Kapitel
13: Es war die Lerche: Im Bett mit Corinna
Mit einem
genüsslichen Grunzen kuschelte sich Naso enger an seine Geliebte. Irgendetwas
schien ihn geweckt zu haben, doch nur ein Dummkopf würde in so einer Lage
ernsthaft daran denken, aufzustehen.
Corinna hob
müde den Kopf.
„Hast du das
gehört?“, brummte sie verschlafen.
Mühsam richtete
sie sich auf und fuhr sich über die noch ungekämmten Haare.
Wie sie halb
ausgestreckt auf dem purpurfarbenen Polster lag, erinnerte sie Naso an eine der
wilden Frauen aus Thrakien: ungepflegt, aber ungemein anmutig! So stellte er
sich die Bacchantinnen vor, wenn sie nach ihren orgiastischen Riten erschöpft
ins grüne Gras sinken….
„Ist das schon
eine alauda?“, gähnte sie. „Komm, die
Lerchen sind bereits wach…“
„alaudae? Die Lerchen stehen doch im
fernen Germanien im Felde, die ganze fünfte Legion, und da herrscht ewiges
Dunkel… Es kann also nur eine Nachtigall gewesen sein. Selbst Loquax schläft
noch. Leg dich wieder hin!“
Er zog sie
sanft auf die Matratze zurück und gab ihr einen Kuss.
Vom Papagei war
in der Tat noch kein Laut zu vernehmen.
„Nein, du weißt
doch…. es ist gefährlich, wenn wir zu lange liegen bleiben. Wenn Titus jetzt
kommt…“
„Keine Sorge,
ich bin ja bei dir, wenn sie kommt, diese kleine, flügellahme Ober-Lerche.
Komm, kuscheln wir weiter!“
Corinna
bedachte ihn mit einem skeptischen Blick, ließ sich aber nur allzu gern wieder
zurückziehen. Sie gab ihm einen Kuss, lehnte sich an ihn und erwiderte seine
Umarmung.
Wieder erklang
ein Vogellaut.
„Da, hörst du?
Es war doch die Lerche. Sie singt schon.“
„Nein, das war
nicht die Lerche, es war die Nachtigall! IHR Lied erklang in deinen furchtsamen
Ohren. Sitzt sie nicht oft auf deinem Feigenbaum im Gärtchen? Komm wieder
runter zu mir, wir kuscheln gerade so schön. Der Tag ist ja noch fern!“
Corinna
blinzelte mühsam.
Erneut hörte
man den Gesang des Vogels.
Corinna setzte
sich auf.
„Lerche!
Aufstehzeit!“
„Nein, nur die
Nachtigall!“, zog Naso sie zurück. „Sei nicht so unpoetisch…“
Er gab ihr
einen zärtlichen Kuss,
Sie betrachtete
ihn mit einem amüsierten Lächeln, richtete sich dann aber wieder auf.
„Nein, die
Lerche war‘s, die Tagverkünderin: Sieh doch, schon naht die blonde Göttin auf
ihrem taubedeckten Wagen, der den Tag heraufführt, gleich eilt Aurora herbei,
auch sie erhebt sich von der Seite ihres Gatten – na, jetzt poetisch genug,
mein Weckruf? Hätte doch glatt von Homeros sein können…“
Naso blinzelte.
„Aurora? Nein,
nicht die Morgenröte ist’s, es ist nur dein Haar, das so rötlich schimmert. Leg
dich hin, lauschen wir noch ein wenig der Nachtigall!“
Corinna fuhr
sich durch ihre künstlichen Locken.
„Hast du
vielleicht etwas an meiner neuen Frisur auszusetzen?“
„Du hättest die
Haare wirklich nicht färben müssen – aber du hast recht: Rot steht dir auch.
Wie nahtlos es in das purpurfarbene Polster übergeht… als wärest du eins mit
der ganzen Matratze…“
[...]
„Doch! SO
schön!“ Er gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. „Als ob du schon selbst die
Göttin der Morgenröte wärest… Bleib liegen Aurora! Sonst geht die Nacht so
schnell vorbei!“
Corinna
erwiderte die Umarmung, dann zog sie eine Augenbraue nach oben.
„Die Nacht?
Sieh doch, die Dämmerung ist schon unterwegs…“
Naso sah zum
Fenster.
Noch drang kaum
Licht durch die Läden
„Wohin eilst
du, Aurora? Bleib doch noch!“ Er ließ sich zurückfallen und nahm Corinna mit,
die ihn noch immer umschlungen hielt. „Jetzt ist es so schön, in den Armen der
Geliebten zu liegen. Wenn jemals, dann ist sie jetzt so schön an meine Seite
geschmiegt… Bleib noch fern, so sollen die Memnonsvögel deinem Sohn ihr
jährliches Opfer bringen…“
Loquax krächzte
müde aber protestierend unter seinem Tuch hervor. Auch er war anscheinend eher
für die Nachtigall zu haben.
„DAS ist also
deine Vorstellung von Poesie, sich gegenseitig zerfleischende Vögel? Glaubst
du, du könntest die Morgenröte aufhalten, wenn du auf den Tod ihres Sohnes vor
Troja anspielst? Eine seltsame Verheißung von Belohnung! Ich bin weder Jurist
noch Priesterin, doch für die Erfüllung eines Wunsches einer Göttin scheint mir
der Gegenwert zu gering: Was hat sie denn von den gefallenen Gefährten ihres
Sohnes? Verwandelte Vögel, die sich opfern… arme Aurora!“
„Ehre für die
Mutter! Das ist doch der eigentlich Zweck jedes Sühneopfers. Wozu
Gladiatorenspiele, ohne die Toten zu ehren? Aurora sei geehrt und bleib bei
deinem unsterblichen Tithonos liegen. Solange ihr schlaft, siehst du sein Alter
nicht…“
„Schlaft,
schlaft!“, machte sich Loquax kehlige Stimme bemerkbar.
Corinna
schielte zum Fenster.
„Sicher ist sie
schon wach. Ältere Männer schnarchen…“
„Schnarche
ich?“
„Aber nein!“
Corinna gab ihm einen Kuss. „Aber noch bist du auch nicht so alt wie ein Greis,
dem Unsterblichkeit zu Teil wurde, nicht aber ewige Jugend. Pech für Aurora.
Warum hat sie das nicht gleich mit gewünscht? Gleich wird sie zu sehen sein...“
„Für den Moment
noch nicht!“
Naso zog sie
wieder auf die Matratze zurück.
„Für den Moment
vielleicht noch nicht, kann aber nicht mehr lange dauern… Sei gegrüßt Aurora,
schaust du bei uns vorbei?“
„Bleib fern!
Jetzt ist der Schlaf noch tief und die Luft kühl und die Vögel singen hell mit
zarter Kehle…“
„Schlaf,
Schlaf“, stimmte Loquax zu.
„Die Lerchen…
Steh auf! Mir kommt das außerdem recht bekannt vor… Sappho, Propertius oder
Tibullus auf dem Krankenbett? Los komm schon, Aurora eilt gleich herbei.“
„Nachtigallen,
keine Lerchen…! Wohin eilst du Aurora? Du bist den Männern nicht willkommen,
noch unwillkommener den Mädchen! Zieh doch die taubedeckten Zügel an, mit
deiner purpurfarbenen Hand. Brems deinen Wagen ab! Wie soll sich der Seemann
noch nach den Sternen richten, wenn du aufgehst? Lass ihn doch nicht ahnungslos
mitten auf dem Wasser umherirren! Lass die Nacht noch verweilen…“
„Auch das kommt
mir bekannt vor… beklagt sich nicht auch Meleagros so ähnlich über Eos, die Morgenröte?“
„Ja und zwar
völlig zu Recht! O Aurora, du bist wirklich hochunwillkommen! Wenn du kommst,
dann erhebt sich der Wandersmann, wie müde auch immer er noch sein mag…“
„Los, denk an
Titus!“
„… und der
Soldat, der seine grausamen Hände an die Waffen legt…“
„So war das
nicht gemeint! Und, bringt das heraufziehende Tageslicht nicht auch viele
Vorteile? Ist es nicht schön, so zart geweckt zu werden, die Morgendämmerung in
ihrer prachtvollen Farbe zu erleben? Oder willst du etwa sofort gleißendes
Sonnenlicht? Wenn man Aurora sieht, arbeitet es sich doch darauf viel schöner.“
„Aurora,
Aurora“, machte der Alexandersittich auf sich aufmerksam.
„Nein, Aurora,
bleibe fern, du bringst nur Mühsal und Arbeit!"
[...]
„Beschimpfen?
Ich wünschte, es wäre Tithonos erlaubt, von dir zu erzählen: Keine würde man im
Himmel mehr beschimpfen! Du suchst dir andere Abenteuer, dein Mann liegt
eingeschlossen im Schlafgemach. Du schauderst morgens vor deinem überalterten
Gatten zurück, fliehst vor der Umarmung des Greises aus dem Bett und besteigst
das verwünschte Gefährt.“
„Schön, dass du
meine Umarmung nicht fliehst...“ Corinna nahm ihn fest in ihre Arme. „Ich kann
sie verstehen. Ich würde auch lieber zu einem jungen Cephalus wie dir eilen...“
„Ja! Orion,
Cleitus und Cephalus entführst du einfach! Würdest du einen wie Cephalus in
deiner Umarmung halten, dann würdest du ihn fest mit beiden Händen halten und
rufen: "Brrr, rennt nur langsam, ihr Pferde der Nacht!"“
„Rennt langsam
– Eile mit Weile?“ Corinna zog eine Augenbraue nach oben. „So wie das
Lieblingsoxymoron des Erhabenen speàde bradšwj? Musst du denn immer Seitenhiebe
auf den Erhabenen setzen? Irgendwann wird ihm das jemand erzählen…“
“Aurora, mach
langsam! Warum soll denn ich dafür bestraft werden, dass dein Gemahl vor sich
hin welkt? Hab ich dich etwa mit diesem Greis verkuppelt? Nein! Dipsas
vielleicht...“
„So alt ist sie
auch wieder nicht…“
Dennoch musste
Corinna kichern.
„Doch“,
beharrte Naso, „die ist alt genug, selbst für das mythische Zeitalter! Sie ist
so alt, ihr erster Sonnenaufgang WAR der erste Sonnaufgang - kaum dass Nyx und
Erebos Hemera gezeugt hatten, den ersten Tag! Sie hat bei der Jungfernfahrt des
Sol zugesehen. Deswegen ist ihr Haar auch zum Teil schwarz, grau und weiß:
verkohlt und verbrannt – sie stand zu nahe an seinem Sonnenwagen…
„Naso!“
Corinna drückte
ihm ein Kissen ins Gesicht.
Als er sich
fallen ließ und sie zum Kissen hin zog, war sie nahe daran, sich auf ihn
einzulassen. Doch dann riss sie sich zusammen und ihm das Kissen wieder weg.
„Genug! Mehr
Schlaf schenkt uns Aurora nicht.“
„Nicht? Sieh
doch nur, Aurora, wie viel Schlaf Luna
ihrem geliebten Jüngling geschenkt hat! Du bist doch auch nicht weniger schön
als die Mondgöttin, oder doch? Selbst der Göttervater hat nach seinem Wunsch
zwei Nächte zu einer zusammengezogen, um dich nicht so oft sehen zu müssen...“
Corinna erhob
sich.
„Genug
geschimpft? Bist du jetzt fertig?“
Sie öffnete die
Fensterläden.
Die
Morgendämmerung tauchte das Zimmer in rosigen Schimmer.
„Sieh nur“,
sprang Naso auf. „Sie hat meine Beschimpfungen gehört! Sie ist rot geworden...“
„Ja“, lachte
Corinna, „das schon. Vielleicht schämt sie sich tatsächlich, aber nicht genug,
um mit ihrem Wagen wieder umzudrehen. Deine kleine suasoria hat sie wohl nicht recht überzeugen können: der Tag ist
nicht später heraufgezogen, als sonst auch.“
„Jetzt aber
fort mit Dir! Titus wollte mich heute Morgen besuchen kommen. Zusammen ein
kleines prandium einzunehmen, war
schon riskant genug.“
Corinna
versuchte ihn mit ihren Händen davon zu wedeln, während Nape bereits mit
Haarnadeln und Spiegel bereit stand. Die Reste des Frühstücks hatte sie bereits
in die Küche hinunter getragen.
Naso blieb
liegen und machte keine Anstalten, sich verscheuchen zu lassen. Im Gegenteil,
er sank wieder auf das Kissen zurück.
„Dann haben wir
noch Zeit!“, freute er sich. „Keine Sonne, den ganzen Tag Nacht…. Sicher haben
er und seine Haubenlerchen sich angepasst, im fernen Germanien. Die sind dort
berühmt dafür, bis in den hellen Tag hinein zu schlafen. Und dann muss er erst
noch vom Palatin einmal quer durch Rom, durch Subura bis hier hoch zum
Esquilin…“
„Er ist Soldat!
Die stehen noch vor dem Morgengrauen auf. Denk nur an die militärische
Disziplin….“
„Militärische
Disziplin? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man allein von puls so zunehmen kann! Hast du mal
Weizenbrei essen müssen?“
„Sicher! Wer
hätte das nicht? Du bist sicher der einzige Einwohner in ganz Subura, der ohne
ihn aufgewachsen ist…“
„Und ohne zähes
panis militaris! Dazu soll das Essen
der Einheimischen furchtbar sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Titus
lange von posca überlebt. Wobei… sein
Weingeschmack hat schon etwas Weintrester und verdünntem Weinessig…“
„Naso, komm
schon…“
„Nur allzu
gerne!“ Er umarmte sie und bedeckt sie mit leidenschaftlichen Küssen.
Sie befreite
sich aus seiner Umklammerung.
„Komm jetzt
endlich!“
„Keine Angst,
Titus kommt garantiert später“, versuchte es Naso von Neuem, wobei er Nape und
die Schminkutensilien geflissentlich ignorierte. „Sicher hat er sich
Delikatessen aus Gallien; Massilia oder Italien servieren lassen. Hast du
zuletzt einmal auf seinen Bauch geachtet? Der erhält jedenfalls mehr als genug
Nachschub…“
Corinna stieß
ihn unsanft aus dem Bett und setzte sich vor den Schminktisch.
„So jetzt
schließe ich aber das Schlafgemach!“ rief sie, ohne sich zu ihm umzudrehen.
„Schließlich sollte man nicht die Baustelle sehen, sondern nur das fertige
Werk…“ Sie winkte Nape heran, die sogleich begann ihre Haare zu kämmen. „…ʺVieles sollten die Männer nicht wissen, das
Meiste verschreckt sie…ʺ Hast du das nicht selbst geschrieben?“
Naso riss die
Augen auf.
„Was? Woher
hast du…“
Sie kicherte,
die Augen fest auf ihren Bronzespiegel gerichtet.
„Du hast
neulich eines deiner Täfelchen liegen lassen.“ „ʺNicht -außer ganz fern vom Mann- mache den Männern dich schön!ʺ
Also raus jetzt!“
[...]
„Gut, ich sage
dir, wofür die gut ist. Aber rücke mir bitte nicht so dicht auf die Pelle! Nape
kann ja kaum noch arbeiten...“
„Also, wofür
ist diese Paste? Riecht ein wenig nach Honig...“
„Für eine
natürlich glänzende Haut ohne Runzeln.“
„Und woraus
besteht sie?“
„Honig, wenn du
es unbedingt wissen musst. Richtig erraten. Gemahlene und entspelzte Gerste,
Erbsen, Eiern, Hirschgeweih, Narzissenzwiebeln und... Honig eben.“
Fasziniert hing
Naso an Corinnas Lippen.
»Viel
interessanter, als ich zuvor gedacht hatte. Kommt mir ein Bisschen so vor wie
Zauberformeln. Gesichtszauber... so etwas würde sicher viele Leser finden -
oder lieber ein kleiner Schminkratgeber…? Schönheitsmittel...? Medicamina
Faciei...?«
Als Nape ein
anderes Döschen öffnete, rümpfte er jedoch sogleich die Nase.
„Was ist das
denn DA drin?“
„Bestes
Oesypum, direkt aus Athen.“
»Stinkt enorm«,
dachte er angewidert, wagte aber nicht, dies anzusprechen. »Das habe ich mir
doch schon einmal an der Via Sacra erklären lassen. Gewinnt man dieses Extrakt
nicht aus dem Schweiß und Schmutz, der an ungewaschener Schafwolle klebt? Auf
jeden Fall - DIE Sache stinkt...«
„Beim Mars!
Lass mich sofort rein, oder ich breche die Türe auf, du stinkender Syrer!“
Titus!
Sein Gebrüll
war bis nach oben in Corinnas Schlafgemach zu hören.
Ein leises
Quietschend ließ sie erschauern.
Syrus hatte das
Gartentor geöffnet.
Nape ließ das
Oesypum-Döschen fallen.
Corinna biss
sich auf die Lippen.
Die Bohlen
knarzten laut auf.
Titus hatte
bereits die Treppe überwunden.
Geistesgegenwärtig
schob Corinna den Riegel vor, gerade noch rechtzeitig, bevor Titus an der Tür
rüttelte.
„Mach auf! Du
brauchst gar nicht erst so zu tun, als ob du schlafen würdest. Ich habe Euch
schon von der Straße aus gehört! Ist das etwa dieser Vedius bei Dir?“
„Bei mir –
nein? Wie kommst du nur darauf, Liebling? Ich bin hier allein mit Nape.“
Corinna sammelte
in Windeseile Nasos Kleider und warf sie ihm einzeln zu, während er sie hastig
überstreifte.
Titus rüttelte
wild an am Türgriff.
„Und warum
schließt ihr dann die Türe zu?“
„Deinetwegen!
Ich bin bei der Morgentoilette: Vieles ist häßlich, während es geschieht und
gefällt, wenn es geschehen ist! Weißt du denn nicht, mein Schatz, dass jede
Frau ihre Schlafzimmertür beim Schminken abschließen sollte?“
„Los raus!“,
zischte sie Naso leise zu während Titus als Antwort nur heftiger gegen das Holz
schlug.
„Wie denn?“
flüsterte er zurück. „Titus steht draußen, der einzige Weg führt doch durch
Napes Zimmer!“
Nape öffnete
die Fensterläden und winkte.
Naso blickte
zum Garten hinab und wurde bleich.
»Von der Mauer
aus zum Ende der Treppe, das ging gerade noch so - aber von Corinnas Fenster
aus – ist das nicht viel zu weit…?«
Titus hörte
auf, gegen die Türe zu hämmern.
„Irgendjemand
ist aber noch bei dir! Ich habe seine Stimme gehört!“
„Nape hat eine
ziemlich tiefe Stimme für eine Frau – wenn sie will…“ und leise zu ihrer
Dienerin: „Los sing, so tief du kannst, so wie in deiner Heimat…!“
Ein
ohrenbetäubender Kehlkopfgesang erfüllte den Raum
Während Nape so
laut und tief sie konnte sang, hievte Corinna Naso kurzerhand zum Fenstersims.
„Beim Hercules!
Hast du aber Kraft! kein Wunder kannst du solche Klunker tragen…“
„Los, runter!“
Sie gab ihm
noch einmal einen leidenschaftlichen Kuss.
Naso spürte die
Hefe in seinem Gesicht und schmeckte das Rot des Lippenbalsams.
»Nicht
auszudenken, was Titus und Carisius mit ihr anstellen würden, sollten sie
Corinna zusammen mit mir erwischen…«
Er nahm all
seinen Mut zusammen und machte einen gewaltigen Satz. Am Treppengeländer blieb
er hängen, schaffte es jedoch, sich hochzuziehen, sprang von dort auf die
Mauer, ließ sich hinunter und drückte sich möglichst flach dagegen.
Von oben
rieselten ein paar Bröckchen Putz herunter, die er mit den Füßen gelockert
hatte. Er fischte sie sich aus den Haaren. Ob Titus den losen Putz gehört und
ihn entdeckt hatte?
Nein,
unmöglich: So wie er da unten kauerte, konnte ihn Titus unmöglich sehen.
Zumindest im Augenblick nicht. Jedenfalls hoffte er das.
Nape beendete
ihren Gesang.
Naso hörte, wie
die Bohlen karrten. Titus lief zur Treppe, dann vermutlich wieder zurück durch
Napes Zimmer zu Corinnas Tür. Offensichtlich hatte er nichts entdecken können.
„Grausig, beim
Hades…! Aber das war es nicht, eindeutig. Ich habe ihn nicht nur gehört, ich
kann ihn sogar riechen: Das stinkt mehr als jeder Soldat nach einem Eilmarsch
von vierundzwanzig Meilen querfeldein! Aber von einem Freigelassenen kann man
wohl auch nichts anderes erwarten…“
Naso
schnupperte angestrengt, konnte jedoch keinen Hauch mehr von Oesypum erhaschen.
Dafür umströmten ihn aus dem Garten die herrlichsten Düfte, die über die Mauer
wehten: Blüten und Blumen - keine Spur von ungewaschener Schafswolle, Titus
oder Corinna.
„…Wen
versteckst du vor mir? Ist es tatsächlich Vedius? Oder gar irgendeinen
verschwitzter Gladiator oder irgend so ein ungewaschenes Landei?“
Naso löste sich
langsam von der Mauer. Doch er schaffte es nicht, sich von der Szene zu lösen.
Er musste einfach hören, wie es weiterging. Titus‘ Stimme war immer noch
unüberhörbar. Er konnte sogar wahrnehmen, wie der Riegel zurück geschoben
wurde.
„Wo ist er?
Unter dem Bett? Zerwühlt genug ist es ja…“
„Deine Schuld!
Man stürmt nicht in das Schlafgemach einer Dame, während sie sich zurecht
macht, wie eine Legion voller ungezogener Gallier!“
„Willst du dich
jetzt auch noch über die Fünfte lustig machen? Es war der göttliche Julius
selbst, der die gallischen Legionäre…“
„Nein, du
kleine Haubenlerche, niemals würde ich mich über die Legio V. alaudae lustig
machen. Aber versuch auch mich mal zu verstehen. Du kennst die Sitten:
Schönheitspflege darf man nur betreiben, solange keine Männer anwesend sind!
Nur eine Kunst, die sich selbst zu verbergen weiß, hilft der Schönheit. Warte
unten, bis ich wieder vorzeigbar bin!“
„Warum warten,
warum nicht gleich hier…?“
„Ernsthaft?
Nach der Szene, die du mir gemacht hast? Das kannst du doch wohl nicht wirklich
erwarten! Erwarte mich unten…!“
Dann war nichts
mehr zu erlauschen.
Mit fröhlichem
Pfeifen schlenderte Naso davon. Das würde heute nichts mehr werden. Ins Bett
mit Corinna gelangte man nicht so schnell, kaum gegen ihren Willen und niemals,
wenn sie beleidigt war. Die Kunst, jemanden warten zu lassen und hin zu halten,
beherrschte sie perfekt. Kleine tapfere Corinna… Und noch mit etwas anderem
hatte sie Recht behalten: Es war tatsächlich die Lerche gewesen, die ihre
traute Zweisamkeit gestört hatte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.