig, wenn du es unbedingt wissen musst. Richtig erraten. Gemahlene und entspelzte Gerste, Erbsen, Eiern, Hirschgeweih, Narzissenzwiebeln und... Honig eben.“
Fasziniert hing Naso an Corinnas Lippen.
»Viel interessanter, als ich zuvor gedacht hatte. Kommt mir ein Bisschen so vor wie Zauberformeln. Gesichtszauber... so etwas würde sicher viele Leser finden - oder lieber ein kleiner Schminkratgeber…? Schönheitsmittel...? Medicamina Faciei...?«
Als Nape ein anderes Döschen öffnete, rümpfte er jedoch sogleich die Nase.
„Was ist das denn DA drin?“
„Bestes Oesypum, direkt aus Athen.“
»Stinkt enorm«, dachte er angewidert, wagte aber nicht, dies anzusprechen. »Das habe ich mir doch schon einmal an der Via Sacra erklären lassen. Gewinnt man dieses Extrakt nicht aus dem Schweiß und Schmutz, der an ungewaschener Schafwolle klebt? Auf jeden Fall - DIE Sache stinkt...«
„Beim Mars! Lass mich sofort rein, oder ich breche die Türe auf, du stinkender Syrer!“
Titus!



Sein Gebrüll war bis nach oben in Corinnas Schlafgemach zu hören.
Ein leises Quietschend ließ sie erschauern.
Syrus hatte das Gartentor geöffnet.
Nape ließ das Oesypum-Döschen fallen.
Corinna biss sich auf die Lippen.
Die Bohlen knarzten laut auf.
Titus hatte bereits die Treppe überwunden.
Geistesgegenwärtig schob Corinna den Riegel vor, gerade noch rechtzeitig, bevor Titus an der Tür rüttelte.
„Mach auf! Du brauchst gar nicht erst so zu tun, als ob du schlafen würdest. Ich habe Euch schon von der Straße aus gehört! Ist das etwa dieser Vedius bei Dir?“
„Bei mir – nein? Wie kommst du nur darauf, Liebling? Ich bin hier allein mit Nape.“
Corinna sammelte in Windeseile Nasos Kleider und warf sie ihm einzeln zu, während er sie hastig überstreifte.
Titus rüttelte wild an am Türgriff.
„Und warum schließt ihr dann die Türe zu?“
„Deinetwegen! Ich bin bei der Morgentoilette: Vieles ist häßlich, während es geschieht und gefällt, wenn es geschehen ist! Weißt du denn nicht, mein Schatz, dass jede Frau ihre Schlafzimmertür beim Schminken abschließen sollte?“
„Los raus!“, zischte sie Naso leise zu während Titus als Antwort nur heftiger gegen das Holz schlug.
„Wie denn?“ flüsterte er zurück. „Titus steht draußen, der einzige Weg führt doch durch Napes Zimmer!“
Nape öffnete die Fensterläden und winkte.
Naso blickte zum Garten hinab und wurde bleich.
»Von der Mauer aus zum Ende der Treppe, das ging gerade noch so - aber von Corinnas Fenster aus – ist das nicht viel zu weit…?«
Titus hörte auf, gegen die Türe zu hämmern.
„Irgendjemand ist aber noch bei dir! Ich habe seine Stimme gehört!“
„Nape hat eine ziemlich tiefe Stimme für eine Frau – wenn sie will…“ und leise zu ihrer Dienerin: „Los sing, so tief du kannst, so wie in deiner Heimat…!“
Ein ohrenbetäubender Kehlkopfgesang erfüllte den Raum
Während Nape so laut und tief sie konnte sang, hievte Corinna Naso kurzerhand zum Fenstersims.
„Beim Hercules! Hast du aber Kraft! kein Wunder kannst du solche Klunker tragen…“
„Los, runter!“
Sie gab ihm noch einmal einen leidenschaftlichen Kuss.
Naso spürte die Hefe in seinem Gesicht und schmeckte das Rot des Lippenbalsams.
»Nicht auszudenken, was Titus und Carisius mit ihr anstellen würden, sollten sie Corinna zusammen mit mir erwischen…«
Er nahm all seinen Mut zusammen und machte einen gewaltigen Satz. Am Treppengeländer blieb er hängen, schaffte es jedoch, sich hochzuziehen, sprang von dort auf die Mauer, ließ sich hinunter und drückte sich möglichst flach dagegen.
Von oben rieselten ein paar Bröckchen Putz herunter, die er mit den Füßen gelockert hatte. Er fischte sie sich aus den Haaren. Ob Titus den losen Putz gehört und ihn entdeckt hatte?
Nein, unmöglich: So wie er da unten kauerte, konnte ihn Titus unmöglich sehen. Zumindest im Augenblick nicht. Jedenfalls hoffte er das.
Nape beendete ihren Gesang.
Naso hörte, wie die Bohlen karrten. Titus lief zur Treppe, dann vermutlich wieder zurück durch Napes Zimmer zu Corinnas Tür. Offensichtlich hatte er nichts entdecken können.
„Grausig, beim Hades…! Aber das war es nicht, eindeutig. Ich habe ihn nicht nur gehört, ich kann ihn sogar riechen: Das stinkt mehr als jeder Soldat nach einem Eilmarsch von vierundzwanzig Meilen querfeldein! Aber von einem Freigelassenen kann man wohl auch nichts anderes erwarten…“
Naso schnupperte angestrengt, konnte jedoch keinen Hauch mehr von Oesypum erhaschen. Dafür umströmten ihn aus dem Garten die herrlichsten Düfte, die über die Mauer wehten: Blüten und Blumen - keine Spur von ungewaschener Schafswolle, Titus oder Corinna.
„…Wen versteckst du vor mir? Ist es tatsächlich Vedius? Oder gar irgendeinen verschwitzter Gladiator oder irgend so ein ungewaschenes Landei?“
Naso löste sich langsam von der Mauer. Doch er schaffte es nicht, sich von der Szene zu lösen. Er musste einfach hören, wie es weiterging. Titus‘ Stimme war immer noch unüberhörbar. Er konnte sogar wahrnehmen, wie der Riegel zurück geschoben wurde.
„Wo ist er? Unter dem Bett? Zerwühlt genug ist es ja…“
„Deine Schuld! Man stürmt nicht in das Schlafgemach einer Dame, während sie sich zurecht macht, wie eine Legion voller ungezogener Gallier!“
„Willst du dich jetzt auch noch über die Fünfte lustig machen? Es war der göttliche Julius selbst, der die gallischen Legionäre…“
„Nein, du kleine Haubenlerche, niemals würde ich mich über die Legio V. alaudae lustig machen. Aber versuch auch mich mal zu verstehen. Du kennst die Sitten: Schönheitspflege darf man nur betreiben, solange keine Männer anwesend sind! Nur eine Kunst, die sich selbst zu verbergen weiß, hilft der Schönheit. Warte unten, bis ich wieder vorzeigbar bin!“
„Warum warten, warum nicht gleich hier…?“
„Ernsthaft? Nach der Szene, die du mir gemacht hast? Das kannst du doch wohl nicht wirklich erwarten! Erwarte mich unten…!“
Dann war nichts mehr zu erlauschen.
Mit fröhlichem Pfeifen schlenderte Naso davon. Das würde heute nichts mehr werden. Ins Bett mit Corinna gelangte man nicht so schnell, kaum gegen ihren Willen und niemals, wenn sie beleidigt war. Die Kunst, jemanden warten zu lassen und hin zu halten, beherrschte sie perfekt. Kleine tapfere Corinna… Und noch mit etwas anderem hatte sie Recht behalten: Es war tatsächlich die Lerche gewesen, die ihre traute Zweisamkeit gestört hatte.

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